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Kapitalintensität und Arbeitsproduktivität im Baugewerbe

Projektbeschreibung

Projektbeteiligte

Eckdaten

Kapitalintensität und Arbeitsproduktivität im Baugewerbe


Projektnummer
Projektbeginn
08.2021
Projektende
11.2023
Projektstatus
abgeschlossen ohne Bericht

Die Produktivität der deutschen Bauwirtschaft entwickelt sich nicht zufriedenstellend. Im langjährigen Durchschnitt stagniert die Arbeitsproduktivität im Baugewerbe seit Jahrzehnten. Sie hat am gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt nicht teilgenommen. Das Forschungsprojekt hat die Hintergründe der Stagnation der Arbeitsproduktivität im Baugewerbe untersucht. Insbesondere wurde der Frage nachgegangen, ob die Investitionstätigkeit des Baugewerbes zu gering ist, so dass die Branche mit einer zu niedrigen Kapitalintensität arbeitet, und welche wirtschaftspolitischen Optionen die Investitionstätigkeit anregen könnten.

Ausgangslage

Seit 1991 hat sich das Produktivitätsniveau in der Bauwirtschaft auf Arbeitsstundenbasis gerechnet insgesamt nur um 7 % erhöht. In der Gesamtwirtschaft betrug der Anstieg hingegen 40 %, im produzierenden Gewerbe waren es 73 % und im Informations- und Kommunikationsgewerbe sogar fast 200 %. Die Bauwirtschaft hat am allgemeinen gesamtwirtschaftlichen Produktivitätsfortschritt praktisch nicht Teil genommen.

Ziel

Im Rahmen des Forschungsprojekts wurden die Hintergründe der Stagnation der Arbeitsproduktivität im Baugewerbe untersucht. Der Anstieg der Arbeitsproduktivität lässt sich einer gängigen Zerlegung zufolge als Summe des Anstiegs der Kapitalintensität, also der Kapitalausstattung je Arbeitsplatz bzw. „Arbeitsstundenplatz“, und des Anstiegs der (totalen) Faktorproduktivität (TFP) darstellen. Letzterer ist dabei nichts anderes als ein Sammelbegriff für all jene Produktivitätsveränderungen, die sich nicht durch Veränderungen der Kapitalintensität erklären lassen.

Für die Analyse der Produktivitätsentwicklung im Baugewerbe stellt die Frage nach der relativen Bedeutung von Kapitalintensivierung und TFP-Wachstum in der Branche einen geeigneten Ausgangspunkt dar. Ausgehend von dieser Zerlegung kann untersucht werden, was den Hintergrund der Produktivitätsentwicklung darstellt. Im Vordergrund steht dabei die Frage, ob die Investitionstätigkeit des Baugewerbes zu gering ist, und welche wirtschaftspolitischen Optionen gegebenenfalls zur Anregung der Investitionstätigkeit zur Verfügung stehen.

Auftragnehmer des Projekts war Kiel Economics Research & Forecasting GmbH & Co. KG.

Konzept

Ausgangspunkt des Forschungsprojekts war die Klärung der theoretischen Grundlagen. Gemäß neoklassischer Wachstumstheorie ist langfristig die (totale) Faktorproduktivität (TFP) der maßgebliche Treiber sowohl der Arbeitsproduktivität als auch der Kapitalintensität. In einem volkswirtschaftlichen Gleichgewicht mit TFP-bedingt höherer Arbeitsproduktivität sind eben auch das Einkommen und die Ersparnis höher als bei niedrigerer Produktivität, somit steht mehr Kapital für Investitionen zur Verfügung und auf diese Weise schlägt sich die höhere TFP auch in einer höheren Kapitalintensität nieder. Die Kapitalintensität ist dieser Theorie zufolge zwar durchaus maßgeblich für die Arbeitsproduktivität, sie stellt jedoch keinen eigenständigen Bestimmungsgrund für diese dar, sondern ist ein weiterer, indirekter Kanal, über den sich das TFP-Wachstum im Wachstum der Arbeitsproduktivität niederschlägt.

Aus der Theorie ergibt sich folgende Hypothese: Beobachtbare Unterschiede der Wachstumsrate der Arbeitsproduktivität – zwischen Wirtschaftszweigen, im Zeitablauf und/oder im internationalen Vergleich – resultieren entweder aus Unterschieden im TFP-Wachstum oder sie sind Ausdruck von Anpassungsprozessen in der Folge einer starken Veränderung makroökonomischer Umfeldgrößen. Letztere involvieren dabei immer auch deutliche Veränderungen der Kapitalintensität. Branchenunterschiede im Produktivitätswachstum dürften ein Beispiel für die erstere Ursache, also die „gleichgewichtigen“, TFP-basierenden, sein. Der deutliche Anstieg der Arbeitsproduktivität – in der Gesamtwirtschaft, aber auch im Baugewerbe – in den 1950er- und 1960er-Jahren und die folgende Verlangsamung des Produktivitätsanstiegs in den 1970er-Jahren dürften hingegen Ausdruck von Anpassungsvorgängen gewesen sein, nämlich der Knappheit von Kapitalgütern nach dem Krieg und deren sukzessiver Überwindung in den folgenden Dekaden. Gegenwärtig stellen der Zinsrückgang und der demographische Wandel wichtige Umfeldveränderungen dar, zukünftig dürfte der Klimawandel eine große Rolle spielen.

Mit theoretischen Grundlagen und empirischen Daten sollte ein umfassendes Datenbild des Wachstumsprozesses im Baugewerbe gezeichnet werden. Im Zentrum stand die Frage, wie sich die zentralen wachstumstheoretischen Variablen (Produktion/Wertschöpfung, Arbeitseinsatz, Kapitalstock/Investitionen) bzw. die daraus ableitbaren Kennzahlen (Arbeitsproduktivität, Kapitalintensität) entwickelt haben. Die Entwicklung im Baugewerbe wurde dabei mit den übrigen Wirtschaftszweigen in Deutschland, dem Baugewerbe in anderen Industrieländern und mit den Teilsparten des Baugewerbes (Bauhauptgewerbe vs. Ausbaugewerbe, Hochbau vs. Tiefbau) verglichen.

Forschungsleitfragen

Für die Studie waren verschiedene Forschungsfragen handlungsleitend:

  • Wie sind die theoretischen und empirischen Zusammenhänge zwischen Produktivität und Kapitalintensität?
  • Was treibt die Produktivität im Baugewerbe? Wie lässt sich deren Stagnation erklären?
  • Welche Rolle spielt die Kapitalintensivierung dabei?
  • Hängt der fehlende Produktivitätsfortschritt möglicherweise mit demographischen Veränderungen zusammen?
  • Sollte die Wirtschaftspolitik die Kapitalintensivierung und/oder den technisch-organisatorischen Fortschritt im Baubereich unterstützen und wenn ja, welche Instrumente sich dafür anbieten würden?

Ergebnisse

Unter welchen Voraussetzungen Unternehmen Investitionen vornehmen und welche Implikationen sich daraus für die Arbeitsproduktivität ergeben, ist Thema der neoklassischen Theorie des wirtschaftlichen Wachstums, die auf Robert Solow zurückgeht, der dafür den Nobelpreis erhielt. Ihre zentrale Einsicht lautet, dass die Entwicklung des Kapitalstocks je Beschäftigten bzw. je Beschäftigtenstunde nicht der maßgebliche Treiber des Wachstums der Arbeitsproduktivität sein kann. Ursache dafür ist die abnehmende Grenzproduktivität des Kapitals, also der Umstand, dass zusätzliche Einheiten an Ausrüstungsgütern, Bauten etc. den Ausstoß je Beschäftigten bzw. je Stunde zwar erhöhen, aber mit abnehmender Rate. Dauerhaftes Wachstum der Arbeitsproduktivität lässt sich unter diesen Bedingungen nur sicherstellen, wenn es durch eine andere Größe getrieben wird. Diese Größe wird als die Zunahme des technisch-organisatorischen Wissens verstanden.

Der Theorie zufolge müssen sowohl die Arbeitsproduktivität als auch die Kapitalintensität in langfristiger Betrachtung als Resultanten des gesamtwirtschaftlichen Wachstumsprozesses aufgefasst werden, hinter dem als einzige Triebkraft der technisch-organisatorische Fortschritt steht. Die Unternehmen investieren also nicht, um einen bestimmten Anstieg der Arbeitsproduktivität zu erreichen, vielmehr schafft das durch den technischen Fortschritt bedingte Wachstum der Arbeitsproduktivität die Ressourcen für eine bestimmte Zunahme der Kapitalintensität. Die Kapitalintensivierung ist insofern ein Transmissionskanal, über den der technische Fortschritt eine verstärkte Wirkung entfaltet, sie sitzt im Wachstumsprozess allerdings stets auf dem „Beifahrersitz“, die Richtung gibt der technische Fortschritt vor.

Im Rahmen einer empirischen Analyse kann die Untersuchung zeigen, dass zentrale Annahmen, die die neoklassische Wachstumstheorie über das Investitionsverhalten der Unternehmen macht, sich für das deutsche Baugewerbe bestätigen lassen. Insofern lassen sich die Überlegungen der Theorie auch auf das Baugewerbe anwenden. Demnach sind die geringe Arbeitsproduktivität und die geringe Kapitalintensität beides Symptome eines geringen oder ausbleibenden technischen Fortschritts in der Branche.

Hinter der Stagnation des technischen Fortschritts gemessen an der TFP im Baugewerbe verbirgt sich eine im Trend leicht rückläufige TFP im Ausbaugewerbe, die von einer geringfügig steigenden TFP im Bauhauptgewerbe ausgeglichen wird. Im Branchenvergleich ist das Baugewerbe nicht der einzige Wirtschaftszweig mit stagnierendem Fortschritt. Ein ähnliches Bild gibt es in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie, im Gastgewerbe und bei den Unternehmensdienstleistern. Geht man davon aus, dass der technische Fortschritt vor allem über die Erfindung und Verbreitung sogenannter Basisinnovationen erfolgt, dann dürfte es wirtschaftliche Aktivitäten geben, die stärker von einer bestimmten Basisinnovation profitieren und solche, die davon weniger profitieren – zumindest am Anfang, also nach Aufkommen der Innovation. Im Baugewerbe gab es Innovations- und Produktivitätsschübe in der Vergangenheit durch neue Bauweisen mit Stahl und Beton, durch die industrielle Vorfertigung von Gebäudeteilen oder ganzen Gebäuden sowie durch die Mechanisierung und Motorisierung. Von der Digitalisierung profitiert die Bauwirtschaft derzeit allerdings weniger als andere Wirtschaftszweige. Dies ist vermutlich weniger Ausdruck einer „Unlust“ seitens der Firmen, sich mit dem Thema zu beschäftigen, als ein Hinweis darauf, dass das Potenzial der Digitalisierung in diesem Bereich derzeit noch begrenzt ist und die bestehende Technologie hinreichende Dienste leistet.

Wirtschaftspolitische Schlussfolgerungen

Vor dem Hintergrund, dass die geringe Arbeitsproduktivität und Kapitalintensität der Branchen vor allem auf einen geringen bzw. ausbleibenden technischen Fortschritt in der Branche zurückgehen, wären wirtschaftspolitische Maßnahmen mit dem Ziel, die Produktivität im Baugewerbe durch eine Förderung des Kapitaleinsatzes zu stärken, nicht zielführend. Zwar ließe sich durch eine steuerliche Begünstigung von Investitionen im Baugewerbe, etwa durch höhere Abschreibungssätze für steuerliche Zwecke, die Kapitalintensität der Branche wohl erhöhen. Aber selbst, wenn man die schwerwiegenden finanz- und ordnungspolitischen Bedenken gegen eine solche Maßnahme nicht in Rechnung stellte, wäre davon abzuraten, weil dadurch zwar ein einmaliger Schub bei Kapitalintensität und Arbeitsproduktivität auszulösen wäre, aber keine dauerhaft höheren Zuwächse.

Ebenso fehl am Platz wären aber wirtschaftspolitische Maßnahmen zur Stimulierung des technischen Fortschritts. Um direkte Hilfen für einzelne Wirtschaftszweige zu geben, fehlt der Wirtschaftspolitik typischerweise das notwendige Wissen; dieses lässt sich nur von den im Wettbewerb stehenden Unternehmen „entdecken“. Die Wirtschaftspolitik unterstützt die notwendigen Innovationsprozesse am besten, indem sie auf gesamtwirtschaftlicher Ebene für ein innovations- und investitionsfreundliches Klima sorgt und die Grundlagenforschung fördert.

Davon abgesehen spricht einiges dafür, dass die Art und Weise des Produktionsprozesses des Baugewerbes durch die fragmentierte Firmenstruktur und die Besonderheiten des Nachfrage- und Ausschreibungsprozesses für Bauten Produktivitätsreserven impliziert. Möglich ist auch, dass diese Faktoren die rasche Übernahme von Innovationen behindern. Es ist denkbar, dass ein koordinierender Eingriff der Wirtschaftspolitik auf der Ebene der Rahmenbedingungen, etwa bei den Ausschreibungsverfahren oder im Haftungsbereich, diese Produktivitätsreserven heben helfen könnte. Denkbar ist auch, dass die absehbare stärkere Nutzung digitaler Formen der Zusammenarbeit, etwa die Verwendung Digitaler Gebäudemodelle, diese Koordination inklusive ihrer Produktivitätswirkungen mit sich bringen wird.

Projektbeteiligte
Eckdaten
Schlagworte zum Projekt : Kapitalintensität, Baugewerbe, Bauhauptgewerbe, Ausbaugewerbe, Investitionen, Arbeitsproduktivität, Produktivität
Projekt auf der Webseite des BBSR : https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/1Wertschoepfung/2021/kapitalintensitaet-baugewerbe/01-start