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Konzepte zur empirischen Messung der Kapazitätsauslastung im Baugewerbe

Projektbeschreibung

Projektbeteiligte

Eckdaten

Konzepte zur empirischen Messung der Kapazitätsauslastung im Baugewerbe


Projektnummer
Projektbeginn
11.2015
Projektende
11.2015
Projektstatus
abgeschlossen ohne Bericht

Die Wirksamkeit von Investitionsprogrammen ist auch abhängig vom Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten in der Volkswirtschaft. Bei stark ausgelasteten Kapazitäten können z.B. staatliche Vorhaben eher Preiseffekte haben, während die erwünschten realwirtschaftlichen Impulse gering bleiben. Die derzeitige Informationslage hinsichtlich der Kapazitätsauslastung im Baugewerbe ist unbefriedigend. Ziel der Machbarkeitsstudie war daher die Prüfung ergänzender Methoden.Projektlaufzeit: August - November 2015

Ausgangslage

Daten zur Produktionskapazität der Baubranche und deren Auslastung sind wichtige Orientierungsgrößen für die Bauwirtschaft und die Politik. Die Kapazitätsauslastung einer Volkswirtschaft kann aber nicht beobachtet und muss deshalb geschätzt werden. Die amtliche Statistik stellt keine Daten zur Kapazitätsauslastung im Baugewerbe zur Verfügung. Seit vielen Jahren wird diese Lücke in der statistischen Abdeckung durch die Umfragen des Münchner ifo Instituts zum Kapazitätsauslastungsgrad in der Bauwirtschaft geschlossen. Zwar basierten die Ergebnisse auf Befragungen allein im Bauhauptgewerbe, da auf dieses aber früher der weitaus überwiegende Teil der gesamten Bauproduktion entfiel, konnten die Umfrageergebnisse lange eine hohe Repräsentativität für sich beanspruchen.

Für die zurückliegenden zehn Jahre kann dies allerdings nicht mehr uneingeschränkt gesagt werden. Das liegt auch daran, dass die Bedeutung des Bauhauptgewerbes abgenommen hat. Gingen auf dieses im Jahr 1985 noch knapp 80% des gesamten Umsatzes der Branche zurück, so waren es im Jahr 2014 nur noch 62%. Für die Beurteilung der Kapazitätsauslastung im gesamten Baugewerbe anhand der Umfrageergebnisse allein aus dem Bauhauptgewerbe wäre dies unproblematisch, wenn die Produktion im Bauhauptgewerbe annährend dieselbe Dynamik aufwiese wie die Produktion im Ausbaugewerbe. Während dies früher im Großen und Ganzen der Fall war, sind seit Mitte vergangener Dekade merkliche Unterschiede zwischen den jährlichen Zuwachsraten der Umsätze im Bauhauptgewerbe und der im Ausbaugewerbe festzustellen.

Ziel

Daten zur Produktionskapazität der Baubranche und deren Auslastung sind wichtige Orientierungsgrößen für die Bauwirtschaft und die Politik. Insbesondere lässt sich anhand des Auslastungsgrades frühzeitig ermessen, mit welchen Steigerungen bei den Baukosten mittelfristig zu rechnen ist. Weder die Produktionskapazität noch deren Auslastungsgrad werden jedoch derzeit von der amtlichen Statistik erfasst. Vor diesem Hintergrund wurde im Rahmen dieses Forschungsprojekts untersucht, welche Methoden in Frage kommen, um den Kapazitätsauslastungsgrad im Baugewerbe zu messen. Im Sinne einer Machbarkeitsstudie wurde dabei die praktische Umsetzbarkeit verschiedener Konzepte in die regelmäßige Erfassung des Auslastungsgrades analysiert. Neben Aspekten der Zuverlässigkeit, Aussagefähigkeit und Zeitnähe wurden dabei auch die Kosten der Methoden berücksichtigt.


Auftragnehmer des Forschungsprojektes war die Kiel Economics Research & Forecasting GmbH & CO. KG, Kiel.

Konzept

Zunächst wurde der Begriff der Kapazitätsauslastung näher analysiert. Anschließend wurde eine Übersicht über relevante Methoden zur empirischen Messung der Kapazitätsauslastung gegeben. Im dritten Arbeitsschritt wurden konkrete Vorgehensweisen für einige Methoden erläutert. Zudem wurde das Problem der Datenlage genauer analysiert und dabei ein eigener Methodenvorschlag vorgestellt.

Zusammenfassend wurden alle Verfahren hinsichtlich ihrer ökonomischen Plausibilität, empirischer Aspekte und ihrer Relevanz in gesamtwirtschaftlichen Modellen gegenübergestellt. Die Untersuchung mündete abschließend, basierend auf einer Abwägung von Eignung und Kosten, in einem konkreten Verfahrensvorschlag zur empirischen Messung der Kapazitätsauslastung im Baugewerbe.

Ergebnisse

Der Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten ist definiert als Verhältnis von tatsächlicher zu insgesamt möglicher Produktion. Er beschreibt also, zu welchem Prozentsatz die Kapazitäten durch die tatsächliche Produktion genutzt werden. Die mögliche Produktion wird begrenzt durch die zum jeweiligen Zeitpunkt zur Verfügung stehenden Mengen der Produktionsfaktoren Kapital und Arbeit und durch den Stand des technisch-organisatorischen Wissens.

In der Volkswirtschaftslehre spielt der Auslastungsgrad der Produktionskapazitäten vor allem in der Konjunkturforschung und der makroökonomisch orientierten Politik eine wichtige Rolle. Ein hoher Auslastungsgrad der gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten ist gleichbedeutend mit einer kräftigen Konjunktur. Aus prognostischer Sicht deutet er auf eine bevorstehende Beschleunigung des Lohn- und Preisauftriebs, auf tendenziell anziehende Kapitalkosten, auf einen Verlust preislicher Wettbewerbsfähigkeit im Ausland und auf zunehmende Risiken für die Finanzstabilität und für die öffentlichen Finanzen hin; mittelfristig lässt er eine Verlangsamung des Produktionsanstiegs erwarten. Für die Geldpolitik ist er ein Signal zur Straffung der monetären Rahmenbedingungen, für die Finanzmarktregulierung ein Zeichen intensiverer Beobachtung und ggf. Beschränkung der Kreditvergabe der Banken. Für die Finanzpolitik impliziert ein hoher gesamtwirtschaftlicher Auslastungsgrad, dass die verbesserte Lage der öffentlichen Haushalte teilweise oder vollständig konjunkturell bedingt und insofern vorübergehend ist, was Einfluss auf das öffentliche Ausgabe- und Einnahmeverhalten haben sollte. Sind die gesamtwirtschaftlichen Kapazitäten dagegen unterausgelastet, so gilt die Konjunktur als schwach, möglicherweise liegt sogar eine Rezession vor. In diesem Fall wären die prognostischen und wirtschaftspolitischen Konsequenzen entgegengesetzt zu ziehen.

Die gesamtwirtschaftlichen Produktionskapazitäten und deren Auslastung sind, genauso wie die Produktionskapazitäten und der Auslastungsgrad einzelner Branchen, nicht direkt beobachtbar, sondern müssen geschätzt werden. Dabei lassen sich direkte Verfahren, die auf Umfragen in den Unternehmen basieren von indirekten, die auf wirtschaftlichen Daten zu Produktion und Produktionsfaktoren aufsetzen, unterscheiden.

Nahezu alle indirekten Verfahren verwenden zur Schätzung der konjunkturneutralen Niveaus der untersuchten Größe verschiedene Varianten von Trendschätzungen. Sehr häufig kommen, trotz der angesprochenen Probleme dieser Vorgehensweise, Filterverfahren zum Einsatz, so etwa in den gängigen Produktionsfunktionsansätzen und natürlich bei den einfachen produktionsbasierten Verfahren. All diese Verfahren liefern für die Vergangenheit typischerweise relativ plausible, häufig miteinander mehr oder weniger übereinstimmende Werte. Sie sind damit für vergangenheitsorientierte Untersuchungen gut geeignet. Ihre Verwendung für die Beurteilung der Produktionskapazität bzw. deren Auslastungsgrads am aktuellen Rand ist jedoch problematisch. Denn jedes dieser Verfahren hat ein sogenanntes Endpunkt-Problem, d.h. die generierten Schätzwerte sind am Anfang und am Ende der verwendeten Zeitreihe mit stark erhöhter Schätzunsicherheit behaftet.

Direkte Verfahren befragen die Unternehmen, getrennt nach Wirtschaftszweigen, direkt nach dem Auslastungsgrad ihrer Produktionskapazitäten. Es handelt sich dabei allerdings nicht um Vollerhebungen, sondern um Stichproben, daher hat auch dieser Ansatz den Charakter einer Schätzung. Wichtig ist, dass die verwendete Stichprobe tatsächlich repräsentativ ist.

Die Datenlage im Baugewerbe gestattet die Anwendung verschiedener indirekter Schätzverfahren für die Kapazitätsauslastung. Eine produktionsbasierte Schätzung führt für die Vergangenheit zu plausiblen Schätzergebnissen. Ähnlich verhält es sich mit einer Schätzung auf Basis des Bauvolumens oder auf Basis eines etwas aufwendigeren kapitalstockorientierten Verfahrens. Alle Verfahren sind allerdings von der Instabilität am aktuellen Rand betroffen.

Die direkte, befragungsbasierte Methode ist für das Baugewerbe ebenfalls anwendbar. Daten liegen vom ifo Institut in langer Zeitreihe und hoher ökonomischer und empirischer Plausibilität vor. Allerdings wird das Ausbaugewerbe von den Umfragen nicht abgedeckt, ein Bereich dessen Bedeutung in den vergangenen Jahren stetig zugenommen hat, der zuletzt rund 40% der gesamten Bauproduktion ausmachte. Um den Repräsentationsgrad der Umfragen zur Kapazitätsauslastung im Baugewerbe zu verbessern, wäre eine Ausweitung der Umfrage auf Unternehmen des Ausbaugewerbes denkbar. Eine Schwierigkeit liegt bei dieser Vorgehensweise darin, zu vertretbaren Kosten repräsentative Ergebnisse zu erzielen, da die durchschnittliche Betriebsgröße im Ausbaugewerbe sehr klein ist.

Mit Blick auf die ökonomische Plausibilität und empirische Validität und Stabilität spricht somit alles für und nichts gegen die Umfragewerte. Derzeit ist die ifo Umfrage zur Kapazitätsauslastung im Baugewerbe allerdings nur eingeschränkt repräsentativ. Eine Erweiterung der Umfrage um das Ausbaugewerbe ist allerdings kostenintensiv und liefert außerdem in den ersten Jahren nur eingeschränkt interpretierbare Ergebnisse. Daher wird hier ein eigener Vorschlag gemacht, um zu besseren Schätzwerten für die Kapazitätsauslastung im Baugewerbe zu gelangen.

Dieser Vorschlag setzt bei einer Schätzung für das Ausbaugewerbe an, kommt aber ohne eine eigene Erhebung aus. Zentral ist die Annahme, dass das Wachstum der Produktionskapazität im Ausbaugewerbe am aktuellen Rand ähnlich der des Bauhauptgewerbes verläuft. Die Vorgehensweise ist zweistufig. Zunächst wird mithilfe eines der indirekten Verfahren oder einer Kombination dieser Verfahren die Produktionskapazität im Ausbaugewerbe bis 24 Monate vor den aktuellen Monat geschätzt. Im zweiten Schritt wird der Produktionsindex für das Bauhauptgewerbe zusammen mit dem Auslastungsgrad im Bauhauptgewerbe nach ifo genutzt, um die implizite Produktionskapazität gemäß der ifo Umfrage zu ermitteln. Im einfachsten Fall wird der Anstieg der impliziten Kapazität im Bauhauptgewerbe dann auf das Ausbaugewerbe übertragen. Eine etwas aufwendigere Variante berücksichtigt einen Korrekturfaktor für Kapazitätswachstumsunterschiede zwischen Haupt- und Ausbaugewerbe in der Vergangenheit; diese könnten sich an den auf der ersten Stufe ermittelten Wachstumsunterschieden in den nahe zurückliegenden Jahren orientieren.

Die Machbarkeitsstudie kommt zu der Empfehlung, die ifo Umfrage um das Ausbaugewerbe zu erweitern, um die Repräsentativität der Statistik zu erhöhen. Falls der finanzielle Aufwand für die Erweiterung der ifo Umfrage zu groß erscheint, sollten Schätzwerte für die Kapazitätsauslastung im Ausbaugewerbe durch eine Kombination der indirekten Verfahren und der Umfragewerte für das Bauhauptgewerbe ermittelt werden. Mithilfe dieser Schätzwerte könnte ein aussagekräftigerer Umfragewert für die Kapazitätsauslastung im Baugewerbe ermittelt werden. Ob dies tatsächlich gelingt, sollte ökonometrisch evaluiert werden.

Projektbeteiligte
Eckdaten
Schlagworte zum Projekt : Kapazitätsauslastung, Baugewerbe, Produktionskapazitäten
Projekt auf der Webseite des BBSR : https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/1Wertschoepfung/2015/konzepte-kapazitaetsauslastung/01_start