Gutachten

Gutachten über erschließbare Umweltpotenziale von Effizienzhaus Plus Gebäuden

Gutachten über erschließbare Umweltpotenziale von Effizienzhaus Plus Gebäuden

Ausgangslage

Vor dem Hintergrund der Verknappung fossiler Energieträger und des Klimawandels hat im Bauwesen in den letzten Jahrzehnten eine entscheidende Entwicklung stattgefunden. Neben der Umstellung auf regenerative Energieträger und der Erzeugung von regenerativem Strom standen die Effizienzsteigerung der Gebäudehülle sowie die Reduzierung der Lüftungswärmeverluste durch Einsatz aktiver Haustechnik im Vordergrund der Betrachtungen. Durch die Festlegung von Kennwerten, die parallel zur Entwicklung von neuen Baustofftechnologien und durch die Erfahrungen vorangegangener Umsetzungen fortgeschrieben wurden, haben sich unterschiedliche Gebäude-Energiestandards durchgesetzt. Diese dienen der Steigerung der Energieeffizienz und der Nutzung von erneuerbaren Energien. Darüber hinaus sind die Kennwerte wichtige Indikatoren und Grundlage für die Förderprogramme. Im Laufe der Fortschreibung der Anforderungen der hocheffizienten Energiestandards, die Einfluss auf die Reduzierung der Verluste von Gebäuden darstellen sind die Einsparpotentiale, insbesondere bei den Transmissionswärmeverlusten, weitestgehend erschöpft. Da auch die Kenngröße des Primärenergiebedarfs die Umweltrelevanz der Energienutzung, besonders im Kontext der internationalen Vereinbarungen zur Bekämpfung des Klimawandels nur in Teilen widerspiegelt, rückt die Bewertung der CO2-Emmissionen zunehmend in den Vordergrund.

Ziel

Ziel des Projekts war die Ermittlung und der Vergleich von erschließbaren Umweltpotentiale von hocheffizienten Gebäudestandards im Neubau von Wohngebäuden. Hierfür wurden die baulichen und anlagentechnischen Mehraufwendungen hocheffizienter Gebäudestandards im Rahmen einer Lebenszyklusbetrachtung mit den Energieeinsparungen beim Gebäudebetrieb verrechnet und bewertet. Zudem wurde die tatsächliche energetische Performance der Standards an Hand von realisierten Projekten überprüft. Auf dieser Basis war es möglich, Handlungsempfehlungen für die Schwerpunktsetzung künftiger Förderprogramme sowie für künftige Berechnungsvorschriften abzuleiten.

Auftragnehmer des Forschungsprojektes war die Ingenieurbüro Hausladen GmbH, Kirchheim.

Konzept

Als hoch energieeffiziente Gebäudestandards fiel die Auswahl für die Untersuchung auf Effizienzhaus Plus, KfW-Effizienzhaus 40 und 55, Passivhaus und Sonnenhaus. Durchgeführt wurden umfangreiche Berechnungen anhand zwei Mustergebäuden, einem Einfamilien- und einem Mehrfamilienhaus, sowie eine Auswertung von 36 realisierten Gebäuden der ausgewählten Energiestandards.

Die Bilanzierungsmethodik erfolgte nach DIN EN 15978 - Nachhaltigkeit von Gebäuden. Bewertungsgegenstand war ein Wohngebäude im Verlauf des Lebenszyklus mit einem Betrachtungszeitraum von 50 Jahren. In einer sogenannten Sachbilanz wurden Energie- und Materialflüsse für Herstellungs-, Nutzungs- und Entsorgungsphase zusammengestellt. Durch eine Verknüpfung der Sachbilanzen mit entsprechenden Datensätzen der Ökobaudat, einer Datenbasis für die Ökobilanzierung von Bauwerken des BMUB, wurden Umweltwirkungen anhand von Indikatoren quantifizierbar gemacht.

Bei der Erstellung der Sachbilanz wurde ein vereinfachtes Verfahren angewendet. Nur Bauteile der thermischen Gebäudehülle und die Hauptkomponenten der Anlagentechnik wurden in die Betrachtung der Herstellungs-, Instandhaltungs- und Entsorgungsphase einbezogen. Ein wichtiger Bestandteil des vereinfachten Verfahrens war zudem ein im Rahmen des Projektes erstellter Muster-Bauteilkatalog, über welchen die Bauteile der thermischen Hüllfläche vereinfacht erfasst werden können.

Als Leitindikator für den Treibhauseffekt wurde der Indikator des „Global Warming Potential“ (GWP) ausgewertet.

Ergebnisse

Bei der ganzheitlichen Betrachtung der Mustergebäude zeigte sich, dass sich die Installation einer PV-Anlage und die Baustoffwahl erkennbar auf das GWP für Herstellung, Instandhaltung und Entsorgung auswirken. Hingegen wirkt sich der Dämmstandard kaum aus. So hat ein Passivhaus in Holzrahmenbauweise mit Dämmstoffen aus nachwachsenden Rohstoffen ein geringeres Gebäude-GWP als ein in normaler Bauweise gebautes Gebäude im EnEV-Dämmstandard. Im Lebenszyklus betrachtet hat die Installation einer PV-Anlage entscheidenden Einfluss auf das GWP-Ergebnis: Mittels PV-Anlage können die Umweltwirkungen durch eigengenutzten PV-Strom, der den Strombezug reduziert, sowie durch Gutschriften für eingespeisten PV-Strom erheblich gesenkt werden. Aus diesem Grund weisen Effizienzhäuser Plus, die für die Umsetzung des Standards Dach- und z.T. Fassadenflächen mit PV aktivieren müssen, das geringste GWP im Lebenszyklus auf. Neben den Effizienzhaus Plus-Varianten fallen auch die mit Biomassekessel versorgten Varianten mit dem nächst niedrigsten GWP im Vergleich zu den übrigen Varianten auf. Ursache hierfür ist das geringe GWP des Brennstoffs Holz, dem die Aufnahme von Kohlendioxid (CO2) während der Wachstumsphase gutgeschrieben wird.

Um die tatsächliche energetische Performance der Standards bewerten zu können, wurden im zweiten Schwerpunkt realisierte Projekten der ausgewählten Energiestandards mittels Lebenszyklusanalysen unter-sucht. Auch bei den realisierten Gebäuden zeigt sich die hohe Relevanz von PV-Anlagen. Durch Einspeisung von PV-Strom erreichen einige Gebäude sogar negative GWP-Werte im Lebenszyklus und damit eine Überkompensation der GWP-Umweltwirkungen. Bei den realisierten Gebäuden weisen Effizienzhäuser Plus und KfW-Effizienzhäuser 40 mit großer PV-Anlage, die geringsten GWP-Werte auf. Ebenso bestätigte sich die Erkenntnis aus den Lebenszyklusanalysen der Mustergebäude, dass durch den Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen sowohl als Energieträger als auch als Bau- oder Dämmstoff die Umweltwirkungen deutlich reduziert werden können. Bei der Auswertung wurde ferner erkennbar, dass in der Praxis eine Abgrenzung der einzelnen Energiestandards zueinander oft nicht mehr möglich ist und Gebäude mehrere Standards erreichen: Effizienzhäuser Plus können gleichzeitig Passivhäuser sein und KfW- bzw. Passivhäuser mit großen PV-Anlagen erreichen Effizienzhaus Plus-Standard.

Die anschließende Diskussion der Rahmenbedingungen der Ökobilanzierung, die für die Einordnung der Ergebnisse als äußerst wichtig angesehen wird, zeigte, dass die gewählte Bezugsgröße, die Einbeziehung des Zeitpunkts von Strombezug und -einspeisung, die Berechnungsgrundlagen von Biomasse- und Fernwärme-Nutzungsdatensätzen eine große Rolle spielen, derzeit aber bei Ökobilanzierungen von Gebäuden nicht betrachtet bzw. diskutiert werden.

Durch die sehr hohe Energieeffizienz in der Nutzungsphase in Kombination mit eigener Energieerzeugung werden die Umweltauswirkungen für Herstellung, Instandhaltung und Entsorgung immer wesentlicher. Bislang wird in keiner Berechnungsmethodik der untersuchten Energiestandards der Aufwand für Herstellung, Instandhaltung und Entsorgung des Gebäudes berücksichtigt. Als ein wichtiger nächster Handlungsschritt wird daher die Entwicklung eines neuen Berechnungsverfahrens für den öffentlich-rechtlichen Nachweis, den Energieausweis bzw. Förderprogramme angesehen, welcher über einen ganzheitlicheren Ansatz einen direkten Bezug zu den Umweltwirkungen eines Gebäudes im Lebenszyklus ermöglicht. Eine erste Betrachtung in Richtung eines ganzheitlicheren Bilanzierungsverfahrens erfolgte mit dieser Forschungsarbeit, in der ein Verfahren zur vereinfachten Gebäude-Lebenszyklusanalyse entwickelt und angewendet wird.

Der Abschlussbericht zum Auftragsforschungsprojekt „Gutachten über erschließbare Umweltpotenziale von Effizienzhaus Plus-Gebäuden“ (Az. 10.08.17.7-16.28) vom Ing.-Büro Hausladen steht als pdf-Datei zum kostenlosen Download bereit unter:
www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/FP/ZB/Auftragsforschung/5EnergieKlimaBauen/2016/umweltpotenziale-effizienzhaus-plus/01-start.html