Newsletter 05 - Umbau im Bestand

Liebe Leserin, lieber Leser,

Auch in 2019 werden wir, das Team der Begleitforschung, mindestens ein Mal im Quartal einen Newsletter rund um die Modellvorhaben und ihre VARIO-Wohnungen herausgeben. Die erste Ausgabe widmet sich einem Thema, das Ihnen aus der Baupraxis sicherlich vertraut ist: die Herausforderungen des Umgangs mit Bestandsgebäuden. Sie sind besonders anspruchsvoll, wenn es um die Belange des Denkmalschutzes geht.

Das Modellvorhaben "Ferdinandshof" in Frankfurt / Oder hat sich den speziellen Aufgaben gestellt, die sich aus einer denkmalgerechten Ertüchtigung verbunden mit den Rahmenbedingungen aus dem Förderprogramm ergeben. Wie es die am Bau Beteiligten schaffen, den Ansprüchen gerecht zu werden, fanden wir so interessant, dass wir dazu im Detail den Bauherrn und den Architekten befragt haben. In einem Interview während der Baustellenbereisung am 10 Dezember 2018 verrieten sie uns, wie sie das Modellvorhaben "Ferdinandshof" meistern.

Die Leitfragen für das Gespräch stellte Friedrich May von der HTW Berlin. Steven Uckermann, der Bauherr, und Bernhard Schuster, der Architekt, haben sie beantwortet.

Sonderaufgabe Baudenkmal

Welche Erfahrungen haben Bauherr und Architekt mit denkmalgeschützten Gebäuden? Haben sie bereits vergleichbare Projekte realisiert? Schon in der ersten Fragerunde kann der Bauherr Steven Uckermann die Herausforderungen eines Baudenkmals kommentieren: zwar habe er bereits schon viele Baudenkmal-Projekte realisiert, doch bisher war das größte ein Haus mit rund 1.000 m2 Wohnfläche. "Acht Häuser gleichzeitig ist neu". Also wurde beispielsweise extra eine Software zur Bauzeitenkontrolle und zur Planungskoordination angeschafft. Zukünftig müsse er überlegen, ob er diese Größe wiederholen möchte. "Dieser Sommer (2018) war ideal zum Bauen wegen des trockenen warmen Wetters. Das war Glück!". Ein Jahr sei ins Land gegangen, bis man eine tragfähige Finanzierung auf die Beine gestellt hatte "und das war sehr lange", so Uckermann. Die Denkmalbehörde habe sich erpresst gefühlt wegen der Wärmedämmung der Bestandsgebäude. In gemeinsamen Gesprächen fand man aber schließlich Lösungen, wie ein Denkmal wärmegedämmt werden kann.

Architekt Bernhard Schuster wurde schon mit „15.000- bis 20.000-m2“-Projekten beauftragt, allerdings nicht mit allen Leistungsphasen der HOAI in nur einem Projekt. "Dass sich die Planungsphasen so überlappen und sich miteinander verknüpfen" - das sei für ihn neu. Schuster meint, es brauche speziell qualifizierte Mitarbeiter, die sich in Details "reinbeißen" und sowohl die Anpassungen als auch die Genauigkeit bei Bestandsplanungen einhalten. Bisher würden die räumlichen Vorgaben aus VARIO-Wohnen und NaWoh eingehalten, auch Bauzeit und Genehmigungsfähigkeit. Sein wichtigstes Ziel: "Es muss Baufortschritt geben."

Gleich nachdem das Konzept von Bauherr und Architekt Ende Juni 2016 fertiggestellt war, wurde im Juli die untere Denkmalschutzbehörde eingebunden in Form eines protokollierten Gesprächs berichtete Uckermann, und "danach war ein halbes Jahr Ruhe". Auch Schuster bestätigt: unmittelbar nach dem Planungsstart ist die Fachbehörde einzubinden.

Welche Fachbehörden außerdem noch involviert seien, wollen wir dann wissen – die Obere oder Oberste Denkmalbehörde, das Landesdenkmalamt? „Als der Zeitpunkt einer zu erteilenden Baugenehmigung kam, wurde es unruhig“, weiß der Bauherr zu schildern, da auch die Obere Denkmalbehörde beteiligt sei und bestimmte Dinge ablehnte. Zusammen mit dem Leiter der Unteren Denkmalbehörde und dem Gebietsreferenten konnte Uckermann ermitteln, welche Baumaßnahmen tatsächlich umgesetzt werden können. Er hätte sich sonst überlegt, das Projekt wegen Unwirtschaftlichkeit zu beenden.

"Und wie ging es weiter? Sind die Vertreter der Denkmalschutzbehörden noch im Geschehen involviert?" fragen wir daraufhin. Nach wie vor seien die Vertreter der Denkmalbehörde noch präsent, meinen Bauherr und Architekt, denn "das Denkmalamt will bei der Dokumentation eine sehr umfangreiche Tiefe, welche inzwischen auf ca. 1.600 Seiten angewachsen ist. Das ist ein großer Zeitaufwand, der jeweils mit dem Baufortschritt erfolgen muss."

Auf die Frage nach den erforderlichen Planungsleistungen, um die denkmalrechtliche Genehmigung zu erhalten – zum Beispiel Visualisierungen oder Bemusterungen, betont Schuster nochmals die umfängliche Dokumentation, aber auch Schwierigkeiten in der Bestandsaufnahme: Teilweise konnte ein Aufmaß erst nachträglich erfolgen, weil einzelne Bereiche eingestürzt und erst noch begehbar gemacht werden mussten. Das habe sich auch den Planungsprozess ausgewirkt.

Podiumsdiskussion

Welche Eingriffe in das Erscheinungsbild und die Bausubstanz erforderlich waren, konkretisiert Schuster mit drei wesentlich Maßnahmen: Wärmedämmung, außenliegende Erschließung zur Barrierefreiheit, Änderung der Geschossanzahl bei Haus Nr. 4 und Nr. 5. Immerhin habe es zum Brandschutz nur sehr geringfügige Auflagen gegeben. Von Ausnahmeregelungen oder Kompensationsmaßnahmen ist an dieser Stelle im Gespräch mit dem Architekten nicht die Rede. Auch der Barrierefreiheit („Ready-Konzept“) sei mit verhältnismäßig überschaubaren Maßnahmen Genüge getan: mittels außenliegender Erschließung und Aufzügen würde die Barrierefreiheit vollständig erreicht.

Den planerischen Mehraufwand für den Umbau im Vergleich zum Aufwand für ein Bestandsgebäude ohne Denkmalschutz beschreibt der Bauherr dagegen als extrem hoch: Das VARIO-Programm habe die öffentliche Ausschreibung mit sich gebracht und das sei in Kombination mit Denkmalen eine Katastrophe, weil sich im Prozess vieles stark verändere meinte Uckermann – doch auch zuversichtlich: „Nach der Rohbauphase wird das etwas besser.“ Seine Erfahrung im Detail: Alles was nicht „von der Stange“ sei, sei zu teuer und die Größe des Vorhabens zu gering, als dass größere Stückzahlen gefertigt werden könnten. Alle Baubetriebe und Handwerker seien momentan zeitlich überlastet und kalkulierten die Preise nicht vernünftig, sondern sicherten sich ab und versuchten hohe Margen zu erzielen. Auch der Architekt bestätigt einen erheblichen Mehraufwand – nicht nur wegen der teilweise sich überlagernden Planungsphasen. So hätte man beispielsweise die Fassaden mit einem außenliegenden Schutz gegen angreifenden Wind aussteifen müssen. Sie waren einsturzgefährdet, als bereits eingebrochene Decken entfernt wurden. Die Maßnahme sei aber auch erforderlich, um die Fassaden im Bestand gefahrlos zu dokumentieren.

Zu den Voraussetzungen, die erfüllt sein müssten, so dass sich das VARIO-Wohnen-Konzept für Baudenkmale eignen, sagt der Bauherr, dass man das Konzept an sich nicht verbessern könne. Eventuell sei die untere Grenze der erlaubten Raumgröße (14m²) aufzuweichen – dann aber auf Antrag und als Ausnahme. Es sei teilweise sehr schwierig gewesen, die Mindestraumgröße nicht zu unterschreiten wegen der Gegebenheiten im Bestand. In Frankfurt / Oder gälten Mieteinnahmen von 300 Euro je Wohnplatz als „gut“. Bei den hohen Mietpreisen wie in Berlin mache es dort keinen Sinn, am VARIO-Programm teilzunehmen. „Da nützt auch die Förderung nichts, wenn man später nur die ‚halbe‘ Miete verlangen darf.“ Für den Architekten ist das „Weiterbauen“ an einem Denkmal notwendig als Transformationsprozess. Die großen Geschossflächen betrachtet Schuster als bestens geeignet für VARIO-Wohnen. Die Trennung von Primärstruktur (Tragwerk) und Sekundärstruktur (Ausbau) sei eigentlich sehr modern. Bauzeitlich gewerblich genutzte Gebäude seien für so eine kleinteilige Nutzung eher als Glücksfall zu betrachten. Außenliegende Laubengänge mit Erholungsflächen ergänzten das Konzept zeitgemäß mit Terrassen und barrierefreier Erschließung. Kompliziert werde es bei „normalen“ Denkmalen besonders bei Einzelgebäuden, womöglich noch mit außermittigem Treppenhaus.

Wir bitten Bauherrn und Architekten daraufhin auch um Ihre Einschätzung, ob das Modellvorhaben in Frankfurt / Oder übertragbar auf andere Baudenkmale sei. Der Bauherr macht das von der Gebäudekubatur abhängig – jene des Ferdinandshof würde nun sogar intensiver genutzt, als es früher der Fall war. Der Architekt bejaht diese Frage „doch nur dann, wenn wie bei ehemaligen Gewerbegebäuden die Grundstruktur passt“.

Auf die Frage, was den Bauherrn motiviert hat, in diesem Baudenkmal das VARIO-Wohnen-Konzept durchzuführen, formulierte Uckermann, er habe dieses Objekt bereits erworben gehabt, schließlich wolle er „damit Geld verdienen“. Durch einen Hinweis vom Bürgermeister sei das VARIO-Programm ins Spiel gekommen: „Innerhalb von sechs Wochen wurde dann schnellstens eine Bewerbung eingereicht.“ Die Förderrichtlinie zu erfüllen sei sehr anspruchsvoll. Zu diesem Zeitpunkt habe man nichts über das Haus gewusst, musste aber eine Kostenberechnung einreichen. Ein halbes Jahr später habe man dann schon eine bessere Kostenschätzung erstellen können. Die Unterbringung von Studierenden sei aber schon von Beginn an vorgesehen gewesen. Allerdings: „Ohne die Fördermittel wäre die Finanzierung nicht möglich gewesen. 2 Mio. Euro Eigenkapital, plus Bundesmittel und Fördergelder in Höhe von 2,5 Mio Euro stecken hier drin – bei gesamt 10 Mio. Euro Gesamtvolumen.“

Zu Förderungen wie beispielsweise die Programme der KfW sagt Uckermann, dass das Programm „Effizienzhaus Denkmal“ für Haus Nr. 1 und Nr. 3 genutzt werde. Auch für Haus Nr. 2, doch das sei nicht im VARIO-Programm. Die Häuser Nr 4, Nr. 5 und Nr. 6 werden nach dem KfW 55-Standard errichtet.

Höhere Investitionen für die neu errichteten Gebäude wegen der Nachbarschaft zum Denkmal-Bestand hielten sich in Grenzen, konnte Schuster berichten. Der Neubau stünde frei und auch gestalterisch sei er unabhängig: „Nur der Verbau und eine Böschung gegenüber der Straße waren erforderlich.“ Für die umliegenden Wohngebäude wurde eine Beweissicherung durchgeführt, als man die Spundwände einbrachte.

Dass sich die Denkmalbehörde kompromissbereit gezeigt hatte, weil sich der Bauherr am VARIO-Programm beteilgt, können Bauherr und Architekt bestätigen. „Sogar erhebliche Kompromisse“ attestiert Schuster, wenn man die Gschossänderungen bei Haus Nr. 4 und Nr. 5 sowie die Außendämmung bedenke. Allerdings, so muss Uckermann einschränken, wurde wegen der neuen Ziegeldecken und der Wärmedämmung dem gesamten Innenausbau der Denkmalstatus aberkannt. Damit entfiele auch, 1 Mio. Euro Herstellungskosten steuerlich geltend machen zu können. Hierzu zählen nur substanzsichernde Maßnahmen.

Wir nehmen an, dass eine solch große Baumaßnahme zum Denkmalerhalt auf eine erhöhte Akzeptanz im Vergleich zu Neubauvorhaben gestoßen ist, auch weil dadurch im Stadtbild bekannte Gebäude erhalten werden. Dem kann der Bauherr beipflichten, denn die Stadt Frankfurt / Oder sei extrem hilfreich bei der Vermittlung gewesen: „In Frankfurt / Oder ist man da freundlich gestimmt.“ Und der Architekt hat die Erfahrung, dass die Akzeptanz bei Denkmalsanierungen grundsätzlich höher sei.

Zum Schluss interessiert uns noch, ob es Mitbewerber mit anderen, umfänglicheren Nutzungskonzepten gab. Das verneinen beide: „Das Areal wollte keiner haben“, meint der Bauher und der Architekt: „Man ist da sozusagen hineingefallen in die Aufgabe.“

Wie gut für den Ferdinandshof, dass Bauherr Steven Uckermann und Architekt Bernhard Schuster mit Weitsicht die Potentiale des Ortes erkannt und den Mut aufgebracht haben, seine Schätze zu heben. Mit ihrem VARIO-Wohnungen-Konzept werden eine ehemalige Brauerei als bauzeitliches Zeugnis erhalten und immerhin 129 Wohnplätze geschaffen.

Am 25. Februar erwartet das nächste Netzwerktreffen in Bochum die Forscherinnen und Forscher, die die Modellvorhaben begleiten. Eine gute Gelegenheit, die Fragen zum Bauen im Bestand zu vertiefen. Um auch noch weitere signifikante Themen intensiv zu behandeln, haben wir für das Netzwerktreffen Fachforen vorbereitet, die uns Gelegenheit zur Diskussion geben.

Wir freuen uns auf ein Wiedersehen und fruchtbare Gespräche in Bochum.

Bis dahin
Ihr Team der Begleitforschung

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