Zurück

Inhalte

Umsetzung leistungsorientierter Brandschutzvorschriften

Projektbeschreibung

Projektbeteiligte

Eckdaten

Umsetzung leistungsorientierter Brandschutzvorschriften


Projektnummer
Projektbeginn
07.2007
Projektende
04.2010
Projektstatus
abgeschlossen ohne Bericht

Ziel des Forschungsprojekts war es, Grundlagen für ein System leistungsorientierter Brandschutzvorschriften zu schaffen. Damit sollen die konkreten materiellen Anforderungen in Bauordnungen und Rechtsvorschriften, die sich bei modernen Gebäuden als zu starr erweisen, flexibilisiert werden.Projektlaufzeit: Juli 2007 - Oktober 2009

Ausgangslage

International haben sich leistungsorientierte Vorschriften im Bauordnungsrecht in den vergangenen zehn Jahren in vielen Ländern durchgesetzt, weil die starren materiellen Anforderungen innovativen Entwicklungen bei den Gebäudekonzepten und der Brandschutztechnik im Wege standen. Auch in Deutschland können kaum noch Sonderbauten errichtet oder umgenutzt werden, ohne dass Abweichungen von Vorschriften der Landesbauordnung oder anzuwendenden Sonderbauverordnung notwendig werden und individuell begründet und kompensiert werden müssen. Anerkannte Regeln der Technik für die erforderlichen Nachweise eines äquivalenten Sicherheitsniveaus stehen jedoch noch nicht zur Verfügung. So werden von Fachplanern und Brandschutzsachverständigen im Rahmen von "zielorientierten Brandschutzkonzepten" nach ihrem jeweiligen Ermessen Nachweismethoden und Eingangsdaten gewählt und mehr oder weniger sachgerecht angewendet. Von den Genehmigungsbehörden kann die Gleichwertigkeit des Sicherheitsniveaus in Ermangelung geeigneter Methoden und statistischer Daten generell nicht bewertet werden.

Anliegen und Zielsetzung

In dem neuen System leistungsorientierter Brandschutzvorschriften sollen weitgehend Einzelanforderungen zum Brandschutz in den Landesbauordnungen entfallen. Dafür werden die Schutzziele weiter konkretisiert und so differenziert, dass sie in Abhängigkeit von der Gebäudeart und Nutzung mit unterschiedlichem Gewicht, entsprechend den jeweils vorhandenen Risiken, kombiniert werden können (siehe Bild 1, rechte Spalte).

Für den Nachweis der Schutzzielerreichung werden quantitative Leistungskriterien definiert, die z. B. die zeitlich begrenzte Standsicherheit von Bauteilen im Einflussbereich eines Brandes oder die Beeinträchtigung von Personen durch Feuer und Rauch (Rauchschichthöhe, optische Dichte oder Sichtweite) betreffen können. Die Konkretisierung von Leistungskriterien erfolgt unterhalb der gesetzlichen Ebene der Landesbauordnungen, z. B. in Durchführungsverordnungen oder Richtlinien für Sonderbauten. Auf dieser Ebene ist auch die Anwendung von Ingenieurmethoden zum Nachweis der Brandsicherheit zu regeln.

Die Methoden zum Nachweis der Schutzzielerreichung (siehe Bild 1, linke Spalte) sowie die konkreten Sicherheitsanforderungen für die Auslegung und Ausführung von Schutzmaßnahmen werden auf der (dritten) Ebene der anerkannten Regeln der Technik spezifiziert, um innovationshemmende Vorgaben durch das Bauordnungsrecht zu vermeiden.

Auftragnehmer war das Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (IBMB), Technische Universität Braunschweig.

Konzept

Forschungskonzeption

Im europäischen Rahmen lassen sich Ansätze für leistungsorientierte Brandschutzvorschriften auf drei Hierarchieebenen bezüglich der Bauprodukte erkennen. Dabei kann die Bauproduktenrichtlinie als die oberste (gesetzliche) Ebene angesehen werden. Sie definiert qualitative Schutzziele in Form der sechs wesentlichen Anforderungen, wovon die zweite den Brandschutz betrifft. Hierzu liefert das Grundlagendokument 2 (als zweite Ebene) weitere Spezifizierungen, die allerdings nur zum geringen Teil quantitative Leistungskriterien enthalten. Die Bemessungsregeln nach dem Stand der Technik für den konstruktiven Brandschutz (als dritte Ebene) finden sich in den Brandschutzteilen (Teile 1-2) der konstruktiven Eurocodes.

Im Referat 4 "Ingenieurmethoden des Brandschutzes" der Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes e. V. (vfdb) wurde der "Leitfaden Ingenieurmethoden des Brandschutzes" erarbeitet, der als Technischer Bericht vfdb TB 04-01, 1. Auflage Mai 2006, veröffentlicht wurde. Der Leitfaden deckt prinzipiell die im Rahmen zielorientierter Brandschutzkonzepte zu führenden Nachweise ab. Hinsichtlich der Schutzziele und der zugehörigen quantitativen Leistungskriterien waren jedoch weitere Untersuchungen, ergänzende Angaben und Absicherungen in diesem Forschungsvorhaben erforderlich.

Im Hinblick auf ein übergreifendes Sicherheitskonzept für Nachweise im konstruktiven Brandschutz wurden wichtige Grundlagen in einem Forschungsvorhaben im Auftrag des Deutschen Instituts für Bautechnik (DIBt) "Sicherheitskonzept zur Brandschutzbemessung" am Institut für Baustoffe, Massivbau und Brandschutz (IBMB) der Technischen Universität Braunschweig erarbeitet. Zusätzliche Untersuchungen im aktuellen Forschungsvorhaben waren erforderlich, um auch anlagentechnische und abwehrende Brandschutzmaßnahmen bei der Bemessung der bautechnischen Brandschutzmaßnahmen berücksichtigen zu können. Dazu sollten belastbare Daten zur Wirksamkeit und Verfügbarkeit der Maßnahmen, die auf nationaler Ebene fehlen, anhand der internationalen Literatur zusammengetragen und durch eigene Erhebungen ergänzt werden.

Mit Hilfe der definierten Schutzziele, erprobten Nachweismethoden und zusammengestellten Eingangsdaten sollten dann leistungsorientierte Brandschutzanforderungen hergeleitet, auf ausgewählte Gebäude des Bundes angewendet und mit den Anforderungen nach dem Brandschutzleitfaden des Bundes verglichen werden.

Die Bearbeitung war in drei Arbeitsschritte mit insgesamt sechs Arbeitspaketen aufgeteilt:

Arbeitsschritt 1
AP 1 Differenzierte Zuordnung der Schutzziele

Arbeitsschritt 2
AP 2 Verknüpfung der Schutzziele mit quantitativen Leistungskriterien
AP 3 Entwicklung einer hierarchischen Struktur für künftige Vorschriften
AP 4 Beschreibung der Wirksamkeit und Zuverlässigkeit von anlagentechnischen und abwehrenden Brandschutzmaßnahmen

Arbeitsschritt 3
AP 5 Erprobung der leistungsorientierten Brandschutzvorschriften an ausgewählten Beispielen von Gebäuden des Bundes
AP 6 Berichterstattung

Forschungsleitfragen

  1. Lässt sich ein System leistungsorientierter Brandschutzvorschriften auf mehreren Hierarchieebenen durchgängig und schlüssig formulieren und für unterschiedliche Brandschutznachweise (Feuerwiderstand, Personensicherheit, Löscharbeiten) bei üblichen Gebäuden und verschiedenen Sonderbauten verallgemeinern?
  2. Wird bei Anwendung des neuen Systems das brandschutztechnische Sicherheitsniveau entsprechend den bisher geltenden Vorschriften im Mittel beibehalten und werden bisherige Ungleichgewichte bei den verschiedenen Sonderbauten beseitigt?

  3. Sind die Eingangsdaten, Methoden und Ergebnisse der leistungsorientierten Brandschutznachweise soweit abgesichert, dass Korrekturen gegenüber bisherigen Brandschutzanforderungen damit begründet werden können?

Ergebnisse

Die Untersuchungen haben gezeigt, dass für den mehreren Schutzzielen dienenden konstruktiven Brandschutz geeignete Ingenieurmethoden und zugehörige Eingangsdaten im neuen europäischen Regelwerk der Eurocodes in Verbindung mit nationalen und internationalen Leitfäden zur Verfügung stehen (vgl. Bild 2, linke Spalte). Hiermit kann das Erreichen der öffentlich-rechtlichen Schutzziele objektiv und quantitativ messbar nachgewiesen werden.

Für das Schutzziel der Rettung von Personen im Brandfall existieren ebenfalls Nachweise zur Personensicherheit und Evakuierung auf unterschiedlichen Stufen, wobei die benötigten Eingangsdaten und einzuhaltenden Grenzwerte noch nicht einheitlich geregelt sind (vgl. Bild 2, rechte Spalte).

Für das Schutzziel der wirksamen Löscharbeiten fehlen derzeit noch allgemein anerkannte Nachweisverfahren, die noch mit den entsprechenden Fachkreisen zu erörtern und abzustimmen sind. Welche Rolle Art und Umfang von Maßnahmen zur Rauchableitung spielen, ist umstritten, was angesichts fehlender Bewertungskriterien nicht verwunderlich ist.

Die Anwendung leistungsorientierter Brandschutznachweise wird dadurch erschwert, dass solche Nachweise in der Regel nur bei Abweichungen von materiellen Anforderungen der Bauordnung oder einer aufgrund der Bauordnung erlassenen Sonderbauvorschrift geführt werden und von den Bauaufsichtsbehörden im Einzelfall genehmigt werden müssen. Dabei handelt es sich aber meist nicht um eine "Notlösung" oder einen "faulen Kompromiss", sondern um eine den vorliegenden Randbedingungen individuell angepasste Lösung, die das erforderliche brandschutztechnische Sicherheitsniveau unter Umständen eher gewährleistet als die den materiellen Anforderungen zu Grunde liegende Standardlösung.

Die exemplarischen Anwendungen der Standardauslegung auf der einen Seite und der leistungsorientierten Nachweise auf der anderen Seite auf brandschutztechnische Problembereiche der Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland in Bonn haben gezeigt: Bei einer geplanten Nutzung als Versammlungsstätte mit bis zu 1.200 Personen können die vorhandenen Abweichungen von einzelnen materiellen Anforderungen der Landesbauordnung bzw. der anzuwendenden Versammlungsstättenverordnung nach heutigem Stand der Vorschriften (eigentlich) nicht akzeptiert oder plausibel kompensiert werden. Andererseits ergeben die leistungsorientierten Nachweise mit anerkannten Ingenieurmethoden des Brandschutzes, dass im Hinblick auf das maßgebende Schutzziel der Personenrettung im Brandfall ausreichende Sicherheitsreserven vorhanden sind.

Um im Bedarfsfall solche Nachweise ohne unnötige Erschwernisse im Baugenehmigungsverfahren führen zu können, wäre die rechtliche Gleichbehandlung einer Ausführung entsprechend den materiellen Anforderungen des geltenden Baurechts - als bewährte Standardlösung ohne weiteres Nachweiserfordernis - und einem individuellen, leistungsorientierten Maßnahmenkonzeptes auf Basis nachvollziehbarer ingenieurmäßiger Brandschutznachweise wünschenswert.

Dazu sollten die Brandschutzvorschriften neu strukturiert und flexibler gestaltet werden (vgl. Bild 3). Als Orientierung kann das europäische Regelwerk dienen, das drei Ebenen vorsieht:

  • Bauproduktenrichtlinie mit übergeordneten Grundsätzen und Schutzzielen,

  • Grundlagendokumente mit konkreten Angaben und funktionalen Anforderungen zu den verschiedenen wesentlichen Anforderungen sowie

  • technische Baubestimmungen mit Detailanforderungen und Nachweisen für die verschiedenen Anwendungsfälle.

Ähnliche Strukturen sind in den zum Vergleich herangezogenen europäischen Nachbarländern Dänemark, Schweiz und England bereits realisiert und haben sich bewährt. Nach den dortigen Erfahrungen lässt sich der größte Teil der Gebäude auch weiterhin mit festen materiellen Anforderungen ohne größeren Nachweisaufwand angemessen brandschutztechnisch auslegen. Für die von den Standardgebäuden – einschließlich der Standard-Sonderbauten - abweichenden Gebäude- und Nutzungsarten gibt es jedoch konkrete Vorgaben zu den einzuhaltenden Schutzzielen und funktionalen Anforderungen sowie zu den erforderlichen Nachweisen. Damit können die derzeit im föderalen Deutschland zu beobachtenden unterschiedlichen Behandlungen von Sonderbauten in den Baugenehmigungsverfahren künftig vermieden werden.

Die Auslagerung konkreter materieller Anforderungen aus den Bauordnungen in Durchführungsregelungen, vorzugsweise im Status von Richtlinien, hat den entscheidenden Vorteil, dass auch alternative Lösungen für spezielle Problemfälle angeboten werden und diese zeitnah an aktuelle Weiterentwicklungen des Standes der Technik angepasst werden können. Bild 4 zeigt einen möglichen Aufbau dieser Durchführungsregelung(en). Ein gutes Beispiel für die angestrebte Form Brandschutzvorschriften ist die Muster-Industriebaurichtlinie aus dem Jahr 2000. Sie räumt mit ihren drei alternativen Nachweisverfahren dem Fachplaner größtmögliche Gestaltungsfreiheit nach Kosten-Nutzen-Abwägung bei kontrollierer Zuverlässigkeit ein.

Indem Gebäude normaler Art und Nutzung und verschiedene Sonderbauten in den Durchführungsregelungen nach gleichen Grundsätzen und Vorgehensweisen behandelt werden, wird auch die bisher nur unzureichend vorhandene Transparenz und Vergleichbarkeit der Brandschutzanforderungen nach objektiven Kriterien hergestellt. Dies sollte dann nicht nur für die durch die Eurocodes bereits weitgehend genormten Nachweise zum konstruktiven Brandschutz, sondern auch für die zurzeit noch nicht allgemein anerkannten Nachweise zur Personensicherheit oder die noch fehlenden Nachweise zu den wirksamen Löscharbeiten als wesentliche Bestandteile der Brandsicherheit gelten.

Projektbeteiligte
Eckdaten
Schlagworte zum Projekt : brandschutz, brandschutzvorschriften, studie brandschutz, zukunft bau
Projekt auf der Webseite des BBSR : https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/3Rahmenbedingungen/2008/Brandschutzvorschriften/01_start