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Mögliche Optionen für eine Berücksichtigung von grauer Energie im Ordnungsrecht oder im Bereich der Förderung

Projektbeschreibung

Projektbeteiligte

Eckdaten

Mögliche Optionen für eine Berücksichtigung von grauer Energie im Ordnungsrecht oder im Bereich der Förderung


Projektnummer
Projektbeginn
12.2017
Projektende
02.2019
Projektstatus
abgeschlossen mit Bericht

Die Energieeinsparverordnung und die Debatten um die Energieeffizienz konzentrieren sich fast ausschließlich auf die benötigte Betriebsenergie während der Nutzungsphase der Gebäude. Die graue Energie, die den materialgebundenen Energieaufwand für einen festgelegten Zeitraum beschreibt, wird bei der Planung von Gebäuden meist vernachlässigt. Die Studie hat untersucht, wie die graue Energie bei einer ganzheitlichen Bilanzierung der Gebäudeenergie im Lebenszyklus berücksichtigt werden kann.Projektlaufzeit: Dezember 2017 – Mai 2018

Ausgangslage

Die Bundesregierung hat sich zum Ziel gesetzt, den Treibhausgasausstoß bis zum Jahr 2050 gegenüber 1990 um 80 bis 95% zu senken. Da im Gebäudebereich rund 40% der nationalen CO2-Emissionen entstehen, nimmt dieser bei der Erreichung der energie- und klimaschutzpolitischen Ziele eine zentrale Rolle ein. Ein nahezu klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050 mit energieeffizienten Gebäude und einem hohen Anteil an regenerativer Energieversorgung soll erreicht werden.

Aufgrund des reduzierten Energiebedarfs und der Nutzung erneuerbarer Energien liegt im Neubau der Fokus auch auf dem Energieaufwand für die Gebäudekonstruktion, der so genannten grauen Energie (vgl. die Ergebnisse des vom Umweltbundesamt geförderten Vorhabens "Energieaufwand für Gebäudekonzepte im gesamten Lebenszyklus").


Ziel des Projektes war es, Möglichkeiten aufzuzeigen, wie eine Lebenszyklusbetrachtung von Wohngebäuden im Ordnungsrecht oder im Bereich der Förderung berücksichtigt werden kann. Dies hat Auswirkungen auf bestehende Planungsprozesse und Nachweispflichten und erfordert Lösungen für eine entsprechende Nachweismethode.

Auftragnehmer des Forschungsprojektes war das Steinbeis-Transferzentrum für Energie-, Gebäude- und Solartechnik, Stuttgart in Kooperation mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, Stuttgart.

Konzept

Das vom Umweltbundesamt geförderte Vorhaben "Energieaufwand für Gebäudekonzepte im gesamten Lebenszyklus, FKZ 3715 41 111 0" bildet die Grundlage für die hier dargestellten Ergebnisse. Ziel des Forschungsvorhabens war die Analyse verschiedener Wohnungsbau-Gebäudetypen und -konzepte hinsichtlich des Energieaufwands im gesamten Lebenszyklus.

Für sechs Typgebäude im Neubau und Bestand wurden 400 Varianten mit verschiedenen Kombinationen aus Gebäudehülle und Anlagentechnik untersucht. Für die Variantenkombinationen wurden die Treibhausgasemissionen (GWP = CO2-Äquivalent), der nicht erneuerbare kumulierte Energieaufwand (KEAne) und die Jahresgesamtkosten ermittelt. Zentrale Empfehlungen für umweltpolitische Maßnahmen aus dem Vorhaben sind ein ressourcenschonendes Bauen im Lebenszyklus und die Neuausrichtung der Gebäudebewertung an Klimaschutzzielen mit der Einführung eines CO2-Labels für Gebäude.

Zu Beginn des Projektes wurden daher bestehende Bewertungssysteme im Wohnungsbau und deren Ziel- und Grenzwerte für unterschiedliche Wirkungskategorien analysiert. Aufgrund der unterschiedlichen Bilanzgrenzen (mit/ohne Nutzerstrom) und den zu Grunde liegenden CO2-Faktoren sind die existierenden Benchmarks nicht vergleichbar und können ohne eine weitere Überprüfung nicht als Benchmarks übernommen werden. Auf Basis des globalen 2°C-Ziels wurde unter Berücksichtigung weiterer Einflussfaktoren wie die Inanspruchnahme der Wohnfläche pro Person und einem individuellen Nutzerverhalten ein Vorschlag für einen künftigen Benchmark für den Wohnungsbau erarbeitet. Die Erreichbarkeit des Zielwertes wurde auf Basis der Variantenuntersuchung für verschiedene Typgebäude und Energiekonzepte unter aktuellen und künftigen Randbedingungen der Energiebereitstellung untersucht.

In einem zweiten Teil des Vorhabens wurde untersucht, inwieweit die Durchführung einer Lebenszyklusbetrachtung von Gebäuden im Rahmen einer Ökobilanz Auswirkungen auf bestehende Planungsprozesse und Nachweispflichten hat. Die Erfordernisse für eine Nachweismethode und die aktuell auf dem Markt zur Verfügung stehende bausoftwaretechnische Lösungen wurden dargestellt. Abschließend wurden Empfehlungen mit kurz- und mittelfristigen Maßnahmen zur Umsetzung der neuen Bewertungssystematik vorgeschlagen.

Das Projekt wurde in folgenden Arbeitsschritten bearbeitet:

1. Hauptaussagen und Randbedingungen aus dem Projekt FKZ 3715 41 111 0

  • Darstellung der Randbedingungen und Hauptaussagen
  • erste Empfehlungen für umweltpolitische Maßnahmen

2. Erfordernisse an Beurteilungsniveaus im Hinblick ordnungsrechtlicher Regelungen

2.1. Referenzierung und Benchmarking:

  • Existierende Benchmarks und Bewertungssysteme im Wohnungsbau
  • Bezugsgrößenanalyse
  • Erweiterte Randbedingungen und Bilanzgrenzen
  • Erste orientierende Benchmarks für den Wohnungsbau
  • Einfluss einer dynamischen Entwicklung der Energiebereitstellung

2.2 Möglichkeiten einer ordnungsrechtlichen Verankerung

  • Auswirkungen auf bestehende Planungsprozesse und Nachweispflichten
  • Erfordernisse für eine Nachweismethode und bausoftwaretechnische Lösung
  • Empfehlungen für eine weitere Vorgehensweise

Ergebnisse

Die Studie zeigt auf, welche Effekte die bisherige Vernachlässigung der "grauen Energie" bei Wohngebäuden hat und wie diese bei einer ganzheitlichen Bilanzierung der Gebäudeenergie im Lebenszyklus berücksichtigt werden kann. Unter "grauer Energie" werden dabei die energiebedingten Aufwendungen für die Herstellung, Instandsetzung und End of Life (EoL) der Baumaterialien verstanden. Neben dem nicht erneuerbaren kumulierten Energieaufwand (KEAne) wird hier vor allem auf die Auswirkungen hinsichtlich Klimawirksamkeit in Form der äquivalenten CO2-Emissionen (GWP 100) geachtet.

Wird nur die Bilanzgrenze der Energieeinsparverordnung (EnEV) betrachtet (Heizung, Warmwasser, Lüftung und Hilfsstrom im Gebäudebetrieb), liegt der Anteil "grauer Energie" in Bezug auf den Gesamtbedarf bei Neubauten nach EnEV-Standard bei etwa 30%. Bei verbesserten Gebäudeenergiestandards mit mehr Dämmung und Technik steigt der Anteil "grauer Energie" auf bis zu 40% an. Nullenergiegebäude können die CO2-Emissionen im Betrieb durch lokale, erneuerbare Stromerzeugung drastisch reduzieren. Bei Plusenergiegebäuden verbleiben bilanziell lediglich Emissionen im Umfang der Konstruktion.

Bei typischen Neubauten beträgt die "graue Energie" 10 bis 16 kgCO2-Ä./(m²Wfl.·a). Durch die Wahl der Baumaterialien und der Baukonstruktion kann der Anteil grauer Energie um 6 kg CO2-Ä./(m²Wfl.·a) reduziert werden. Hochgerechnet auf das jährliche Neubauvolumen könnten damit ca. 7 Mio. t CO2-Ä. jährlich eingespart werden. Um dieses Einsparpotenzial zu nutzen, ist es notwendig, Methoden der Ökobilanzierung in der Planungspraxis zu verankern. Die technische Umsetzung durch Kopplung entsprechender Softwareprogramme ist heute bereits möglich. Die vorhandene Datenbasis zu Produktinformationen muss jedoch ausgebaut und standardisiert werden. Bereits vereinfachte Ansätze einer Ökobilanzierung für Gebäude können das Verbesserungspotenzial aufzeigen. Die CO2-Vermeidungskosten unter Berücksichtigung der Mehrkosten für Bauweise und Ökobilanz belaufen sich auf etwa 180 €/tCO2.
Für die Bewertung innovativer Gebäudeenergiekonzepte bis hin zu klimaneutralen Gebäuden ist eine Erweiterung der Bilanzgrenze unumgänglich. Zusätzlich zum Gebäudeenergiebedarf nach EnEV muss der Nutzerstrom betrachtet werden, welcher bei sehr effizienten Gebäuden so hoch ist wie der Energiebedarf für Heizung und Warmwasser zusammen. Außerdem sind für klimaneutrale Gebäude häufig technische Anlagen mit gekoppelter Erzeugung von Wärme und Strom im Einsatz.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Vorgabe eines Gebäudeenergiestandards (EnEV, KfW, Passivhaus, Nullenergie, Plusenergie) kein Garant für eine Einsparung an CO2-Emissionen ist und daher die Wirkung hinsichtlich Klimaschutz ggf. verfehlt wird. Eine zukünftige Bewertung muss verpflichtend zum Primärenergiebedarf die CO2-Emissionen ausweisen. Weiterhin ist eine Umstellung auf absolute Zielwerte anstatt der Bewertung nach dem Referenzgebäudeverfahren anzustreben.

Ausgehend vom globalen 2 °C-Ziel wurde ein CO2-Zielwert für klimaneutrale Gebäude von 12 bis 17 kgCO2-Ä./(m²Wfl.·a) ermittelt. Grundlage ist eine Flächeninanspruchnahme pro Person von 40 m²Wfl./Person. Dieser CO2 -Zielwert ist mit den heute verfügbaren Techniken sowohl bei Bestandssanierungen als auch im Neubau erreichbar. Voraussetzung ist die konsequente Nutzung der solar verfügbaren Energie durch Photovoltaik am Gebäude und ein hoher Anteil regenerativer Wärmeerzeugung. Im Neubau kann die "graue Energie" durch den verstärkten Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen in der Tragkonstruktion (bspw. Holz-Leichtbauweise), alternative Materialien wie Geopolymere anstelle von Zement, Glasfaser- statt Stahlbewehrung und Dämmstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen weiter reduziert werden. Die Eignung und Verfügbarkeit dieser Substitutionsalternativen sind dabei im Einzelfall zu prüfen. Speziell im Bereich Photovoltaik muss das Herstellverfahren optimiert werden.

Über Maßnahmen am Gebäude hinaus muss die "Energie-Infrastruktur" dekarbonisiert, d.h. der Anteil kohlenstoffarmer und erneuerbarer Energieträger in den Strom-, Gas- und Wärmenetzen deutlich erhöht werden. Die Dynamik eines sich verändernden Energiemix im Betrachtungszeitraum muss bei Nachweisverfahren berücksichtigt werden. Durch eine veränderte Energiebereitstellung im Jahr 2050 mit einem hohen Anteil regenerativer Energien verschlechtern sich beispielsweise KWK-Varianten und Wärmepumpenlösungen erreichen mit die niedrigsten CO2-Emissionen.

Durch die Erweiterung der Bilanzgrenze unter Einbeziehung von "grauer Energie" und Nutzerstrom sowie der Umstellung der Bewertungsgröße von Primärenergie auf CO2-Emissionen kann kostenneutral bzw. mit geringen Mehrkosten von 4% pro Jahr eine Verbesserung der Klimaschutzwirkung um 75 bis 85 % erreicht werden.

Für die schnelle Umsetzung empfehlen die Autoren die Entwicklung einer vereinfachten Nachweismethode und die Förderung des Mehraufwandes in der Planung in der Einführungsphase. Mittelfristig sollte eine Anpassung der EnEV/GEG die genannten Aspekte berücksichtigen. Dieser neue ganzheitliche Ansatz für die Gebäudebewertung unterscheidet sich stark von der bisherigen Vorgehensweise. Die Rahmenbedingungen für eine ordnungsrechtliche Verankerung müssen im weiteren Verlauf geprüft werden.

Veröffentlichungen

Graue Energie im Ordnungsrecht/Förderung (Endbericht)
Mögliche Optionen für eine Berücksichtigung von grauer Energie im Ordnungsrecht oder im Bereich der Förderung
Download auf https://www.bbsr.bund.de/

Projektbeteiligte
Eckdaten
Schlagworte zum Projekt : Graue Energie, Förderung
Projekt auf der Webseite des BBSR : https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/5EnergieKlimaBauen/2017/graue-energie/01_start