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Multiplikator- und Beschäftigungseffekte von Bauinvestitionen

Projektbeschreibung

Projektbeteiligte

Eckdaten

Multiplikator- und Beschäftigungseffekte von Bauinvestitionen


Projektnummer
Projektbeginn
12.2009
Projektende
09.2010
Projektstatus
abgeschlossen mit Bericht

Das Forschungsprojekt sollte modellgestützt die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen von Bauinvestitionen quantifizieren. Berücksichtigt wurden die Multiplikator- und Beschäftigungseffekte, die eine zusätzliche Nachfrage in der Bauwirtschaft mit sich bringt. Neben den Vorleistungseffekten aufgrund der Verflechtungsbeziehungen der Baubranche zu vor- und nachgelagerten Branchen wurden hierbei auch die Einkommenseffekte betrachtet, die eine Veränderung des Bauvolumens induziert.Projektlaufzeit: Dezember 2009 - Oktober 2010

Ausgangslage

Die Bauwirtschaft erhält bedeutende Impulse in Form von staatlichen Fördermitteln. Solche Mittel haben, im Rahmen der Konjunkturpakete der Bundesregierung zur Überwindung der Finanz- und Wirtschaftskrise, erheblich an Bedeutung gewonnen. Für den Baubereich gilt aber, dass die getätigten Ausgaben in eine Gesamtstrategie einer soliden, langfristig tragfähigen Politik der öffentlichen Haushalte eingebettet sein müssen. Deshalb steht auch der Politikbereich Bau vor der Aufgabe, die anhaltenden Konflikte zwischen wachsenden Aufgaben bzw. Erwartungen einerseits und deutlich begrenzten Finanzierungsmöglichkeiten andererseits immer wieder neu auszuloten. Die Ergebnisse des durchgeführten Forschungsprojektes sollten hierfür belastbare aktuelle empirische Grundlagen liefern.

Ziel

Im Forschungsprojekt wurde untersucht, welche gesamtwirtschaftlichen Effekte sich aufgrund einer höheren Nachfrage in der Bauwirtschaft ergeben. Dabei wurden die Effekte von einem einmaligen zusätzlichen Impuls in Höhe von 1 Mrd. € ebenso wie die potenziellen Effekte einer dauerhaft jährlich um diesen Betrag höheren Nachfrage analysiert. In beiden Fällen wurden angemessene Wirkungszeiträume angesetzt. Geschätzt werden sollten die sich aus dem temporären (oder dauerhaften) Impuls ergebenden gesamtwirtschaftlichen Nachfragewirkungen und die daraus resultierende Beschäftigung sowie die sich wiederum daraus ergebenden Einkommens- und Konsumeffekte (Multiplikatoreffekte).

Ferner wurden weitere Effekte und Folgewirkungen quantifiziert, die sich aus einer durch den Impuls (bzw. die Impulse) bewirkten Ausweitung von Investitionen ergeben (Akzeleratoreffekte). Dabei wurden die Schätzungen der Einkommens- und Beschäftigungsmultiplikatoren differenziert für den Wohnungsbau (Ein- und Zweifamilienhausbau, Mehrfamilienhausbau), den gewerblichen Hochbau und den öffentlichen Hoch- sowie Tiefbau. Bei der Bewertung von Impulsen für die unterschiedlichen Baubereiche und von alternativen Verwendungsmöglichkeiten standen die erzielbaren Beschäftigungseffekte und die Folgen für die öffentlichen Haushalte sowie für die Sozialen Sicherungssysteme im Mittelpunkt.

Auftragnehmer des Forschungsprojektes war das Rheinisch-Westfälische Institut für Wirtschaftsforschung e.V. (RWI), Essen.

Konzept

Einleitung

Die Größenordnung der volkswirtschaftlichen Effekte, die von einer Baunachfrage induziert werden, wurde im Rahmen einer makroökonomischen Wirkungsanalyse geschätzt. Dabei wurden nicht nur die gesamtwirtschaftlichen Folgen auf Wertschöpfung, Beschäftigung, Einkommen und Konsum ermittelt, sondern auch die Opportunitätskosten von solchen Investitionen. Diese potenziellen Kosten lassen sich folgendermaßen unterscheiden:

  • Finanzierung zusätzlicher Bauinvestitionen:
    Exemplarisch wurden drei Finanzierungsalternativen analysiert:

    1. Umschichtungen im bestehenden Budget, die Einsparungen an anderer Stelle erfordern,

    2. Finanzierung durch Steuererhöhungen und der damit einhergehenden Verknappung privater Finanzmittel und

    3. Finanzierung durch höhere Kreditaufnahme des Staates. Die Saldierung dieser Opportunitätskosten mit dem Bruttoeffekt der gesamtwirtschaftlichen Wirkungen liefert den Nettoeffekt zusätzlicher Bauinvestitionen.

  • Alternative Verwendungsmöglichkeiten:
    Den Erträgen einer staatlich finanzierten Investition in einem Bereich - wie hier der Baubranche - müssen die Erträge gegenübergestellt werden, die der Staat durch eine andere Verwendung der Mittel hätte erzielen können.

Quantifizierung der gesamtwirtschaftlichen (Netto-) Effekte von Bauinvestitionen

Den Schätzungen der volkswirtschaftlichen Gesamteffekte liegt ein statisches Input-Output-Modell zu Grunde, das die Vorleistungsverflechtungen und Interdependenzen der Volkswirtschaft abbildet. Nachfrageveränderungen werden dabei nicht nur in unmittelbar betroffenen Sektoren berücksichtigt, sondern auch bei einer Vielzahl vorgelagerter Bereiche. Die Unternehmen dieser Branchen steigern als Folge des exogenen Impulses ihren Umsatz und die Beschäftigung (Vorleistungseffekt). Bei den Wirkungen einer zusätzlichen Nachfrage wird unterschieden zwischen dem direkten Effekt in der Branche, in der der Nachfrageimpuls auftritt - hier in der Bauwirtschaft - und den indirekten Effekten, die sich aus der Vorleistungsverflechtung mit der übrigen Volkswirtschaft ergeben.

Die Datenbasis der Input-Output-Analyse bilden spezifische Daten des Statistischen Bundesamtes, die in 72 Produktionsbereiche bzw. Gütergruppen gegliedert wurden. Die Bauwirtschaft wird in fünf Bauarten unterteilt:

  1. Ein- und Zweifamilienhausbau

  2. Zweifamilienhausbau

  3. Gewerblicher Hochbau

  4. Öffentlicher Hochbau

  5. Tiefbau (gewerblicher und öffentlicher)

Ein Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Produktion führt zu einem Anstieg der Beschäftigung und dieser wiederum zu einem höheren gesamten Erwerbseinkommen. Nach Abzug von Steuern und Sozialabgaben und nach Berücksichtigung eines Sparanteils verbleibt ein Teil des zusätzlichen Nettoeinkommens für Konsumausgaben. Zusätzlich zur Input-Output-Analyse wurde im Forschungsprojekt ein mikroökonomisch fundierter Ansatz verfolgt, um die Höhe der marginalen Konsumquote empirisch zu bestimmen. Mit Hilfe der Struktur des Privaten Verbrauchs konnte aus den zusätzlichen Konsumausgaben ein Nachfrage-Vektor abgeleitet werden, mit dem die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen dieser Konsumnachfrage bestimmt wurden. Analog zur Nachfrage im Baugewerbe löst diese Konsumnachfrage Vorleistungseffekte aus. So ergeben sich, neben den Effekten durch die Nachfrage im Baugewerbe, in der Gesamtwirtschaft weitere Produktions-, Wertschöpfungs- und Beschäftigungseffekte (Einkommenskreislauf).

Zusätzlich zu den Auswirkungen auf das gesamtwirtschaftliche Einkommensniveau und den Konsum wurden die Auswirkungen des Nachfrageimpulses auf die Produktionskapazitäten analysiert. Erst bei einer Ausweitung der Kapazitäten ergibt sich ein Wachstumseffekt. Die durch die Bauwirtschaft und ihre Vorleistungsbereiche induzierte zusätzliche Nachfrage nach Investitionsgütern wird auch als Akzeleratoreffekt bezeichnet.


Das RWI-Konjunkturmodell ist ein Strukturmodell mittlerer Größenordnung. Die Wirkungszusammenhänge zwischen den Variablen werden aus der ökonomischen Theorie und aus empirischen Analysen abgeleitet. In der Regel wird eine Variable des Modells durch zwei oder drei andere Variablen in einer Regressionsgleichung erklärt, wobei auch der zeitliche Ablauf (Dynamik) berücksichtigt wird. Die Kreislaufzusammenhänge (Nachfrageseite) der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung werden im RWI-Konjunkturmodell für die reale Verwendung, die Preise und die Einkommensverteilung des Bruttoinlandsproduktes sowie den Arbeitsmarkt und die Staatsaktivität in verschiedenen Gleichungen dargestellt. Die Angebotsseite der Volkswirtschaft wird durch eine Produktionsfunktion abgebildet, die das Produktionspotenzial durch die Einsatzfaktoren Arbeit, Kapital und technischer Fortschritt bestimmt. Weil das RWI-Konjunkturmodell die deutsche Wirtschaft sehr differenziert abbildet, ist es möglich, die Effekte einer Erhöhung der Bauinvestitionen - aber auch Effekte alternativer Verwendungen von öffentlichen Mitteln - auf Beschäftigung, Preise und Staatsfinanzen durch Simulationen zu analysieren.

Mit dem Anstieg der gesamtwirtschaftlichen Produktion sind eine Verbesserung der Beschäftigungssituation und ein Anstieg des Erwerbseinkommens verbunden. Diese positiven Effekte wirken sich aber nicht gleichmäßig auf den Konsum der Erwerbspersonen aus, da Unterschiede zwischen den bereits zuvor erwerbstätigen und den zuvor erwerbslosen Personen bestehen. Einerseits weisen beide Gruppen eine unterschiedliche Konsumstruktur auf, andererseits ist die Wiedereingliederung eines zuvor Erwerbslosen in den Arbeitsmarkt zusätzlich mit einer finanziellen Entlastung der Sozialsysteme verbunden. Derartige Unterschiede wurden in einem mikroökonomischen Ansatz, auf der Basis von Individualdaten der privaten Haushalte zu Einkommenssituation, sozialer Stellung, Konsum und Erwerbsbiographie, berücksichtigt. Im Ergebnis wurde geschätzt, wie sich die zusätzlich generierte private Nachfrage auf unterschiedliche Konsumgüterbranchen verteilt. Die so ermittelten Informationen flossen in die Schätzungen der Konsumeffekte im makroökonomischen Input-Output-Modell (und ggf. auch in das RWI-Konjunkturmodell) ein.

Datenbasis für die Analyse der Wirkung eines Anstiegs der volkswirtschaftlichen Bruttowertschöpfung auf den Arbeitsmarkt war die Beschäftigtenstichprobe des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Für eine Analyse von Konsumstrukturen wurden die Daten der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) des Statistischen Bundesamtes ausgewertet.

Ergebnisse

Die gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen von Bauinvestitionen einschließlich aller Kreislaufeffekte lassen sich in Form von Multiplikatoren für die Produktionswirkung und die Beschäftigungseffekte beschreiben. Für die Produktionswirkungen wurden Multiplikatoren zwischen rund 2,4 (Wohnbauten und öffentliche Hochbauten) und etwa 2,6 (gewerbliche Hochbauten sowie Tiefbauten) ermittelt. Verallgemeinert auf eine Einheit einer Bauleistung, die in einer der fünf Bauarten erstellt wird, bedeutet dies, dass die Produktion in der Gesamtwirtschaft - einschließlich der zusätzlich induzierten Kreislaufeffekte - um weitere 1,4 bis 1,6 Einheiten steigt.

Für den Wohnungsbau und den öffentlichen Hochbau wurden Beschäftigungs-Multiplikatoren von knapp unter 2 ermittelt, für den Tiefbau beträgt er knapp 2,4 und für den gewerblichen Hochbau fast 2,5. Für 100 Erwerbstätige, die durch Bauinvestitionen im Wohnbau oder im öffentlichen Hochbau beschäftigt sind, sind demnach in der Gesamtwirtschaft weitere knapp 100 Erwerbstätige für die Produktion der benötigten Vorleistungsgüter und die im Zuge der Kreislaufeffekte induzierte Produktion erforderlich. Auf 100 Erwerbstätige durch Investitionen im Tiefbau kommen fast 140 weitere Erwerbstätige in der Gesamtwirtschaft, auf 100 Erwerbstätige im gewerblichen Hochbau fast 150 weitere Erwerbstätige.

Die Unterschiede bei den Multiplikatoren sind primär durch die Unterschiede in der Vorleistungsverflechtung der einzelnen Bauarten sowie die sektoralen Arbeitsproduktivitäten begründet. Die Effekte der induzierte Konsumgüter- bzw. Investitionsgüternachfrage, die sich in den einzelnen Bauarten lediglich im Niveau, nicht aber in ihrer Struktur unterscheiden, verstärken die Unterschiede aus den Berechnungen ohne Kreislaufwirkungen lediglich.

Die fiskalischen Effekte der zusätzlichen Baunachfrage von 1 Mrd. € auf die öffentlichen Haushalte wurden mittels zusätzlicher Annahmen aus den Ergebnissen der Input-Output-Analyse abgeleitet. Dazu wurden drei Wege beschritten: Erstens wurden die ermittelten Beschäftigungseffekte mit den Berechnungen des IAB zu den fiskalischen (Opportunitäts-)Kosten der Arbeitslosigkeit verknüpft. Diese umfassen sowohl Mindereinnahmen wie Mehrausgaben der öffentlichen Haushalte, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Arbeitslosigkeit stehen (Opportunitätskosten). Selbstständige werden nur zum Teil berücksichtigt, weil für viele Existenzgründer nicht mit Steuermehreinnahmen und steigenden Sozialbeiträgen zu rechnen ist. Zweitens werden die Mehreinnahmen der Gebietskörperschaften und der Sozialversicherungen mit Hilfe von Elastizitäten berechnet (Elastizitätenansatz). Drittens werden schließlich beide Ansätze kombiniert, um ein möglichst vollständiges Bild der zu erwartenden fiskalischen Effekte zu erhalten.

Die Gesamteffekte der staatlichen Bauinvestitionen in Höhe von 1 Mrd. € als Resultat der Gegenüberstellung von Mehreinnahmen (durch Steuern und Beiträge in die Sozialversicherungen) und Minderausgaben (der Sozialversicherungen und sonstiger Versicherungsleistungen) variieren im Opportunitätskostenansatz zwischen den einzelnen Bauarten sowie öffentlichen und privaten Investitionen kaum, im Durchschnitt aller Bauarten wird ein positiver fiskalischer Effekt von 344 Mio. € ermittelt.

Der Elastizitätsansatz kann zumindest die Einnahmewirkungen, soweit sie Steuern und Sozialabgaben betreffen, vollständig quantifizieren. Die Steuermehreinnahmen belaufen sich bei einer unterstellten langfristigen Aufkommenselastizität des Steuersystems von Eins je nach Bauart auf 293 bis 304 Mio. €. Alternativ wird eine Aufkommenselastizität von 0,872 angesetzt, die auf Basis der Simulationsergebnisse des RWI-Konjunkturmodells geschätzt wurde. Danach ist mit Steuermehreinnahmen von 256 bis 265 Mio. € zu rechnen. Das zusätzliche Beitragsaufkommen der Sozialversicherungen lässt sich ebenfalls mit dem Elastizitätsansatz ermitteln. Die Sozialversicherungsbeiträge weisen im RWI-Konjunkturmodell eine Aufkommenselastizität von 0,72 auf. Die zu erwartenden Mehreinnahmen der Sozialversicherungen belaufen sich danach im Durchschnitt auf etwa 149 Mio. €. Bezieht man das durchschnittliche Steueraufkommen von 260 Mio. € mit ein, so errechnen sich Mehreinnahmen für die öffentlichen Haushalte von im Durchschnitt 408 Mio. €.

Bei einer Kombination von Elastizitäts- und Opportunitätskostenansatz ergeben sich Steuermehreinnahmen und Minderausgaben von ca. 585 Mio. €, unabhängig davon, ob es sich um private oder öffentliche Investitionen handelt. Die Selbstfinanzierungsquote öffentlicher Investitionen kreditfinanzierter öffentlichen Bauinvestitionen von 1 Mrd. € und Zinslasten von 258 Mio. € beläuft sich auf 46,5 %.

Abschließend wurden die Opportunitätskosten einer alternativen Verwendung der staatlichen Mittel untersucht.

Veröffentlichungen

Multiplikator- und Beschäftigungseffekte von Bauinvestitionen
BMVBS-Online-Publikation 20/11, Hrsg.: BMVBS, Oktober 2011
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Projektbeteiligte
Eckdaten
Schlagworte zum Projekt : Bauinvestitionen, Konjunkturmodell, gesamtwirtschaftliche Effekte, gesamtwirtschaftliche Auswirkungen
Projekt auf der Webseite des BBSR : https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/1Wertschoepfung/2010/Beschaeftigungseffekte/01_start