Eigenkapital im Baugewerbe


Projektnummer
Projektbeginn
09.2019
Projektende
08.2020
Projektstatus
abgeschlossen ohne Bericht

Die Untersuchung widmete sich der Eigenkapitalstruktur der Betriebe des Baugewerbes. Eine ausreichende Eigenkapitalausstattung ist ein wesentlicher Faktor für die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Branche und stellt eine wichtige Vorkehrung für Krisensituationen dar. Im Mittelpunkt der Untersuchung stand die Frage, wie sich das Eigenkapital des Baugewerbes vor dem Hintergrund der günstigen baukonjunkturellen Lage in den letzten Jahren entwickelt hat.

Ausgangslage

Ein Gutachten zum Eigenkapital im Baugewerbe aus dem Jahr 2006 hat gezeigt, dass die Eigenkapitalquote des Baugewerbes über viele Jahre gesunken ist und sich Mitte der 2000er-Jahre deutlich unter der Eigenkapitalausstattung von Unternehmen anderer Branchen bewegte. Von einer niedrigen Eigenkapitalquote waren vor allem kleine Betriebe des Baugewerbes betroffen, was diese besonders anfällig für Krisensituationen machte und zu Insolvenzen führte. Die Untersuchung von 2006 wurde vor dem Hintergrund einer schwachen Baukonjunktur durchgeführt, die einen wesentlichen Grund für die gesunkene bzw. niedrige Eigenkapitalausstattung des Baugewerbes darstellte.

Die Rahmenbedingungen zu Beginn des Jahres 2020 unterscheiden sich grundlegend von denen Mitte der 2000er-Jahre, da das Baugewerbe seit mehreren Jahren auf eine sehr gute baukonjunkturelle Situation zurückblicken kann. Daher stellt sich die Frage, ob und inwieweit die Eigenkapitalsituation der Betriebe des Baugewerbes insgesamt hiervon beeinflusst wurde und vor allem, ob die von geringen Eigenkapitalquoten geprägten kleinen Betriebe hiervon profitiert haben. Ebenso ist von Interesse, ob sich der Umgang der Betriebe mit dem Thema Eigenkapital verändert und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit insbesondere kleiner und mittlerer Betriebe des Baugewerbes erhöht bzw. die Krisenanfälligkeit verringert hat.

Ziel

Das Forschungsvorhaben sollte differenzierte Informationen zur Eigenkapitalsituation des Baugewerbes vor dem Hintergrund der guten baukonjunkturellen Rahmenbedingungen der letzten Jahre bereitstellen. Dabei ging es zum einen um eine Analyse der Rahmenbedingungen und Finanzierungssituation unterschiedlicher Betriebe des Baugewerbes selbst (Bauhaupt-/Ausbaugewerbe, Betriebsgröße, Rechtsform, Unternehmensphase etc.). Zum anderen sollten Vergleiche mit anderen Branchen und ein internationaler Vergleich gezogen werden.

Neben der Eigenkapitalsituation wurden die Hintergründe und Motive der Verantwortlichen der Betriebe für den Umgang mit der Eigenkapitalausstattung beleuchtet. Insgesamt sollten die wesentlichen Einflussfaktoren auf die Höhe und die Bewertung des Eigenkapitals sowie die Folgen von niedrigen Eigenkapitalquoten herausgearbeitet werden. Auf dieser Grundlage wurden Schlussfolgerungen gezogen und Handlungsempfehlungen erarbeitet.

Auftragnehmer war das IfS Institut für Stadtforschung und Strukturpolitik GmbH in Berlin.

Konzept

Die Forschungskonzeption basierte zunächst auf einer Literaturauswertung und Zusammenfassung vorhandener Studien und Arbeiten zu Thema Eigenkapital im Baugewerbe.

Zur Darstellung der gesamtwirtschaftlichen und baukonjunkturellen Rahmenbedingungen wurden volks- und betriebswirtschaftliche Kenngrößen auf Grundlage von Informationen der amtlichen Statistik und anderer Institutionen (z. B. Deutsche Bundesbank) aufgearbeitet und analysiert.

In einem weiteren Schritt wurden Informationen verschiedener Bilanzdatenbanken von Finanzierungsinstituten genutzt, um einen Überblick über die Eigenkapitalquoten unterschiedlicher Betriebe des Baugewerbes sowie anderer Branchen zu gewinnen.

Zusätzlich wurden die Ergebnisse von Unternehmensbefragungen mit dem Ziel einer vertiefenden Analyse zum Umgang der Betriebe mit ihrer Eigenkapitalsituation ausgewertet. Im Mittelpunkt stand hierbei die Auswertung einer von Creditreform Wirtschaftsforschung im Frühjahr 2020 durchgeführten Befragung mittelständischer Unternehmen, die Fragen zum Eigenkapital der Betriebe und zu ihrem Umgang mit der Eigenkapitalsituation enthielt.

Der Forschungsansatz orientierte sich in wesentlichen Teilen an der im Jahr 2006 erarbeiteten Studie zum Eigenkapital im Baugewerbe. Dadurch ließen sich Vergleiche zwischen zwei Zeitpunkten, die von unterschiedlichen baukonjunkturellen Phasen geprägt waren, herstellen sowie Unterschiede bei den Entwicklungen herausarbeiten.

Ergebnisse

Die Ergebnisse der Bilanzauswertungen haben gezeigt, dass sich die Eigenkapitalausstattung des Baugewerbes seit Anfang der 2000er-Jahre deutlich erhöht und die Finanzsituation der Baubetriebe grundlegend verbessert hat. Die Verbesserung erstreckte sich auf alle drei Sparten Hochbau, Tiefbau und Ausbaugewerbe. Alle Umsatzgrößenklassen des Baugewerbes haben ihre Eigenkapitalbasis spürbar gestärkt. Die unteren und mittleren Umsatzgrößenklassen, die Anfang der 2000er Jahre noch von besonders niedrigem bzw. fehlendem Eigenkapital gekennzeichnet waren, weisen aktuell sogar höhere Eigenmittelquoten auf als größere Unternehmen.

Trotz einer Annäherung liegt die Eigenkapitalquote des Baugewerbes (2018: 17,8%) deutlich unter der von Unternehmen aller Wirtschaftsbereiche (2018: 31,0%). Die gegenüber allen Unternehmen niedrigere Eigenkapitalquote beim Baugewerbe überzeichnet jedoch dessen ungünstigere Finanzierungssituation, was durch bankenübliche Bereinigungsverfahren, die bei der Bilanzanalyse angewandt werden, hervorgerufen wird.

Für die deutlich gestiegene Eigenmittelquote im Baugewerbe spielen mehrere Faktoren eine Rolle: Anfang der 2000er-Jahre dürften vor allem Betriebe mit geringer Eigenmittelbasis ausgeschieden sein und auf überlebende Betriebe mit schwacher Eigenmittelausstattung wurde seitens der Banken Druck aufgebaut, die Eigenkapitalbasis zu erhöhen. In der Folgezeit war entscheidend, dass sich mit der sich belebenden Baukonjunktur die Ertragslage des Baugewerbes spürbar verbessert hat, was den Betrieben ermöglichte und von diesen genutzt wurde, sukzessive Eigenkapital aufzubauen.

Die Bilanzauswertungen haben große Unterschiede der Eigenkapitalsituation der Bauunternehmen unabhängig von Sparte, Größe, Rechtsform und Region aufgezeigt: Innerhalb der Teilgruppen existieren neben Unternehmen mit relativ hohen auch Unternehmen mit niedrigen Eigenkapitalquoten.

Im internationalen Vergleich unter neun europäischen Ländern zeigt sich, dass in allen Ländern die Eigenkapitalquoten des Baugewerbes unter denen aller Unternehmen liegen (wenngleich mit sehr unterschiedlichem Abstand). Deutschland hat bei der Höhe der Eigenkapitalquote des Baugewerbes gegenüber vielen der anderen Länder seit Anfang der 2000er-Jahre aufgeholt, weist jedoch nach wie vor die niedrigste Eigenkapitalquote aller Länder auf. In anderen großen europäischen Ländern wie Italien und Frankreich ist sie jedoch nicht sehr viel höher.

Nach der im Frühjahr 2020 von Creditreform Wirtschaftsforschung durchgeführten KMU-Befragung haben sich zusätzlich zur wirtschaftlichen Lage und Eigenkapitalausstattung mittelständischer Baubetriebe auch Haltungen und Handlungsweisen beim Thema Eigenkapital gegenüber Mitte der 2000er-Jahre verändert. Die günstige baukonjunkturelle Entwicklung hat zu einer wesentlich besseren Bewertung der Geschäftslage (gut/sehr gut: 2004 13%, 2020 81%) und zu der Einschätzung geführt, dass sich nur noch sehr wenige Baubetriebe selbst in einer Krisensituation sehen (2004 28%, 2020 5%). Dabei unterscheiden sich Bauhaupt- und Ausbaugewerbe im Jahr 2020 nur unwesentlich.
Die Befragungsergebnisse deuten zudem darauf hin, dass gegenüber Mitte der 2000er-Jahre sowohl das Bewusstsein hinsichtlich der Wichtigkeit und Notwendigkeit eines professionellen Umgangs mit der Eigenkapitalplanung als auch der Wissensstand bei den Baubetrieben gestiegen sind.

Die in den letzten Jahren insgesamt deutlich verbesserte Eigenkapitalausstattung der Baubetriebe hat auch dazu geführt, dass Investitionsentscheidungen relativ selten von aktuellen Finanzierungskonditionen abhängig gemacht werden, weil die Investitionen häufig aus eigenen Erträgen bzw. Eigenkapital und unabhängig von den Banken finanziert werden können. Niedrige Eigenkapitalquoten wirken sich dagegen dahingehend aus, dass seltener Investitionen geplant werden.
Ein Teil der Betriebe plant eine Erhöhung der Eigenkapitalquote, obwohl diese von ihnen nicht als zwingend erforderlich angesehen wird. Viele Baubetriebe haben die günstige Baukonjunktur der letzten Jahre zum Aufbau von Eigenkapital genutzt (auch über das ihrer Ansicht nach unbedingt nötige Maß hinaus) und einige wollen dies vorsorglich weiterhin tun. Sie verfolgen diese Strategie, um möglichst unabhängig von Fremdfinanzierung zu sein, strategische Spielräume für das eigene Handeln zu gewinnen und auf Krisensituationen gut vorbereitet zu sein.

Insgesamt hat die Untersuchung gezeigt, dass das Baugewerbe in Deutschland Anfang des Jahres 2020 insbesondere im Vergleich zu Anfang bzw. Mitte der 2000er-Jahre beim Eigenkapital relativ gut aufgestellt ist. Es ist zu erwarten, dass sich die bisherige günstige Baukonjunktur aufgrund der durch die Corona-Pandemie verursachten Wirtschaftskrise künftig eintrüben wird. In welchem Umfang dies stattfinden wird, ist noch weitgehend offen.

Projektbeteiligte
Eckdaten
Schlagworte zum Projekt : Eigenkapital, Baugewerbe, Finanzierung, Konjunktur, Betriebe
Projekt auf der Webseite des BBSR : https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/1Wertschoepfung/2019/eigenkapital-baugewerbe/01-start