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Allgemeine bauliche Infektionsprävention

Einleitung

Die Architektur kann auf allen Betrachtungsskalen sowohl prozessual als auch baukonstruktiv Einfluss auf das Infektionsgeschehen im Gebäude nehmen. Viele Prinzipien der baulichen Infektionsprävention lassen sich dabei typologieübergreifend anwenden. Unabhängig von den gebäudespezifischen Nutzungsprozessen können sie in der Planung allgemein bedacht und diskutiert werden. Die hier aufgeführten allgemeinen Empfehlungen wurden im Rahmen kontinuierlicher Forschungstätigkeit des Instituts für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau (IKE) der TU Braunschweig erarbeitet und im Projekt SAVE zusammengeführt und erweitert. Die bauliche Infektionsprävention betrifft zum einen die Basishygiene, welche im Normalbetrieb wie auch in Ausbruchssituationen Infektionen vorbeugen kann als auch weitreichendere Maßnahmen, die nur in akuten Ausbruchssituationen - seien sie lokal oder auch pandemischem Ausmaßes – angewendet werden können. Die allgemeinen Maßnahmen wurden aufgrund einer intensiven Betrachtung von Kitas, Schulen, Arztpraxen, Altenheimen und Krankenhäusern entwickelt. Manche der hier dargestellten Maßnahmen lassen sich daher nur in einigen bestimmten dieser Gebäude sinnvoll anwenden, da sie nutzungsabhängig sind und müssen bei der Planung hinsichtlich ihrer Relevanz individuell geprüft werden. Diese Einschränkung ist entsprechend vermerkt.

SAVE - Effektive Strategien zur Kontrolle und zum Umgang mit Ausbreitungswegen von Erregern zum Schutz kritischer Infrastrukturen
Projektleitung

Institut für konstruktives Entwerfen,
Industrie- und Gesundheitsbau, TU
Braunschweig
Lukas Adrian Jurk, Designer
Dr.-Ing. Wolfgang Sunder, Architekt

Kontakt Projektkoordinierung

gesundheitsbau-ike@tu-braunschweig.de
+49 531 391-2544

Forschungskonsortium

- Institut für konstruktives Entwerfen,
Industrie- und Gesundheitsbau (IKE),
TU Braunschweig
- Institut für Baustoffe, Massivbau und
Brandschutz (IBMB), TU Braunschweig
- Institut für Hygiene und
Umweltmedizin, Charité
Universitätsmedizin Berlin
- Hermann Rietschel Institut, TU Berlin

Förderzeitraum

09.2020-06.2023

Auslobung/Call

Zukunft Bau

Mittelgeber

Bundesministerium für Wohnen,
Stadtentwicklung und Bauwesen
(BMWSB)

Förderträger

Bundesamt für Bauwesen und
Raumordnung (BBSR)

Förderkennzeichen

SWD-10.08.18.7-20.02

Einordnung

Die hier aufgeführten Informationen können nicht alle Erkenntnisse zum Thema Infektionsprävention behandeln. Ausgenommen sind beispielsweise Erkenntnisse zur Lüftungstechnik und der Wasserversorgung. Der Kenntnisstand entwickelt sich zudem dynamisch weiter und kann auch auf internationaler Ebene zu anderen Empfehlungen geführt haben. Vielmehr sind die hier verfügbar gemachten Informationen als Zwischenstand aufzufassen. Die geplante Wissensplattform zum Thema infektionspräventives Bauen soll dagegen Erkenntnisse weiterer Forschungsdisziplinen zusammenführen.

Herausforderungen

Planende stehen bei der Anwendung von infektionspräventiven Prinzipien vor der Herausforderung, diese mit weiteren Anforderungen zum Brandschutz, der Energiebilanz des Gebäudes, Bedürfnissen der Nutzenden und einer Vielzahl weiterer Gesetze und Verordnungen in Einklang bringen zu müssen. Die hier vorgestellten Maßnahmen sind zusätzlich zu den bekannten Anforderungen, Verordnungen, Richtlinien und rechtlichen Vorgaben zu berücksichtigen und müssen mit den Bauherren diskutiert werden. Sie sind größtenteils weder gesetzlich vorgeschrieben, noch stellen sie eine Verordnung dar. Allein im Krankenhausbau bestehen einige bindende Vorgaben, die sich aber je nach Bundesland unterscheiden können [1]. Manche Einrichtungen wie Krankenhäuser beschäftigen Hygieniker, die bei der Umsetzung und Diskussion der Empfehlungen während der Planung zentrale Ansprechpartner sein können.

Teilweise können bauliche Maßnahmen des Infektionsschutzes zu Mehrkosten in der Erstellung und im Betrieb führen, die deren betriebswirtschaftliche Umsetzung im Dialog mit den Bauherren erschweren. Allerdings sollten bei der Planung immer die Interessen der verschiedenen Stakeholder und thematisch unterschiedlichen Anforderungen einbezogen werden, da Ausfälle im Betrieb einer Einrichtung durch eine Infektion der Nutzenden oder ungeeignete Rahmenbedingungen für einen Weiterbetrieb während einer pandemischen oder auch lokalen Ausbruchssituation zu weitaus größeren Folgekosten führen können.

Auch die Erarbeitung und Gültigkeit der hier vorgestellten Empfehlungen unterliegt einigen Herausforderungen und Einschränkungen. Die einzelnen Maßnahmen zielen auf bestimmte Eigenschaften von Erregern ab, die je nach Pathogen und Übertragungsweg unterschiedlich sinnvoll und wirksam sein können. Eine Maßnahme, die beispielsweise das Risiko einer Infektion mit luftgetragenen Erregern reduzieren kann, tut dies nicht zwangsläufig auch für Schmierinfektionen. Die Infektiosität und weitere Eigenschaften eines Erregers unterliegen darüber hinaus durch dessen ständige Mutation einer dynamischen Entwicklung, die wiederum drastischere oder weniger drastische Maßnahmen erfordert. Gleichermaßen ändert sich der Wissensstand zu Infektionspräventionsmaßnahmen laufend. Zudem wird die Vielzahl der unterschiedlichen Infrastrukturtypen von unterschiedlichen Nutzer- beziehungsweise Risikogruppen in Anspruch genommen. Diese lassen sich in unterschiedliche Dispositionsgruppen einteilen, welche wiederum unterschiedlich anfällig für eine Infektion durch die verschiedenen Erreger sind. Dadurch unterscheidet sich mitunter der Grad, wie viele Schutzmaßnahmen einer bestimmten Personengruppe zuteilwerden und rechtfertigt das variable Ausmaß des Eingriffs in gesellschaftliche Freiheiten, Konventionen und als normal empfundene Prozess. Es sind also je nach Dispositionsgruppe unterschiedlich tiefgreifende Maßnahmen notwendig. Gerade deshalb ist ein Grundwissen der infektionspräventiven Möglichkeiten für eine aufgeklärte Bedarfsplanung für die Planenden essenziell und kann die gebaute Umgebung für die dynamische Situation des aktuellen und zukünftigen Infektionsgeschehens adäquat vorbereiten.

Infektionsgeschehen und Risikofaktoren

Grundlage für eine geeignete bauliche Infektionsprävention ist ein hinreichendes Verständnis, welche Infektionswege es gibt, wann diese relevant sind und wie das individuelle Infektionsrisiko der Nutzenden eines Gebäudes abhängig von der Verfassung ihres Immunsystems und der potenziellen Erreger einzuschätzen ist. Hinsichtlich letzterem kann man zwischen vier Dispositionsgruppen unterscheiden: Kindern, Erwachsenen, Erwachsenen mit Vorerkrankungen und Senioren mit oder ohne Vorerkrankungen. Wie die exakte Abgrenzung zueinander erfolgt, kann sich je nach Erregerprofil unterscheiden. Im Falle der COVID-19-Pandemie hat sich beispielsweise gezeigt, dass zumeist, aber nicht ausschließlich Erwachsene mit Vorerkrankungen und Senioren die beiden Personengruppen darstellen, die am schwersten Erkranken können. Häufig ist jedoch das Infektionsgeschehen bei jüngeren Menschen aufgrund exponierterer Arbeitstätigkeiten und teilweise kontaktfreudigerem Sozialverhalten stärker ausgeprägt als bei immobileren Personen. [2, 3]. Es gilt also einerseits die Möglichkeiten der Verbreitung eines Erregers zu unterbinden und andererseits die Nutzenden eines Gebäudes und dabei insbesondere vulnerable Personengruppen zu schützten. Dabei sollten niemals soziale Bedürfnisse unbeachtet bleiben.

Infektionsformen

Bei den Infektionsformen unterscheidet man hauptsächlich zwei Arten von Infektionen: die endogene Infektion und die exogene Infektion. Eine endogene Infektion erfolgt, wenn ein körpereigener Erreger beispielsweise aus der Darmflora in ansonsten nicht davon kolonisierte Körperregionen wie die Lunge oder den Blutkreislauf gelangt. Diese Form der Infektion lässt sich nur schwer durch bauliche Maßnahmen vorbeugen und ereignet sich zumeist in Krankenhäusern aufgrund invasiver Prozeduren. Eine exogene Infektion erfolgt, wenn der Erreger aus der Umgebung stammt. Dazu zählt die aerogene Infektion mittels unterschiedlich großer Tröpfchen. Diese können durch den Wirt ausgeatmet, mitunter beim Sprechen ausgespuckt oder ausgehustet werden. Anschließend schweben sie in der Luft, tragen Erreger mit sich und können dann von Nicht-Infizierten eingeatmet werden und zu einer Infektion führen. Diese Erreger wirken sich meist respiratorisch aus. Eine weitere häufige Form der exogenen Infektion stellt die Schmier- bzw. Kontaktinfektion dar. Dabei werden Erreger entweder indirekt durch das Berühren von vormals durch Infizierte verunreinigte Oberflächen oder direkt von Mensch zu Mensch beispielsweise bei der Wundversorgung ohne Händedesinfektion übertragen. Auch Vektoren wie etwa blutsaugende Insekten können Infektionen von tierischen oder menschlichen Wirten zu neuen Wirten übertragen. Auch der Verzehr kontaminierter Lebensmittel kann zu einer Infektion führen. Die bauliche Infektionsprävention kann vornehmlich auf das Aufkommen exogener Infektionen Einfluss nehmen.

Risikofaktoren

Gleich mehrere Faktoren bestimmen das Auftreten von Infektionen. Zum einen bedingen klimatische Verhältnisse und zum andern die Art der existierenden Oberflächen, ob sie von Erregern kolonisiert werden können oder ob sie zumindest so lange auf Oberflächen oder in der Luft überleben, bis sie sich in einem neuen Wirt wieder ansiedeln können. In hygienekritischen Bereichen ist daher darauf zu achten, gut desinfizier- und reinigbare Oberflächen zu verbauen. Dies betrifft vorrangig den Gesundheitsbau, der ein besonderes Maß an Hygiene erfordert.

Luftgetragene Erreger können auf den Untergrund herabsinken und durch Verwirbelungen wieder in die Luft getragen werden. Sie können sich zudem bei nicht vorhandener oder zu geringer Durchlüftung in einem Raum akkumulieren.

Je nach Infektionsform bestimmen weitere Faktoren das Infektionsrisiko. Generell steigt das Infektionsrisiko in einem Gebäude, je mehr potenzielle Infektoren – soll heißen infektiöse Personen - anwesend sind.

Auch mit zunehmender Aufenthaltsdauer und Kontaktanzahl ohne großen Abstand der anwesenden Personen zueinander kann das Risiko einer Infektion steigen. Außerdem kann die Frequenz der Zusammenkunft über längere Zeiträume das Infektionsrisiko beeinflussen.

Zudem kann sich die Art der Interaktion auf das Infektionsrisiko auswirken. Singende oder laut sprechende Menschen stoßen mehr Tröpfchen aus, als schweigende, nur ruhig atmende Menschen. Dieser Faktor ist vor allem bei luftgetragenen Infektionen zu beachten. Bei Interaktionen mit viel Berührungen und Nähe kann das Risiko sowohl für Schmierinfektionen als auch für eine Infektion mit luftgetragenen Erregern steigen.

Die Architektur hat durch die Definition der Raumgröße einen unmittelbaren Einfluss auf das Infektionsrisiko durch aerogene Erreger. Je größer die Fläche ist, auf die sich eine Personengruppe verteilen kann und auf je mehr Luftvolumen sich Erreger verteilen können, desto geringer kann das Infektionsrisiko sein.

Gleichermaßen kann das Volumen des Luftaustauschs durch Belüftung eines Raumes die Konzentration der Erreger und folglich das Risiko senken. Allerdings ist dabei die Position der einzelnen Personen und der Infektoren sowie der Zu- und Abluftstellen im Raum zueinander ausschlaggebend. So kann eine rein punktuelle Belüftung das Risiko nicht in allen Bereichen eines Raumes gleichermaßen senken. Eine möglichst einheitliche Belüftung sollte daher angestrebt werden. Als Surrogat für die Wahrscheinlichkeit einer Infektion kann für Innenräume die CO₂ Konzentration in der Luft herangezogen werden [4]. Im Normalbetrieb empfiehlt die Federation of European Heating, Ventilation and Air Conditioning Association (REHVA) laut aktueller Leitlinie eine Konzentration von 1000 ppm (Parts per Million) CO₂ und in pandemischen Situationen eine Konzentration von 800 ppm CO₂ empfohlen werden, um das Risiko weiter zu verringern. Die CO₂-Dosis - also die Menge des eingeatmeten CO2s während einer Stunde Aufenthalt - stellt ein noch genaueres Mittel, dar [5]. Eine mechanische Belüftung stellt eine kontinuierliche CO₂-Konzentration sicher, solange die Anlage in Betrieb ist. Die Effektivität einer natürlichen Belüftung schwankt hingegen je nach klimatischen Umweltbedingungen und der Stringenz der Umsetzung eines Lüftungsregimes. Darüber hinaus kann eine natürliche Belüftung auch zu unterschiedlicher Luftfeuchtigkeit führen. Idealerweise sollte die Luftfeuchtigkeit zwischen 40 % und 60 % liegen, um ein ausgeglichenes Raummikrobiom – der Zusammensetzung der sich im Raum befindlichen Mikroorganismen – sicherzustellen. In diesem Bereich wird die Schimmelbildung, aber auch die Bildung der für Menschen schädlichen Mikroorganismen vorgebeugt. Daher muss beim Einsatz einer rein mechanischen Belüftung auf eine automatische, keimfreie Luftbefeuchtung geachtet werden.

Für das Risiko einer Schmierinfektion ist die Anzahl der gemeinsam genutzten Objekte, und die Frequenz der Berührung ebendieser entscheidend. Außerdem ist eine korrekte Händehygiene je nach Tätigkeitsform unabdingbar. Dies gilt insbesondere im Krankenhaus bei der Behandlung von Patienten.

Es stellt sich also die Frage, wie die gebaute Umgebung unserer Gebäude gestaltet sein sollte, damit das Infektionsrisiko der Nutzenden gesenkt werden kann. Im Folgenden werden allgemeine Empfehlungen auf der Ebene des Grundrisses und der baulichen Details darstellen.

Bauliche Infektionsprävention auf der Skala des Gesamtgebäudes

Bildquelle: IKE – TU Braunschweig

Dezentrale und nutzerspezifische Erschließung

Je mehr Zugänge es zu sowie Treppenhäuser und Aufzüge in einem Gebäude und auch zwischen einzelnen Räumen, Flächen und Etagen gibt, desto einfacher können sich getrennte, kohortenspezifische Personenströme umsetzen lassen. Dies ist relevant, falls sich Kohorten oder exponierte und weniger exponierte Personengruppen nicht treffen sollen. Lehrkräfte sind beispielsweise während der COVID-19-Pandemie häufiger Überträger von Infektionen gewesen als es Schüler sind [6,7]. Eine Ursache dafür könnte deren häufigerer Kontakt zu unterschiedlichen Kohorten sein. Auch können durch getrennte Erschließungswege Stausituationen vermieden werden, in denen Personen in pandemischen Situationen keinen geeigneten Abstand zueinander wahren können. Auch Wege durch andernfalls gemeinsam genutzte Flure können so abgekürzt oder vermieden werden. Eine Kammstruktur mit traktspezifischen Eingängen und Treppenhäusern kann sich beispielsweise besser zur Umsetzung einer dezentralen Erschließung als Kompaktbauten eignen, erfordert jedoch mehr Grund- und Fassadenfläche. Eine Arztpraxis kann derart geplant werden, dass es für Ärzte und medizinisches Personal einen gesonderten Zugang zu Behandlungs- und Untersuchungszimmer gibt, der mehrere Behandlungszimmer auch direkt miteinander verbinden kann. So lässt sich unnötiger Kontakt zu Patienten vermeiden. Auch Klassen- und Gruppenräume können sowohl mit einem Zugang sowohl zum Flur als auch zum Schulhof gestaltet werden. Diese Maßnahme ist nicht auf Infrastrukturen anwendbar, bei denen ein kontrollierbarer Zugang erfolgen muss und kein Betrieb separater Kontrollstellen gewährleistet werden kann. Mehr Zugänge erfordern auch einen Mehraufwand für den Schließdienst. In Altenheimen muss insbesondere der Zu- und Abgang dementer Bewohnender überwacht werden können.

Bildquelle: IKE – TU Braunschweig

Temporäre Abtrennbarkeit

Je mehr autarke Organisationseinheiten gebildet werden können, desto einfacher lassen sich in pandemischen Situationen Kohorten bilden. Dies betrifft insbesondere Infrastrukturen wie Kitas, Schulen und Altenheime und gilt sowohl für die Bildung von Funktionseinheiten auf der Ebene des Gesamtgebäudes, als auch für die Abtrennung einzelner Räume und Belüftungseinheiten. Dafür sind eine dezentrale Erschließung und eine getrennte, beispielsweise sanitäre Versorgung der jeweiligen Einheiten erforderlich. So sollten jedem Bereich einer Klasse beziehungsweise Kohorte in der Schule ein Zugang, Spielflächen im Außenbereich, eine Sanitäranlage, ein Klassenraum und je nach pädagogischem Konzept ein weiterer Flex- oder Gruppenlernraum zugeordnet sein. Räume wie etwa eine Schulcafeteria oder Sporthalle, die gemeinsam genutzt werden, müssen im Wechselbetrieb und je nach vorherrschendem Erregerprofil mit ausreichender Durchlüftung und Aufbereitung zwischen den Gruppenwechseln benutzbar sein. Eine weitere Möglichkeit stellt die temporäre, räumliche Abtrennung des gesamten Luft- und Raumvolumens in kohortenspezifische Einzelvolumen für eine zeitgleiche Nutzung dar. Alle Funktionseinheiten sollten jedoch getrennt belüftet werden, sodass Erreger nicht durch ein gemeinsames Lüftungssystem von einer Kohorte in eine weitere Kohorte gelangen können.

Bildquelle: IKE – TU Braunschweig

Im Außenbereich liegende Erschließung

Das Risiko sich in gemeinsam genutzten Bewegungsflächen im Innenraum durch aerosolübergreifende Erreger anzustecken kann erhöht sein. Dagegen kann eine Erschließung im Außenbereich durch die dort vorhandene natürliche Belüftung und weitere Umweltfaktoren das Risiko senken. Zur Realisierung dieser Maßnahme eignen sich besonders gut Pavillonstrukturen, Laubengänge, Terrassen und überdachte Innenhöfe. Diese Maßnahme kann jedoch zu einem vermehrten Eintrag von Dreck in Innenräume führen. Eine Prüfung der Umsetzbarkeit in der jeweiligen Gebäudetypologie muss daher individuell geklärt werden. Beispielsweise eignet sich die Maßnahme gut, wenn bereits als infektiös identifizierte Personen zu gesonderten Warte- und Behandlungsräumen geleitet werden sollen, ohne dass diese die Innenraumluft kontaminieren können.

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Querlüftung gewährleisten

Eine hohe Luftaustauschrate kann das Infektionsrisiko verringern. Dabei ist auf eine gleichmäßige Belüftung, die alle Personen und möglichen Infektoren im Raum erreicht, zu achten. Eine mechanische Belüftung kann eine gleichbleibend hohe CO₂ Konzentration bei angenehmer Klimatisierung sicherstellen und je nach Höhe der Luftaustauschrate das Ansteckungsrisiko verringern. Falls eine mechanische Belüftung weder im Bau noch im Betrieb finanzierbar ist, sollte eine natürliche Querlüftung ermöglicht werden. Jedoch muss dann auch ein internes Lüftungsregime während der Raumnutzung sichergestellt werden, sodass die mögliche Anzahl von Erregern gering gehalten werden kann. CO₂-Uhren können dabei als sinnvolles Instrument zur Aufforderung zu Lüften dienen. Die CO₂-Uhr sollte dabei in der Nähe der Emissionsquellen – beispielsweise Schülern – aufgestellt werden. Systeme, die Fenster automatisch öffnen, können auch eine Möglichkeit darstellen, eine annähernd geeignete, natürliche Belüftung sicherzustellen. Mechanische Lüftungssysteme sollten derart gebaut werden, dass Erreger aus einer Funktionszone beziehungsweise dem Bereich einer Kohorte nicht in einen anderen Bereich gelangen und so Infektionsübertragungen vermieden werden können.

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Großzügige Bewegungsflächen

In gemeinsam genutzten Fluren kann das Ansteckungsrisiko durch die potenziell höhere Anzahl an infizierten Anwesenden erhöht sein. In großzügig dimensionierten Bewegungsflächen können Personen besser Abstand zueinander halten und eine Staubildung, in der Personen keinen ausreichenden Abstand während eines Infektionsausbruches halten können, lässt sich folglich vermeiden. Allerdings sind größere Raumvolumen auch aufwändiger zu belüften und zu klimatisieren. Im Bau und bei der Reinigung entstehen zudem Mehrkosten. Diese Maßnahme ist nur in Bereichen mit hohem Verkehrsaufkommen sinnvoll.

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Gute Übersichtlichkeit

Da gemeinsam genutzte Flure häufig eine hohe Erregerdichte haben können, sollte ein Gebäude übersichtlich gestaltet werden. Die Nutzenden können dann frühzeitig andere Personen(-gruppen) und den direktesten Weg zu ihrem Ziel erkennen und anderen Personen ausweichen sowie unnötig lange Routen vermeiden. Dies lässt sich beispielsweise durch ein Atrium, eine zentrale Magistrale, Glaswände und eine einfach zu lesende Gebäudestruktur erreichen.

Bildquelle: IKE – TU Braunschweig

Dezentrale Sanitäranlagen

Sanitäranlagen sollten nach Nutzergruppen und je nach Einrichtungsform auch nach potenziellen Kohorten getrennt werden, sodass das Risiko einer Übertragung von Infektionen zwischen den Gruppen verringert wird. Falls die Nutzenden einer Infrastruktur in einer pandemischen oder lokalen Ausbruchs-Situation in Kohorten oder Patientengruppen unterteilt werden, benötigt jede Kohorte einen Zugang zu einer eigenen Sanitäranlage. Dadurch kann das Risiko für Kontaktinfektionen, aber auch aerogene Übertragungen verringert werden. Auch werden die Wege über gemeinsam genutzte Flure verkürzt. Diese Maßnahme gilt insbesondere für Infrastrukturen mit viel Personenverkehr. Jedoch bedeuten dezentrale WCs und Nasszellen auch zusätzliche Wasserleitungen und Zapfstellen und können bei Nichtbenutzung eine Verkeimungsgefahr darstellen. Die Notwendigkeit von Duschen und deren dauerhafte und kontinuierliche Nutzung sollte daher individuell bei der Planung geprüft werden. Eine Trennung von Personal- und Patienten/Bewohner-WCs in Arztpraxen oder in Altenheimen ist aus arbeitsschutzrechtlichen Gründen unabdingbar. Deren Anzahl und Größe sind nach der Arbeitsstättenverordnung bemessen und zu planen.

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Dezentrale Lagerflächen

Durch die Nutzung eines einzigen zentralen Lagers können Schmierinfektionen großflächig innerhalb eins Gebäudes verteilt werden. Dies kann durch die Nutzung dezentraler Lager, auf die jeweils nicht alle Mitarbeitenden Zugriff haben, vermieden werden. Die Anlieferung und Versorgung durch externe Logistiker sollte in Arztpraxen jedoch an ein zentrales Lager erfolgen, da eine direkte Bestückung von Untersuchungs- und Behandlungszimmern die gleichzeitige Nutzung verhindert. Zudem wird so externer Logistikverkehr auf den gemeinsam genutzten Fluren vermieden und das Risiko des Ein- oder Austragens eines Erregers verringert. Außerdem müssten die Zuliefernden andernfalls Zugang zu allen entsprechenden Räumen und Schränken erhalten. Auch muss der gesamte Lagerbestand im Raum bei einer Kontamination durch einen infektiösen Patienten in medizinischen Einrichtungen verworfen werden. Dezentrale Lager vermeiden wiederum, dass beispielsweise Lehrkräfte und andere nutzende lange Laufwege zu einem zentralen Lager auf gemeinsam genutzten Fluren ablaufen müssen. In diesen können Sie sich durch kontaminierte Luft anstecken. Es gilt also bei der Planung, die individuellen Vor- und Nachteile bezüglich der infrastrukturspezifischen Verordnungen und Arbeitsprozessen im Verhältnis zu den möglichen Lagerflächen herauszuarbeiten.

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Großzügige, dezentrale Treppenhäuser

Je mehr Treppenhäuser es gibt, desto eher können einzelne Kohorten, Personal und Patientengruppen ihr Ziel innerhalb eines Gebäudes erreichen, ohne auf andere Gruppen zu stoßen oder lange Wege gehen zu müssen. Dadurch kann die Anzahl der gemeinsam genutzten Lufträume und folglich das Infektionsrisiko gesenkt werden.

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Kurze Wege

Zwischen hochfrequenten Räumen und Bereichen sollten kurze Wege bestehen, sodass Personen möglichst wenig Zeit in gemeinsam genutzten Bewegungsflächen verbringen. In der Pflege oder bei der medizinischen Versorgung erleichtern kurze Arbeitswege die Arbeit des Personals, sodass sie mehr Zeit zur Einhaltung von Maßnahmen wie der Händehygiene haben. Die Definition der hochfrequenten Räume ist je nach Infrastrukturtyp unterschiedlich und muss bei der Planung analysiert werden. Klassenräume, Sanitäranlagen, Cafeteria, Empfangsbereich, Warteräume und Behandlungsräume können dazuzählen.

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Überdachter Außenbereich

Falls überdachte Außenbereiche vorhanden sind, können diese bei guter natürlicher Durchlüftung und gleichzeitiger geeigneter Witterung als temporäre Außenräume genutzt werden. Diese Außenbereiche müssen regen- und sonnengeschützt sein und können die Personendichte in Innenräumen wie beispielsweise in Klassenräumen entzerren, sodass dort das Infektionsrisiko sinkt. Auch können diese Bereiche zur Unterbringung spezifischer Patientengruppen in Arztpraxen genutzt werden. Außenflächen können auch temporär während einer Ausbruchssituation überdacht werden.

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Großzügige An- und Abfahrtsbereiche mit Fahrradstellplätzen

Neben dem Infektionsgeschehen innerhalb einer Infrastruktur ist auch das Infektionsgeschehen während der An- und Abfahrt relevant. Durch großzügige An- und Abfahrtsbereiche lässt sich sicherstellen, dass in pandemischen oder lokal kritischen Infektionsausbruchssituationen Test- und Screeningstationen eingerichtet werden können, um Personen(-gruppen) abweisen oder zielgerichteter durch das restliche Gebäude leiten zu können. Zudem können temporäre Zelt- oder Containerräume aufgebaut werden, falls die Innenraumsituation entzerrt werden muss.

Während einer infektionskritischen Situation, egal ob lokal beschränkt, Epidemie oder Pandemie stellt die An- und Abreise mit dem Fahrrad die sicherste Methode dar, da sich die einzelne Person an der frischen Luft und nicht wie etwa in einem Bus in einem geschlossenen und mit weiteren Personen geteilten Raum befindet. Zudem kann das Immunsystem durch die körperliche Tätigkeit gestärkt werden. Um die Wahl dieses Verkehrsmittels zu fördern, sollten großzügige Fahrradstellplätze eingeplant werden. Auch die Nutzung des automobilen Individualverkehrs kann das Infektionsrisiko gegenüber gemeinschaftlich genutzten Verkehrsmitteln senken.

Bauliche Details, Material und das Raummikrobiom

Neben strukturellen, können auch materielle Maßnahmen und bauliche Details das Infektionsrisiko senken. Generell sollte die Reinigung des Bodens und kritischer Bereiche, die häufig von verschiedenen Personen berührt werden oder Potenzial für eine starke Erregerbesiedlung bieten, durch die Innenraumgestaltung erleichtert werden. Dies umfasst unter anderem Oberflächen, Stoffe, Ver- und Entsorgungsprozesse, muss aber bei jeder Planung vorab infrastrukturspezifisch geprüft werden. Eine vorrausschauende Planung kann Reinigungsprozessen dadurch erleichtern, dass Verunreinigungen in infektionskritischen Bereichen durch den Einsatz wenig texturierter oder monochromer Oberflächen leicht zu erkennen sind und Flächen möglichst bündig für eine erleichterte Wischdesinfektion oder -reinigung zueinander abschließen. Radiale Flächenüberblendung bzw. runde Kanten lassen sich ebenfalls einfacher als auf Stoß verfugte Flächen reinigen. Griffe an Schränken oder festinstallierte Gegenstände, die den Boden berühren - etwa die Beine einer Bank - können Reinigungsvorgänge von Flächen oder des Bodens behindern. Allerdings sollten nicht alle Flächen ständig desinfiziert werden. Wichtiger ist in den meisten Fällen, dass ein ausgewogenes Raummikrobiom gefördert wird. Dies kann zusätzlich durch geeignete, probiotische Reinigungsmittel unterstützt werden, wie sich in Untersuchungen des Mikrobioms an Türgriffen, Boden und Waschbecken in Patientenzimmern gezeigt hat [8]. In infektionskritischen Bereichen sollten sich Oberflächen gut abwischen lassen und bei der Alterung wenig porös werden. Dort sollte es in der Konstruktion auch wenige Materialwechsel geben, dadurch kann eine allzu große Kolonisierung von Flächen mit schädlichen Mikroorganismen vorgebeugt werden.

Quellenverzeichnis

[1] Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung BBSR (Hrsg.), 2018: Bauliche Hygiene im Klinikbau. Planungsempfehlungen für die bauliche Infektionsprävention in den Bereichen der Operation, Notfall- und Intensivmedizin, in: Zukunft Bauen. Forschung für die Praxis, Bd. 13. 2. Auflage

[2] Yek C, Warner S, Wiltz JL, et al., 2022: Risk Factors for Severe COVID-19 Outcomes Among Persons Aged ≥18 Years Who Completed a Primary COVID-19 Vaccination Series — 465 Health Care Facilities, United States, December 2020–October 2021. Morbidity and Mortality Weekly Report 2022;71:19–25. doi: http://dx.doi.org/10.15585/mmwr.mm7101a4 external icon.

[3] Lockerd Maragakis,L., M.D., M.P.H., 02.12.2020: Coronavirus and COVID-19: Younger Adults Are at Risk, Too. Zugriff: www.hopkinsmedicine.org/health/conditions-and-diseases/coronavirus/coronavirus-and-covid-19-younger-adults-are-at-risk-too, Health Home, Conditions and Diseases, What Is Coronavirus?

[4] Kriegel, M.; Hartmann, A., 2020: Risk assessment of aerosols loaded with virus based on CO2-concentration. DOI: http://dx.doi.org/10.14279/depositonce-10362.3

[5] Kriegel, M.; Hartmann, A.; Buchholz, U.; Seifried, J.; Baumgarte, S.; Gastmeier, P., 2022: SARS-CoV-2 Aerosol Transmission Indoors: A Closer Look at Viral Load, Infectivity, the Effectiveness of Preventive Measures and a Simple Approach for Practical Recommendations. Int. J. Environ. Res. Public Health 2022, 19, 220. https://doi.org/10.3390/ ijerph19010220

[6] Ismail, S. A., Saliba, V., Bernal, J. L., Ramsey, M., 2021: SARS-CoV-2 infection and transmission in educational settings: a prospective, cross-sectional analysis of infection clusters and outbreaks in England. Lancet Infectious Diseases March 2021. doi:10.1016/S1473-3099(20)30882-3

[7] Aiano, F., Mensah, A. A., McOwat, K., Obi, C., 2021: COVID-19 outbreaks following full reopening of primary and secondary schools in England: Cross-sectional national surveillance, November 2020. The Lancet regional health. Europe, 6, 100120. doi: 10.1016/j.lanepe.2021.100120

[8] Klassert, T. E., Zubiria-Barrera, C., Neubert, R., Stock, M., Schneegans, A. , López, M., Driesch, D., Zakonsky, G., Gastmeier, P. , Slevogt, H., Leistner, R., 2022: Comparative analysis of surface sanitization protocols on the bacterial community structures in the hospital environment. Clinical Microbiology and Infection. doi: 10.1016/j.cmi.2022.02.032

Bild und Grafiknachweis
Wenn nicht anders angegeben: Institut für Konstruktives Entwerfen, Industrie- und Gesundheitsbau (IKE) – TU Braunschweig