14. Workshop Netzwerk Effizienzhaus Plus am 16. Januar 2019 in München

Mehr als 300 Teilnehmer hatten sich zum 14. Workshop des Netzwerks Effizienzhaus Plus unter dem Titel „Netzwerk Effizienzhaus Plus – Marktreife erreicht?“ im Rahmen der BAU 2019 angemeldet. In seinen Grußworten betonte der Unterabteilungsleiter des Bundesbauministeriums, Herr MinRat Fehn Krestas, den großen Stellenwert des Effizienzhaus Plus und seinem Netzwerk als Beitrag zur Erreichung der Klimaschutzziele im Gebäudebereich. Er appellierte an alle Beteiligten weiterhin mit ihrer Kreativität und technischen Innovationen das Effizienzhaus Plus in allen Sparten des Wohn- und Nichtwohnungsbaus sowie im Quartier einschließlich benachbarter Sektoren zu etablieren.

Hans Erhorn (Fraunhofer IBP) beschrieb in einem kurzen Rückblick seiner 35-jährigen Tätigkeit am Fraunhofer-Institut für Bauphysik im Bereich der Energieforschung, die Entwicklung vom ersten Solarhaus in den 1980er Jahren bis hin zum Effizienzhaus Plus von heute. Die Energieeffizienz der Forschungsprojekte war dabei bei der Entwicklung der energiesparenden Gebäudesysteme sowohl zeitlich als auch qualitativ den vom Gesetzgeber festgelegten Mindestanforderungen immer ein erhebliches Stück voraus. Er ermunterte daher den Regelsetzer mehr Mut zu zeigen bei der Festlegung von neuen Gebäudestandards.

Im Anschluss an seinen Vortrag wurde Hans Erhorn für seine vielen Verdienste, auch in der Initiative Effizienzhaus Plus vom Förderer der ersten Stunde und Kurator des IBP, Hans-Dieter Hegner, mit dem „Effizienzhaus Plus Schlüssel am Bande“ geehrt. Hierbei wurde ihm auch der Schlüssel, der Frau Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel zur Pilotgebäudeübergabe im Jahr 2011 symbolisch überreicht wurde, zur Erinnerung und Würdigung übergeben.
 
Die Projektleiterin der Initiative Effizienzhaus Plus im Bundesbauministerium (BMI), Frau Alten, weist in ihrem Vortrag auf die internationale Klimaverpflichtung hin, die ab 2050 den durchschnittlichen Primärenergiebedarf für Wohngebäude auf ca. 40 kWh/m²a und den im Nichtwohnbereich auf ca. 52 kWh/m²a zu senken. Mit dem Effizienzhaus Plus und seiner seit 9 Jahren laufenden Initiative ist ein marktreifer Standard gelungen dessen Innovationsfähigkeit weiter gefördert werden soll. Mit dem ersten Effizienzhaus Plus in Japan und der Tschechischen Exportinitiative ist bereits ein Wissenstransfer auch ins Ausland gelungen. Mit der Verstetigung des Effizienzhaus Plus wird es gelingen Energieeffizienz wirtschaftlich, umweltfreundlich und sozial zu gestalten.

Ministerialrat Peter Rathert, Referatsleiter im BMI, gibt in seinem Betrag einen kurzen Überblick zum Stand der Entwicklung des GebäudeEnergieGesetzes (GEG). Der Entwurf des Gesetzes vom 22.11.2018 befindet sich derzeit zur Freigabe beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU), bevor es zur Anhörung an die Länder weiter geleitet werden kann. Das nach europäischer EPBD Richtlinie geforderte Niedrigstenergiegebäude (NZEB) ist nach deutschem Verständnis im GEG abgebildet und entspricht dem Niveau der Energieeinsparverordnung von 2016. Die ehemals angedachte 25%ige Verschärfung des Anforderungsniveaus darf in dieser Legislaturperiode aufgrund der Koalitionsvereinbarung nicht stattfinden. Im Hinblick auf die Klimaschutzziele gilt für den Sektor Bauen bis 2030 eine Reduktion des CO2 Ausstoßes von derzeit 132 Mio. t auf 70 -72 Mio. t sicher zu stellen. Dazu soll eine neue Kommission „Zur Zukunft der Gebäude“ eingesetzt werden und bis zur Sommerpause Ergebnisse zur Reduktion der Handlungslücke aufzeigen. Als Flaggschiff wird hier das Effizienzhaus Plus gesehen. 

Herr Dr. Rose vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt und Raumforschung (BBSR) beschreibt die Aufgabe der Förderung des Effizienzhaus Plus, die Forschung und Entwicklung in die Breite zu tragen und Grundlagen für die Umsetzung zu schaffen. Er stellt dabei die  Untersuchungsfelder energetische Performance, Nutzersicht, Technische Umsetzung, Kostenaspekte, Energiespeicherung und Verteilung sowie Umweltpotenziale vor, die im Rahmen der Modellvorhaben Effizienzhaus Plus durch verschiedene Forschergruppen bearbeitet wurden. Zukünftige Fragestellungen ergeben sich für die Suffizienz der Modellvorhaben, die Einordnung der genutzten Baustoffe, Quartierslösungen sowie sinnvolle Weiterleitung und Nutzung von Überschüssen. 
 
Antje Bergmann vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) stellte in ihrem Beitrag die querausgewerteten Ergebnisse der 37 Modellvorhaben des Effizienzhaus Plus Netzwerks vor. Sie gibt dabei eine Beschreibung der Schlüsselparameter an und weißt zum erfolgreichen Umsetzen  eines Effizienzhaus Plus auf die Erfordernis einer qualitativ guten Planung, Ausführung und Einregulierung des Gebäudes in einem guten Kommunikationsprozess zwischen allen Beteiligten hin. Unterstützend wird dabei empfohlen auf ein Mindestmonitoring zurückzugreifen. Das Effizienzhaus Plus hat im Wohnbereich seine marktreife erreicht und es gilt nun dies auch in andere Sparten des Nichtwohnbereichs und in Quartiere zu führen und dort in den ganzheitlichen Kontext aller infrastruktureller Komponenten einzubinden. Dazu gilt es weiter zu fördern, zu informieren und weiterzubilden.  

Steffen Mechter von der BayWaAG stellt eine realisierte Effizienzhaus Plus Siedlung in Hügelshart vor, die privatwirtschaftlich realisiert wurde. Er beschreibt dabei seine Erfahrung Dinge einfach auch einmal anders zu tun als es der Gesetzgeber vorgibt und einen energieeffizienteren Gebäudestandard zu realisieren als es der Mindeststandard erfordert. Er bestätigt die Marktreife dieses Gebäudestandards.

Frank Junker von der ABG FRANKFURT HOLDING geht in seinen Ausführungen auf 2 realisierte Effizienzhaus Plus Projekte im Geschosswohnungsbau ein, die beispielhaft für einen CO2 neutralen Gebäudebestand im Bereich des Neubaus (AktivStadthaus Frankfurt, Speicherstraße) und der Modernisierung (Frankfurt Nebeniusstraße) stehen. Die Nutzung der Erträge der installierten Photovoltaikanlagen wird bei den Projekten über Warmmietenmodelle mit Stomfreimengen geregelt. Auch Herr Junker fordert auf, den Mut zu haben neue Dinge anzugehen und mit Architekten und Fachplanern zusammen zu arbeiten die inspiriert sind vom Effizienzhaus Plus Gedanken und ihn verstehen. Seine Gedanken in Richtung des Gesetzgebers sind von Unverständnis geprägt, die Chance zu verpassen effiziente Gebäude als Standard festzuschreiben. Der derzeitige Entwurf des GEG ist lediglich „alter Wein in neuen Schläuchen.“

Georg Lange vom Bundesverband Deutscher Fertigbau (BDF) berichtete, dass das Effizienzhaus Plus im Fertigbau nahezu eine Marktdurchdringung von 20% hat. Er stellte in seinem Vortrag das Einsparpotential eines Siedlungsstromnetzes für ein Effizienzhaus Plus Quartier vor. In der FertighausWelt in Wuppertal wurden 19 Effizienzhäuser Plus, ein Empfangsgebäude und ein quartierzentraler Siedlungsspeicher miteinander vernetzt. Allein durch die Vernetzung wurde das öffentliche Stromnetz um 15% entlastet und der generierte erneuerbare Strom konnte erhöht im Quartier genutzt werden. Durch den Einsatz des zentralen Speichers wurde die Stromverschiebung nochmals vergrößert und es konnte 18 % des generierten Stroms im Quartier genutzt werden. Bisher können nur wenige Quartiersnetze wirtschaftlich umgesetzt werden. Es besteht daher weiterer Forschungsbedarf im Speichermanagement, vor allem für Gebäude mit unterschiedlichen Lastprofilen sowie eine Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Quartiersnetzte. Ferner fordert er ein Förderprogramm für KfW Effizienzhaus 55 Plus.

Einen Blick nach Österreich lieferte Helmut Schöberl von Schöberl & Pöll GmbH mit der Vorstellung eines Plus-Energie-Bürohochhauses. Dazu wurde als Basis ein typischer Büroneubau im Passivhaus Standard mit PV-Modulen ausgestattet und die Serverabwärme genutzt. Ergänzend wurde eine Optimierung vieler Einzelkomponenten des Nutzerstroms (bis zu 9300 Komponenten) durchgeführt. Durch diese Maßnahmen konnte der Primärenergiebedarf eines typischen Büroneubaus von 458 kWh/m²BGFa auf 56 kWh/m²BGFa reduziert werden. 
 
Nach der Mittagspause wurde in zwei Impulsvorträgen die Diskussion mit dem Publikum eröffnet, die auch ein Stimmungsbild des Publikums einfangen sollte. Ein dazu eingesetztes digitales Abstimmungsverfahren lieferte in einem Probedurchgang die Zusammensetzung des Publikums. Etwa die Hälfte der Besucher hatte bereits an einem Effizienzhaus Plus Workshop teilgenommen und etwa auch 50 % der Zuhörer hatten bereits ein Effizienzhaus Plus geplant bzw. gebaut.
 
Im ersten Impulsvortrag stellte Heike Erhorn-Kluttig vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP) Ergebnisse des europäischen Forschungsprojekts „Lösungsansätze für die Kostenreduktion von neuen Niedrigstenergiegebäuden (CoNZEBs)“ vor. Hier wurden Einsparpotentiale des KFW Effizienzhaus 55 Standards gegenüber dem gesetzlichen Mindeststandard entwickelt. Erste Ergebnisse hierzu deckten Einsparpotentiale bei der Ausbildung der Gebäudehülle, der verwendeten Technik, den Herstellungsprozessen (Vorfertigung Modulares Bauen, BIM) und alternativen Energiekonzepten auf. 
 
Der 2. Impulsvortrag von Prof. Dr. M. Norbert Fisch von EGS stellte Handlungsempfehlungen für den Bau von Effizienzhäusern Plus vor. Der aus einer Expertenbefragung hervorgegangene Leitfaden liefert knapp 40 Planungsempfehlungen. Eingegangen wurde auf eine einfache Bewertung des Effizienzhaus Plus in der Planungsphase, auf die Optimierung der Abstimmung des PV Eigennutzungsanteils und solaren Deckungsanteil, sowie die Auslegung von Technikkomponenten. 
 
Jeweils nach beiden Vorträgen wurde das Publikum aufgefordert ergänzende Maßnahmen zur Kosteneffizienz zu nennen. In einem Abstimmungs-Prozess wurde eine Reihenfolge von 11 genannten Maßnahmen erstellt wobei sich zeigte, dass vorrangig die Einführung einer CO2-Steuer auf fossile Energieträger, eine intensive Begleitung der Planungs- und Ausführungsprozesse sowie die Einführung der Warmmiete als Förderinstrumente gewünscht wurden.
 
Auf die Frage ob das Effizienzhaus Plus die Marktreife erreicht hat antwortete die überwiegende Anzahl von 62 % mit „nahezu, aber eine Markteinführungsunterstützung (BAFA/KfW/Kommunen etc.) ist erforderlich“. Für 21% der Teilnehmer hat die Veranstaltung die Erwartung mit 5 Sternen voll erfüllt, 56 % gaben der Veranstaltung 4 Sterne. Schließlich würden sich 94 % der Teilnehmenden freuen, wenn die Veranstaltungsreihe weiter fortgesetzt würde. 

Abschließend stellte der Leiter der Abteilung EER des IBPs Prof. Dr. Gunnar Grün seine Vision 2030 zum Effizienzhaus Plus unter der Fragestellung „Aufbruch oder Stillstand?“ vor. Im Hinblick auf die Klimaschutzziele und die Entwicklung des Endenergieverbrauchs für Wärme in Deutschland gilt es den Gebäudebestand mit Effizienzhäusern Plus zu substituieren (Ersetzen), sanieren und sekundieren (Zusammenschluss im Quartier). Auf dem Weg zur optimalen Nutzung der überschüssigen Energie sind weitere Prozesse zur Vernetzung, Digitalisierung und Industrialisierung im Bauwesen erforderlich. Das Effizienzhaus Plus ist dazu der Impulsgeber.