Zurück

Inhalte

Schiedsverfahren bei der Durchführung von Bundesbaumaßnahmen

Projektbeschreibung

Projektbeteiligte

Eckdaten

Schiedsverfahren bei der Durchführung von Bundesbaumaßnahmen


Projektnummer
Projektbeginn
10.2014
Projektende
09.2015
Projektstatus
abgeschlossen mit Bericht

Bei der Durchführung von Bundesbaumaßnahmen kommt es in Streitfällen immer wieder zu lang andauernden Gerichtsverfahren. Die deutsche Bauwirtschaft hat in der Vergangenheit die Einführung von außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren wiederholt als wirkungsvolle Maßnahme zur Vermeidung von langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen auch für den öffentlichen Baubereich angeregt. Das Forschungsvorhaben diente der umfassenden Untersuchung alternativer Streitbeilegungsverfahren mit besonderem Fokus auf dem Adjudikationsverfahren.Projektlaufzeit: Oktober 2014 - Juni 2015

Ausgangslage

Baumaßnahmen führen häufig zu gerichtlichen Streitigkeiten, insbesondere über Inhalt und Umfang der vertraglichen Pflichten, die Beseitigung von Mängeln, Verzug oder die Vergütung. Gerichtsverfahren in Bausachen sind durch ihre lange Dauer von durchschnittlich zwei bis fünf Jahren und hohe Kosten für Rechtsanwälte und Sachverständige geprägt. Ungelöste Streitigkeiten führen vielfach zur Entwicklung konfrontativer Verhaltensweisen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer und begründen damit Risiken für den Projekterfolg.

Bei Bundesbaumaßnahmen werden diese Gerichtsverfahren überwiegend nicht baubegleitend, sondern am Projektende über die Vergütung geführt. Solche nachgelagerten Streitigkeiten bergen erfahrungsgemäß das größte Risiko für langwierige Verfahren nach Abschluss des Bauvorhabens, die es frühestmöglich zu vermeiden gilt.

Im Bereich des öffentlichen Bauens spielen außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren bisher nur eine untergeordnete Rolle. Im angelsächsischen Raum werden zur Vermeidung von Rechtsstreitigkeiten häufig außergerichtliche Streitbeilegungsverfahren - insbesondere die Adjudikation - vereinbart. Die deutsche Bauwirtschaft hat in der Vergangenheit die Einführung von solchen Verfahren wiederholt als wirkungsvolle Maßnahme zur Vermeidung von langwierigen gerichtlichen Auseinandersetzungen auch für den öffentlichen Baubereich angeregt.

Ziel

Das Forschungsvorhaben diente der umfassenden Untersuchung alternativer Streitbeilegungsverfahren mit besonderem Fokus auf dem Adjudikationsverfahren. Untersucht werden sollten die Vor- und Nachteile dieses international beliebten Verfahrens und die Möglichkeiten einer Übertragung auf die Auftragsabwicklung im Bundeshochbau sowie Problemstellungen bei einer Einführung dieses Verfahrens als Streitbeilegungsmechanismus für Bundesbauprojekte.


Auftragnehmer des Forschungsprojektes war die KPMG Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Düsseldorf.

Konzept

Basis für die Untersuchungen in diesem Forschungsvorhaben waren eine umfassende Daten- und Literaturrecherche sowie Interviews mit relevanten Entscheidungsträgern über die bisherigen Erfahrungen mit alternativen Streitbeilegungsmechanismen im öffentlichen Bau.

Darauf aufbauend wurden die Eckparameter der existierenden alternativen Streitbeilegungsverfahren beschrieben. Der Schwerpunkt der Untersuchung lag auf dem Adjudikationsverfahren, dessen einzelne Verfahrensgrundsätze herausgearbeitet und mit den Grundsätzen eines Verfahrens der ordentlichen Gerichtsbarkeit verglichen wurden.

Anschließend wurden die Vor- und Nachteile des Adjudikationsverfahrens im Vergleich zum Zivilprozess in Bausachen in Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit untersucht. Sodann wurde geprüft, ob nach derzeitiger Rechtslage die Anwendung alternativer Streitbeilegungsverfahren, insbesondere einer Adjudikation, nach geltendem Recht -insbesondere auch öffentlich-rechtlichen Vorschriften - im Rahmen von Bundeshochbaumaßnahmen zulässig ist. Dabei wurden unter anderem der verfassungsrechtliche Justizgewährungsanspruch sowie haushaltsrechtliche Anforderungen betrachtet.

Ergebnisse

Eine Adjudikation kann für Bundeshochbaumaßnahmen rechtlich zulässig vereinbart werden.

Die Vereinbarung einer Adjudikation verletzt den Justizgewähranspruch nicht. Der Zugang zu den staatlichen Gerichten ist nicht ausgeschlossen. Denn die Adjudikation als alternatives Streitbeilegungsinstrument ist so ausgestaltet, dass die von Adjudikatoren getroffenen Entscheidungen in einem selbstständigen gerichtlichen Verfahren substituiert werden und damit dem Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit oder einem Schiedsverfahren zugeführt werden können.

Der Wirtschaftlichkeitsgrundsatz steht Adjudikationsverfahren nicht entgegen. Im Einzelfall ist zu prüfen, ob die Vereinbarung eines Adjudikationsverfahrens wirtschaftlich und zweckmäßig ist. Maßgeblich dafür sind Kosten und Nutzen eines Adjudikationsverfahrens. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit verlangt nicht, dass von verschiedenen Varianten stets die mit dem niedrigsten Preis zu wählen ist, sondern die im Verhältnis von Ausgabe (Kosten) und Gegenwert (Leistung, Qualität, Zuverlässigkeit, u.a.) günstigste.

Adjudikationsentscheidungen sind mit dem Wirtschaftlichkeitsgrundsatz vereinbar, soweit sie zweckmäßig und wirtschaftlich sind (§ 58 BHO). Ein Vergleich ist für den Bund wirtschaftlich, wenn Prozessaussichten und Prozesskosten es für den Einzelfall wirtschaftlich erscheinen lassen, einen Vergleich abzuschließen. Ein Vergleich bedarf nach Ziffer 2.2 VV-BHO zu § 58 BHO der Einwilligung des BMF, wenn hierdurch der Bundeshaushalt um mehr als 500.000 Euro belastet wird oder über- oder außerplanmäßige Ausgaben oder Verpflichtungsermächtigungen entstehen. Für den Bund nachteilhafte Vertragsänderungen sind hingegen nur in besonders begründeten Ausnahmefällen zulässig, § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BHO. Um die nach § 58 Abs. 2 BHO im Einzelfall erforderliche Einwilligung des BMF einholen zu können, ergeben sich zwei Anforderungen: Zum Einen muss der Ablauf so gestaltet sein, dass die Möglichkeit zum Widerspruch gegen die Adjudikationsentscheidung bei negativem Ausgang der Prüfung gewahrt bleibt. Zweitens muss geklärt sein, welche inhaltlichen Anforderungen an die zu dokumentierende Prüfung bestehen.

Aus dem Vergaberecht ergeben sich keine Hindernisse für die Vereinbarung von Adjudikationsklauseln oder die Durchführung von Adjudikationsverfahren. Aus dem Gleichbehandlungs- und Transparenzgrundsatz folgt allerdings, dass die Bedingungen des Adjudikationsverfahrens und die Kosten mit der Bekanntmachung und den Vergabeunterlagen bekannt gegeben werden müssen.

Vor- und Nachteile

Die schnelle Entscheidungsfindung im Adjudikationsverfahren ist für den Bund grundsätzlich vorteilhaft. Zwar kann der Bund im Fall von Streitigkeiten auch über Anordnungen seine Forderungen durchsetzen. Der Streit wird dabei vielfach jedoch nur scheinbar auf die Vergütungsebene verlagert. Bauunternehmen werden aufgrund der Ungewissheit über ihre Ansprüche den schwelenden Konflikt vielfach nutzen, um auf anderen Wegen ihren Vorteil zu suchen, so dass eine kooperative Vertragsabwicklung nicht mehr gesichert ist. Überdies kann die Unsicherheit über den Vergütungsanspruch insbesondere bei mittelständischen Bauunternehmen zu Liquiditätsproblemen führen. Schließlich erlaubt die Schnelligkeit des Adjudikationsverfahrens eine Entscheidung noch zu einem Zeitpunkt, zu dem der Mangel noch sichtbar ist und nicht bereits zugebaut ist oder Zeugen noch verfügbar sind.

Für großvolumige Bundesbaumaßnahmen (ab 30 bis 50 Mio. Euro) mit einem Generalunternehmer sind Adjudikationsverfahren für den Bund regelmäßig vorteilhaft. Entscheidender Vorteil der Adjudikation ist hier ihre Schnelligkeit. Dadurch wirken Adjudikationsverfahren konflikt- und eskalationsmindernd und leisten einen wichtigen Beitrag dafür, dass die Projekte im Zeitrahmen realisiert werden können.

Bei kleinvolumigen Baumaßnahmen und/oder losweiser Vergabe können dem Bund für ein Adjudikationsverfahren höhere Kosten entstehen als in einem ordentlichen Gerichtsverfahren, da Adjudikatoren nach Stundensätzen vergütet werden. Ein sogenanntes standing board würde ebenfalls aufgrund der Pauschalen schnell höhere Kosten verursachen als eine Klärung vor staatlichen Gerichten. Dieser Nachteil erfordert eine gesonderte Abwägung mit dem Vorteil der schnellen Entscheidungsfindung. Insbesondere bei komplexen oder zeitkritischen Projekten kann der Zeitvorteil den Kostennachteil aufwiegen. Die Abwägung im Rahmen der Kosten-Nutzen-Analyse wird allerdings dadurch erschwert, dass der Stundenaufwand der nach Stundensätzen zu vergütenden Adjudikatoren vorab nur geschätzt, aber nicht endgültig bestimmt werden kann.

Im Fall der losweisen Vergabe ist eine Adjudikation nur beschränkt sinnvoll. Je nach Schnittstelle kann es erforderlich sein, dass die Adjudikationsentscheidung gegenüber mehreren Parteien Verbindlichkeit entfaltet, um eine Lösung herbeiführen zu können. Dies erfordert eine Mehrparteienadjudikation, die alle Beteiligten vereinbaren müssen. Die Vorteile des Adjudikationsverfahrens nehmen bei mehr als drei Vertragspartnern aufgrund der daraus erwachsenden Komplexität signifikant ab. Für mehr als sieben Parteien erscheint das Adjudikationsverfahren nicht geeignet.

Ein großes Hemmnis für die Adjudikation ist, dass Haftpflichtversicherungen in Deutschland gegenwärtig die Erbringung von Leistungen als Adjudikator nicht standardmäßig abdecken noch die Kosten für Adjudikationsverfahren standardmäßig übernehmen noch Adjudikationsentscheidungen über Zahlungs-/Schadensersatzverpflichtungen anerkennen, da das Adjudikationsverfahren nicht vom Katalog in den Versicherungsregeln erfasst ist. Hier besteht vor Einführung der Adjudikation für Bundesbauprojekte Regelungs- und Anpassungsbedarf.

Die in Deutschland existierenden institutionellen Adjudikationsordnungen (die Streitlösungsordnung für das Bauwesen (SL-Bau) der Deutschen Gesellschaft für Baurecht e.V. und die DIS-Verfahrensordnung für Adjukation (DIS-AVO) der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit e.V.) sind vor ihrer Verwendung durch den Bund anzupassen. Die besonderen Anforderungen an die Transparenz, an die Entscheidungsbegründung und an die Widerspruchsfristen sind abzubilden oder bei Anwendung vertraglich zu vereinbaren.

Veröffentlichungen

Endbericht:
Schiedsverfahren bei der Durchführung von Bundesbaumaßnahmen:
Zur Möglichkeit der Einführung der Adjudikation für Bundesbauprojekte als Streitbeilegungsmechanismus vor Gerichts- oder Schiedsverfahren
Download auf https://www.bbsr.bund.de/

Projektbeteiligte
Eckdaten
Schlagworte zum Projekt : Schiedsverfahren, Bundesbaumaßnahmen, Gerichtsverfahren, Adjudikation, Streitbeilegung
Projekt auf der Webseite des BBSR : https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/3Rahmenbedingungen/2015/Schiedsverfahren/01_start