17. Netzwerktreffen der Effizienzhaus Plus-Initiative am 14. Januar 2021 auf der BAU Online

Das 10-jährige Jubiläum der Effizienzhaus Plus-Initiative wurde am 14. Januar mit einem Netzwerktreffen im Rahmen der Bau Online 2021 eingeläutet. Unter dem Themenschwerpunkt „Bauen für das Klima und den Klimawandel“ fand das 17. Netzwerktreffen erstmals als Livestream aus dem „STUDIO Bund“ des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat (BMI) und des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) statt. Über 500 Zuschauer verfolgten die Veranstaltung über den Livestream und begleiteten die Vorträge mit Fragen im Chat.

Perspektiven für das Bauen im Wandel

Staatssekretärin Anne Katrin Bohle begrüßte die Teilnehmer der virtuellen Veranstaltung durch eine Zuschaltung aus dem Informations- und Kompetenzzentrum für zukunftsgerechtes Bauen (IKzB) in Berlin, dem ersten Pilotprojekt des Netzwerks Effizienzhaus Plus. In ihrem Grußwort beschrieb Frau Bohle die aktuellen politischen Maßnahmen der Bundesregierung für einen gerechten, sozialen und investiven Klimaschutz im Gebäudesektor. Sie stellte die Effizienzhaus Plus-Initiative als Vorreiter der Innovation und des Wissenstransfers vor und wünschte den Teilnehmern einen offenen sowie reflektierten Austausch über das Bauen im Wandel.

Das erstmals digital durchgeführte Netzwerktreffen moderierte Hans Erhorn, Principal Advisor für das Fraunhofer-Institut für Bauphysik (IBP). Er führte durch das 1,5-stündige Programm im Livestream bestehend aus fünf Vorträgen von Vertretern des Ministeriums, der Architekten und Fachplaner, der Forschung und der Kommunen. Aus unterschiedlichen Blinkwinkeln wurden die letzten zehn Jahre der Effizienzhaus-Plus-Initiative reflektiert und neue Impulse für die Zukunft gesetzt. Nach dem Programm im Livestream konnten die Teilnehmer im virtuellen Workshop-Raum des Netzwerktreffens eine Diskussionsrunde mit den Referenten verfolgen.

Impressionen

Petra Alten, Referentin und Projektleiterin der Effizienzhaus Plus-Initiative im Bundesbauministerium, stellte die letzten zehn Jahre der Initiative im Zeitraffer vor. Die Vision, einen zukunftssicheren Gebäudestandard zu entwickeln, führte im Jahr 2011 zur Definition des Standards sowie zur Gründung der Initiative und des Netzwerks. Im Gründungsjahr wurde auch das erste Effizienzhaus Plus-Wohngebäude durch die Bundeskanzlerin in Berlin als Bundespilotprojekt eröffnet. Zuerst von Familien bewohnt, dient das Gebäude heute als Informationszentrum über das Bauen und Wohnen der Zukunft (IKzB). Seither wurden 36 weitere Wohngebäude und sieben Bildungsbauten im Effizienzhaus Plus-Standard gefördert. Auch Vorhaben im Ausland konnten verzeichnet werden, wie z. B. ein Wohngebäude in Takamatsu, das zur Einführung des ersten energetischen Mindeststandards in Japan führte. Frau Alten endete ihren Vortrag mit einem Ausblick in die Zukunft: das Ziel sei nun die breite Markteinführung des Standards mit Schwerpunkt auf den Altbau und die Quartiere.

Einen Vortrag unter dem Motto „Build for More with Less“ hielt Prof. Dr. Werner Sobek der Werner Sobek AG. Mit seinem Team plante Professor Sobek vor 10 Jahren das erste Effizienzhaus Plus Gebäude. In seinem Vortrag erläuterte er den sehr innovativen Gedanken, der hinter dem Effizienzhaus Plus-Standard steckte. Mit diesem Standard wurden Gebäude erstmals als Kleinkraftanlagen gesehen: sie sollten nicht nur weniger Energie verbrauchen, sondern auch mehr Energie erzeugen. Anhand eigener Projekte, darunter Gebäude im Effizienzhaus Plus-Standard sowie Gebäude, die bis zu 80 % aus rezyklierten Materialien bestehen, zeigte er einen Einblick in die Praxis und in das heute Machbare. Am Ende seines Vortrags schlug Professor Sobek eine Neuregelung der Energieeinspargesetze vor und forderte eine aktive gesetzgeberische Behandlung von Urban Mining, Bauschutt und Bauabfall.

Prof. Dr. Manfred Norbert Fisch von der EGS-plan Ingenieurgesellschaft stellte in seiner Präsentation „What comes next? – Effizienzhaus Plus und darüber hinaus denken“ Technologien mit Zukunftspotenzial vor. Er verdeutlichte, dass alle notwendigen Technologien für ein Effizienzhaus Plus-Gebäude bereits verfügbar seien, oft fehle nur das Wissen und der Mut solche Projekte anzugehen. Im Allgemeinen sollte der Fokus stärker auf Altbauten und Quartiere sowie auf die Betrachtung des gesamten Gebäudelebenszyklus gerückt werden. Professor Fisch nannte konkrete Maßnahmen zur Umsetzung der Klimaneutralität wie z. B. die Verdopplung der Sanierungsrate. Er schloss mit einem Appell ab: Machen statt Reden!

Referenten

Heike Erhorn-Kluttig vom Fraunhofer-Institut für Bauphysik gab einen aktuellen Einblick in Ergebnisse der Begleitforschung zu den Bildungsbauten im Effizienzhaus Plus-Standard. Anhand einer kurzen Erläuterung der Gebäudetechnik wurden die sieben Modellvorhaben vorgestellt, die von einem Erweiterungsbau für eine Grundschule bis zu einem Neubau für ein Hochschulgebäude reichen. Frau Erhorn-Kluttig präsentierte des weiteren Querauswertungen zu Planungskennwerten der Bildungsgebäude und zu Themen wie dem baulichen Wärmeschutz, den Lüftungsanlagen und den Photovoltaikanlagen. Erste Monitoring-Ergebnisse der Modellvorhaben zeigten, dass der jahresbilanzielle Energieüberschuss auch im Betrieb eingehalten wird. Frau Erhorn-Kluttig verwies auf die Internetseite der Initiative, die laufend mit neuen Ergebnissen aktualisiert wird, sowie auf eine neue Veröffentlichung zu den Bildungsgebäuden mit aktuellen Zwischenergebnissen der Begleitforschung. Diese Broschüre lag auf dem virtuellen Publikationentisch zum Download bereit und ist auch auf der Internetseite des BBSR (Broschüre Bildungsbauten) verfügbar.

Dr. Jürgen Görres von der Landeshauptstadt Stuttgart stellte das Bauen für das Klima aus der Perspektive einer Kommune vor. Die Leitfrage des Vortrags "Sind Kommunen bereit?" beantwortete er gleich zu Beginn mit der Aussage, dass die Kommunen bereit sein müssen. Aus dem 1,5°-Ziel leitete die Stadt Stuttgart einen CO2-Reduktionspfad ab, der die jährliche Einsparung des Treibhausgases bis zum Jahr 2050 festlegt. Um die festgelegte CO2-Einsparung einzuhalten, wurden im Mai 2020 neue Standards im Energiebereich für die Landeshauptstadt verabschiedet, die unter anderem den Plusenergiestandard für Neubauten sowie die Klimaneutralität in der Betriebsphase für Sanierungen vorschreiben. Außerdem wird für stadteigene Wirtschaftlichkeitsberechnungen ein virtueller CO2-Preis mit jährlicher Steigerung eingeführt, der doppelt so hoch ist wie die 2021 eingeführte CO2-Abgabe des Bundes. Herr Görres zeigte anhand einer Kindertagesstätte, einer Sporthalle und einer Bestandsschule, dass die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit des Plusenergiestandards gegeben ist.

Im Laufe der Veranstaltung konnten die Teilnehmer über ein interaktives Fenster per Voting fünf Fragen beantworten sowie jederzeit eigene Fragen stellen. Die Ergebnisse des Votings zeigten, dass etwa 400 Teilnehmer zum ersten Mal ein Effizienzhaus Plus-Netzwerktreffen besuchten, aber ca. 100 Teilnehmer bereits an mehreren Vorgängerveranstaltungen teilgenommen hatten. Damit konnte die hohe Attraktivität des Netzwerkes selbst nach 10 Jahren Bestand dokumentiert werden. Der Großteil der Teilnehmer gehörte den Berufsgruppen Architektur bzw. Ingenieurwesen an. Auf die Frage, welche Strategie im Gebäudesektor am sinnvollsten zur Erreichung der Klimaschutzziele erscheint, entschieden sich die meisten Teilnehmer für einen wirtschaftlich sinnvollen Mix aus verschiedenen Technologien. Mit der letzten Frage wurden Vertiefungsthemen für die anschließende Diskussionsrunde abgefragt, an der etwa 80 Besucher teilnahmen. In der Diskussionsrunde tauschten sich die Referenten hauptsächlich über Quartiersansätze des Effizienzhaus Plus-Standards und über die Vermittlung des Konzepts im In- und Ausland aus. Alle Fragen und Anmerkungen, die von den Teilnehmern während der Veranstaltung eingingen, wurden gesammelt und werden für das nächste Netzwerktreffen aufbereitet.

Zuschauervoting