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Produktions- und Beschäftigungseffekte von Bauinvestitionen

Projektbeschreibung

Projektbeteiligte

Eckdaten

Produktions- und Beschäftigungseffekte von Bauinvestitionen


Projektnummer
Projektbeginn
06.2020
Projektende
09.2022
Projektstatus
abgeschlossen ohne Bericht

Die Nachfrage nach Bauleistungen ist klassischer Anknüpfungspunkt für öffentliche Konjunkturprogramme, wie sie jüngst auch zur Milderung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie eingesetzt wurden. Das Forschungsprojekt hat untersucht, welche konjunkturstabilisierenden Wirkungen von einer zusätzlichen Nachfrage nach Bauleistungen zu erwarten sind und wovon deren Höhe abhängt.

Ausgangslage

Schwere konjunkturelle Krisen, in denen gesamtwirtschaftliche Produktion und Einkommen in kurzer Zeit drastisch einbrechen und die Zahl der Arbeitslosen rasant zunimmt, haben das Potential, die gesamtwirtschaftliche Entwicklung nachhaltig zu destabilisieren. Sie machen eine stabilisierende Intervention der Wirtschaftspolitik erforderlich. Ein Mittel dafür sind öffentliche Konjunkturprogramme. Anknüpfungspunkt solcher Programme ist häufig die Nachfrage nach Bauleistungen, nicht zuletzt, weil die öffentliche Hand selbst ein wesentlicher Träger von Bauinvestitionen ist und weil aufgrund des typischerweise lokalen Bezugs von Bauleistungen nur ein kleiner Teil der verausgabten Mittel über Importe in das Ausland abfließt.

Ziel

Das Forschungsprojekt hat untersucht, wie sich eine zusätzliche Nachfrage nach Bauleistungen auf die gesamtwirtschaftliche Produktion und die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung sowie auf die öffentlichen Finanzen auswirkt. Auslöser der gestiegenen Nachfrage war dabei entweder eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen oder ein Anstieg der privaten Bauinvestitionen aufgrund eines staatlichen Förderprogramms. Von Interesse war das Ausmaß der stabilisierenden Wirkung auf die gesamtwirtschaftliche Produktion und die gesamtwirtschaftliche Beschäftigung in Relation zum Einsatz öffentlicher Mittel unter Berücksichtigung aller gesamtwirtschaftlichen Rückwirkungen und im Zeitablauf. Darüber hinaus wurde untersucht, inwieweit die Stabilisierungswirkung von den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängt, insbesondere von der Positionierung der Geldpolitik und vom Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten im Baugewerbe.

Auftragnehmer des Projekts war Kiel Economics Research & Forecasting GmbH & Co. KG, Kiel.

Konzept

Die Produktions-, Beschäftigungs- und Budgetwirkungen gesamtwirtschaftlich orientierter Politikmaßnahmen, wie sie staatlich induzierte Ausweitungen und Förderungen der Bauinvestitionen darstellen, lassen sich nicht direkt beobachten. Zwar stellen die Volkswirtschaftliche Gesamtrechnung (VGR) und andere gesamtwirtschaftliche Rechenwerke die Daten zu den Zielgrößen zur Verfügung. Es bedarf aber eines Referenzsystems, das angeben kann, wie sich die Zielgrößen ohne den staatlichen Konjunkturimpuls entwickelt hätten. Dazu ist ein modellgestütztes Vorgehen erforderlich, welches der Analyse Klarheit und Disziplin verleiht und die statistische Prüfung von Hypothesen erlaubt. Dabei ist durch die Wahl und Ausgestaltung des Modells und die methodische Vorgehensweise sicherzustellen, dass die Wirkungen korrekt geschätzt werden.

In diesem Forschungsprojekt wird hierfür das D*-Modell von Kiel Economics verwendet, ein makroökonometrisches Strukturmodell für die deutsche Wirtschaft. Konzeptionell entspricht es neueren Modellen dieser Art, wie sie etwa mit dem FRB-US-Modell vom amerikanischen Federal Reserve Board oder dem ECB-BASE-Modell bei der Europäischen Zentralbank (EZB) verwendet werden.

Forschungsfragen

Im Vordergrund des Interesses standen die quantitativen Wirkungen einer staatlich induzierten zusätzlichen Nachfrage nach Bauleistungen auf die Gesamtwirtschaft. Dabei wurde vor allem Produktion und die Beschäftigung betrachtet, aber auch zahlreiche andere wichtige gesamtwirtschaftliche Größen sowie die Kosten, die damit für die öffentliche Hand einher gehen.

Untersucht wurden darüber hinaus die Bedingungen, unter denen die Wirkungen besonders stark oder besonders schwach ausfallen. Aus theoretischer Perspektive war hierbei die Positionierung der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank von großer Bedeutung. Bei normaler Konjunktur dürfte eine streng stabilitätsorientierte Geldpolitik einem expansiven finanzpolitischen Impuls aufgrund der davon ausgehenden preissteigernden Tendenzen entgegenwirken und ihn dämpfen. In einer schweren konjunkturellen Krise ist hingegen eher anzunehmen, dass die Geldpolitik diese Tendenzen hinnimmt oder sogar aus stabilitätspolitischer Sicht begrüßt. Durch die „Akkommodierung“ der Finanzpolitik wäre zu erwarten, dass die Wirkung des Impulses stärker ausfällt.

Ein anderer Aspekt betrifft die Rolle der Kapazitätsauslastung im Baugewerbe. In Deutschland sind seit geraumer Zeit die Kapazitäten im Baugewerbe stark ausgelastet, ein zusätzlicher Nachfrageimpuls könnte unter diesen Bedingungen zumindest direkt im Baugewerbe vor allem Preis- und nur geringe Produktions- und Beschäftigungseffekte auslösen. Im Rahmen des Projekts wurde untersucht, ob solche Preiseffekte den Einsatz der Bauinvestitionen als Instrument der gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung bei hohem Auslastungsgrad des Baugewerbes nennenswert beeinträchtigen können.

Öffentliche Bauinvestitionen können darüber hinaus gesamtwirtschaftliche Produktivitätseffekte entfalten, weil sich über ein verbessertes Angebot an öffentlichen Gütern die Produktivität der privaten Produktionsfaktoren erhöht. Eine höhere Produktivität des privaten Kapitals würde ihrerseits den Anreiz zu vermehrten privaten Investitionen setzen. Statt zu der häufig befürchteten Verdrängung privater durch öffentliche Investitionen käme es zu einer Stimulierung der privaten Investitionstätigkeit, auch als „Crowding-In“ bezeichnet. Diesem Aspekt wurde ebenfalls nachgegangen.

Ergebnisse

Ein auf die Bauinvestitionen fokussiertes Konjunkturprogramm in Höhe von 1 % in Relation zum Bruttoinlandsprodukt hat nach den hier vorgelegten Ergebnissen das Potenzial, das reale Bruttoinlandsprodukt im ersten Jahr seiner Wirksamkeit um 1,7 bis 1,9 % und im Jahr darauf um weitere 0,05 bis 0,4 % anzuheben bzw. zu stützen. Die Zunahme von Produktion und Einkommen fällt damit deutlich höher aus als die öffentlichen Mittel, die dafür aufgewendet werden müssen. In Zuge des Programms werden im ersten Jahr zwischen 735.000 (1,6 %) und 823.000 (1,8 %) Arbeitsplätze geschaffen bzw. erhalten und im zweiten Jahr nochmals zwischen 155.000 und 275.000. Ab dem dritten Jahr beginnen die Wirkungen nachzulassen; langfristig sind kaum Wirkungen feststellbar.

Der Stabilisierungseffekt lässt sich grundsätzlich über eine Anregung sowohl der öffentlichen als auch der privaten Bauinvestitionen erreichen. Im stabilisierungspolitisch relevanten Zeitfenster von ein bis drei Jahren wirken Ausgabenerhöhungen in beiden Bereichen gesamtwirtschaftlich in etwa gleich stark. Öffentliche Großprojekte haben allerdings häufig eine lange Planungs- und Genehmigungszeit, so dass es Monate oder Jahre dauert, bis ein nennenswertes Bauvolumen realisiert wird, was dem kurzfristigen Stabilisierungsbedarf in einer Krise entgegensteht. Dem steht der Vorteil gegenüber, dass sie nach den hier vorgelegten empirischen Ergebnissen für Deutschland längerfristig die Produktivität der übrigen Produktionsfaktoren und damit das Produktionspotenzial erhöhen; sie sind insofern mit einer Rendite für die öffentliche Hand und die Gesamtwirtschaft verbunden. Im stabilisierungspolitisch relevanten Zeitfenster spielen sie mit Wirkungen auf das reale Bruttoinlandsprodukt von 0,1 bzw. 0,2 im zweiten und dritten Jahr und keinem Effekt im ersten Jahr keine nennenswerte Rolle.

Relevant für die Stabilisierungswirkungen eines auf die Bauinvestitionen zielenden Konjunkturprogramms ist vor allem, wie sich die Geldpolitik positioniert. Den Untersuchungsergebnissen zufolge würde es zwar im ersten Jahr des Konjunkturprogramms den Verlauf von Produktion und Beschäftigung noch nicht nennenswert begünstigen, wenn die Geldpolitik auf Zinserhöhungen als Reaktion auf den expansiven finanzpolitischen Impuls verzichtet, diesen also „akkommodiert“, da die Zinsen relativ langsam auf die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wirken. Im zweiten Jahr fiele der Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts aber um 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte stärker aus und auch das Nachlassen der Wirkungen im dritten Jahre verliefe, insbesondere bei den privaten Bauinvestitionen, gedämpfter. Dazu passend wären die Beschäftigungseffekte des Konjunkturprogramms bei akkommodierender Geldpolitik stärker.

Projektbeteiligte
Eckdaten
Schlagworte zum Projekt : Investitionstätigkeit, Bauinvestitionen, öffentlich, privat, Konjunkturmodell, gesamtwirtschaftliche Effekte, gesamtwirtschaftliche Auswirkungen, Multiplikatoreffekte, Beschäftigungseffekte
Projekt auf der Webseite des BBSR : https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/1Wertschoepfung/2020/effekte-bauinvestitionen/01-start