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Entwicklung einer Strategie zur Unterstützung des Energieeinsparverhaltens von Nutzern in Büro- und Verwaltungsgebäuden

Projektbeschreibung

Projektbeteiligte

Eckdaten

Entwicklung einer Strategie zur Unterstützung des Energieeinsparverhaltens von Nutzern in Büro- und Verwaltungsgebäuden


Projektnummer
Projektbeginn
12.2017
Projektende
01.2020
Projektstatus
abgeschlossen mit Bericht

Ein energiesparendes Nutzerverhalten kann den Energieverbrauch in öffentlichen Gebäuden bis zu 30 Prozent senken. Ziel des Forschungsprojekts war es, alltagstaugliche und leicht umsetzbare Strategien zur Beeinflussung bzw. Optimierung des Energieeinsparverhaltens der Nutzerinnen und Nutzer zu erarbeiten und die praktische Anwendbarkeit dieser Strategien zu untersuchen.Projektlaufzeit: Dezember 2017 - Juni 2019

Ausgangslage

Um die Energieeffizienz von Büros und Bürogebäuden zu steigern, werden viele technische Lösungen entwickelt und angewandt. Die tatsächliche Wirksamkeit und Nachhaltigkeit dieser Maßnahmen entsprechen allerdings häufig nicht den Erwartungen. Insbesondere bei der Energieeffizienz in Bürogebäuden ist die tatsächlich erreichte Nachhaltigkeitsleistung technikzentrierter Effizienzmaßnahmen oft geringer als die vorhergesagte Leistung.

Dies liegt vor allem daran, dass der Einfluss von Nutzerinnen und Nutzern auf den Gebäudebetrieb – Angestellte, Gebäudeeigentümerinnen und -eigentümer, Gebäudemanagerinnen und -manager etc. – nicht beachtet wird. Alltägliche Verhaltensmuster und Routinen führen vielfach zu Rebound-Effekten, die Energie verbrauchen und damit Kosten verursachen. Studien zeigen, dass durch die gezielte Veränderung des Nutzerverhaltens ein wesentlicher Beitrag zur Reduktion des Energieverbrauchs und damit zum Erreichen der Klimaziele in Bürogebäuden geleistet werden kann.

Ziel

Ziel des Forschungsprojekts war es, Strategien zur Beeinflussung und Optimierung des Energieeinsparverhaltens von Nutzerinnen und Nutzern in Büro- und Verwaltungsgebäuden zu erarbeiten. Mithilfe sozialempirischer Methoden wurden Möglichkeiten zur Unterstützung des Energieeinsparverhaltens eruiert, wobei die Nutzerakzeptanz und eine dauerhafte intrinsische Motivation im Fokus der Betrachtung standen.

Das Monitoring des Raumklimas in den Büros ermöglichte zudem die Validierung der Strategien anhand quantitativer Indikatoren. Die erarbeiteten Strategien zur Beeinflussung bzw. Optimierung des Energieeinsparverhaltens der Nutzerinnen und Nutzer wurden auf ihre praktische Anwendbarkeit hin untersucht und zusammenfassend einer Potenzialabschätzung unterzogen.

Auftragnehmer des Forschungsprojektes war das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie (WI) in Zusammenarbeit mit der EBZ Business School – University of Applied Sciences, Bochum.

Konzept

Das Konzept gliederte sich in vier aufeinanderfolgende Arbeitspakete, die in zwei Gebäuden des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) durchgeführt wurden (Stresemannstraße 128-130, Alt- und Neubau; Krausenstraße 17-20).

In Arbeitspaket 1 wurden mithilfe einer explorativen Recherche und eines Screenings bisher durchgeführter Ansätze, Studien und Projekte bezüglich der Beeinflussung des Nutzerverhaltens in Büro und Verwaltungsgebäuden Strategien zur Unterstützung des Energiesparverhaltens von Nutzerinnen und Nutzern sondiert. Anschließend wurden die Strategien analysiert, geclustert und bewertet. Ziel dieses Arbeitspakets war die Erarbeitung erfolgsversprechender und im konkreten Projekt umsetzbarer Maßnahmen zur Beeinflussung/Optimierung des Energieeinsparverhaltens der Nutzer.

In Arbeitspaket 2 wurden die erarbeiteten und ausgewählten Strategien hinsichtlich ihrer praktischen Anwendbarkeit sowie ihrer potenziellen Wirksamkeit im Rahmen eines Pilottests überprüft und bewertet. Dafür wurden im BMU in Berlin 20 leitfadengestützte Tiefeninterviews durchgeführt. Die Bewertung der Strategien durch die Teilnehmenden wurden anschließend analysiert. Die in den Interviews erfassten Barrieren und Chancen möglicher Strategien wurden in einem zweiten Schritt in Fokusgruppenworkshops vertieft und diskutiert. Parallel dazu wurde das Nutzerverhalten durch ein Monitoring des Raumklimas in teilnehmenden Büros dokumentiert. Die Ergebnisse des Monitorings wurden ausgewertet und mit in die Analyse einbezogen.

Arbeitspaket 3 umfasste die Auswertung der Ergebnisse und die Bewertung der identifizierten und diskutierten Strategien mithilfe einer SWOT-Analyse. SWOT ist ein Akronym für Strength (Stärken), Weaknesses (Schwächen), Opportunities (Chancen oder auch Gelegenheiten) und Threats (Risiken oder auch Gefahren). Die SWOT-Analyse zielt darauf ab, Handlungsempfehlungen für verschiedene Fragestellungen zu entwickeln, um Verbesserungspotenziale auszunutzen. Ausgangspunkt bildeten die Ergebnisse der Interviews, des Monitorings und des Fokusgruppenworkshops.

Die aufbereiteten Projektergebnisse wurden innerhalb der Heizperiode 2018/2019 genutzt, um ein breiter angelegtes Monitoring im Alt- und Neubau des Gebäudes in der Stresemannstraße zu verfolgen, erste Interaktionsstrategien mit den Beschäftigten umzusetzen und eine gemeinsame Gesamtstrategie für Dienstgebäude des BMU weiter auszuarbeiten. Im Rahmen einer Projektaufstockung erfolgten zunächst eine Teilnehmendenrekrutierung sowie die Installation eines Raumklima-Assistenzsystems und einer Livedatenplattform. Parallel dazu erfolgten eine Onlinebefragung und die vierwöchige Abfrage des persönlichen Wohlbefindens. Im Anschluss erfolgte die Querauswertung der erhobenen Ergebnisse.

Das gesamte Projekt mit seinen Arbeitspaketen, Vorgehensweisen und Methoden sowie den Ergebnissen wurde in Arbeitspaket 4 in einem Endbericht zusammengefasst (Download unter "Veröffentlichungen"). Auf Basis weiterer fachlicher Inputs vom Auftraggeber und von Experten wurde außerdem eine Potenzialabschätzung der Strategien vorgenommen.

Ergebnisse

In den untersuchten Gebäuden wurde eine Bestandsaufnahme der Energieeffizienz sowie des Nutzerverhaltens durchgeführt. Darauf aufbauend wurden potenzielle Energieeinsparstrategien erprobt. Die zentralen Ergebnisse des Projekts:

  • Die Anforderungen an das Raumklima sind individuell.
  • Feedbacksysteme fördern energieeffizientes Verhalten am Arbeitsplatz.
  • Eine nutzerzentrierte Betriebsführung setzt erhebliche Einsparpotenziale frei.

Die Anforderungen an das Raumklima sind individuell

Die Projektergebnisse zeigen, dass die Anforderungen an das Raumklima individuell sind. Nutzerinnen und Nutzer möchten ein individuelles Komfortniveau einstellen können. Wird dieses nicht erreicht, führt das zu einer Unzufriedenheit und im Falle von zu kalten Temperaturen zu Beschwerden beim Facility Management. In diesem Zusammenhang haben Nutzer in der Regel mehrere Möglichkeiten, ihr Raumklima zu individualisieren: Entweder wird die Wunschtemperatur am Thermostatventil oder dem Raumtemperaturregler eingestellt oder ein möglicherweise vorhandener Überschuss aus Raumwärme wird durch das Öffnen des Fensters "weggelüftet".

In den untersuchten Gebäuden verfügen alle Räume über eine Einstellmöglichkeit der Raumtemperatur. Es fällt jedoch auf, dass die Thermostate in einigen Büros nicht nutzerfreundlich angebracht sind (schlechte Zugänglichkeit) und das Verständnis über die entsprechenden Funktionen begrenzt ist. Deshalb werden diese im Wesentlichen zum Ein- und Abstellen und nicht zur Feinabstimmung der Heizung genutzt. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, überschüssige Wärme im Falle von zu hohen Raumtemperaturen über ein geöffnetes Fenster zu kompensieren.

Feedbacksysteme fördern energieeffizientes Verhalten am Arbeitsplatz

Die Untersuchungen zeigen, dass die Nutzer keine Möglichkeit haben, transparente Messwerte zum Raumklima in ihren Büros abzurufen. Da das Temperaturempfinden je nach Person unterschiedlich wahrgenommen wird und tagesabhängigen Schwankungen unterliegt, sind entsprechende Feedbacksysteme von besonderer Bedeutung. Dies scheint insbesondere für die Kommunikation zwischen technischem Personal und Büronutzenden relevant zu sein. Da sich die Kommunikation in den meisten Fällen an individuellen Beschwerden orientiert, können Feedbacksysteme und entsprechende (Online-)Abfragen helfen, vergleich- und messbare Raumtemperaturen für Nutzer sichtbar werden zu lassen sowie das technische Personal über die Gesamtzufriedenheit zu informieren und damit dauerhaft zu entlasten.

Darüber hinaus ist das Lüftungsverhalten eine wesentliche Einflussgröße, mit der Nutzer den Energieverbrauch einer Immobilie beeinflussen. An kalten Tagen, an denen eine Beheizung der Büros stattfindet, ist es energetisch sinnvoll, Lüftungsvorgänge zeitlich auf maximal 5 bis 10 Minuten zu begrenzen. Das Fenster sollte wieder geschlossen werden, sobald eine niedrige CO2-Konzentration, d. h. ein CO2-Niveau von ca. 750 ppm, erreicht wird. Wird das Fenster auch nach Unterschreiten dieses Werts nicht geschlossen, so trägt der Lüftungsvorgang nur noch geringfügig zur Verbesserung der CO2-Konzentration bei, die Raumtemperatur sinkt jedoch weiter ab. Ein frühzeitiges und an das CO2-Niveau angepasstes Schließen des Fensters verhindert eine nicht notwendige Abkühlung des Raums und spart damit Heizenergie. In den untersuchten Fällen gab es keine Mess- oder Anzeigegeräte, mit denen sich energieeffizientes Lüften unterstützen ließ. Im Vergleich zum Temperaturempfinden lässt sich die Luftqualität deutlich schlechter schätzen, was die Notwendigkeit von entsprechenden Feedbacksystemen unterstreicht.

Auf Grundlage dieser Beobachtungen wurde in der Messperiode 2018/19 das Assistenzsystem "Piaf" eingesetzt. Piaf gibt den Nutzern auf Basis der gemessenen CO2-Konzentration Lüftungsempfehlungen. Dazu leuchtet eine integrierte LED in einer der CO2-Konzentration entsprechenden Roten oder Blauen Farbe. Zusätzlich pulsiert die LED in ihrer Intensität und stilisiert damit eine Atmung. Das akustische Signal, das bei Unterschreitung des festgelegten Zwitscher-Schwellwerts von 750 ppm CO2 ertönt, fungiert als Aufforderung, den Lüftungsvorgang zu beenden und das Fenster zu schließen. Die Projektergebnisse zeigen, dass technische Assistenzsysteme einen großen Einfluss auf die Dauer und den Zeitpunkt von Lüftungsintervallen haben können. Bei der Auswertung des Messzeitraums 2018/19 ist am angepassten Lüftungsverhalten eine deutliche Reaktion auf das Assistenzsystems Piaf erkennbar. Wenngleich bereits eine hohe Anzahl von Lüftungsvorgängen schon bei einer CO2-Konzentration von ca. 1000 ppm detektierbar sind, erfasst der Algorithmus viele Vorgänge in Übereinstimmung mit dem gewünschten Verhalten.

Eine nutzerzentrierte Betriebsführung setzt erhebliche Einsparpotenziale frei

Es zeigte sich, dass in den untersuchten Gebäuden keine gemeinsame Energieeffizienzstrategie umgesetzt wird. Vielmehr scheinen die Nutzerinnen und Nutzer in den Büros eine intuitive Individualstrategie zu verfolgen, die auf Basis ihrer routinierten Erfahrungswerte beruht. Obwohl das Wissen und die Motivation um energieeffizientes Verhalten am Arbeitsplatz auf Seiten der Befragten vergleichsweise hoch sind, scheint die Umsetzung geeigneter Maßnahmen durch einseitige Interaktion und Kommunikation erschwert zu sein. Ein etwaiger Grund dafür kann beispielsweise die Interaktion und Kommunikation zwischen Büronutzern und technischem Personal darstellen, die sich in der Regel an individuellen Problemfällen orientiert und aufgrund dessen ein stark negativ geprägtes Feedback dominiert. Darüber hinaus wird ein zielführender Austausch über Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz dadurch erschwert, dass die individuellen Verbrauchswerte und die tatsächlichen Wohlfühlzonen aufgrund fehlender Feedbacksysteme nur mit sehr viel Aufwand für das technische Personal und für die Nutzerinnen und Nutzer von Büros sichtbar gemacht werden können.

Vor diesem Hintergrund wird vorgeschlagen, die Betriebsführungsstrategie hinsichtlich einer nutzerzentrierten Effizienzstrategie umzustellen. Diese sollte die unterschiedlichen Gebäudenutzer (z.B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Facility Management, Gebäudeeigentümer) integrieren und eine Interaktion durch unterschiedliche Feedbacksysteme ermöglichen (bspw. Raumluftqualität, individuelle Performance, Wohlfühlzone, Vergleichsdaten) sowie Möglichkeiten gemeinschaftlicher Anreize und Wettbewerbe schaffen.

Die im Rahmen des Projekts umgesetzten Maßnahmen haben gezeigt, dass ein energieeffizienteres Nutzerverhalten in Kombination mit einer nutzerzentrierten Betriebsführung der Anlagentechnik den Energieverbrauch im BMU um bis zu 20 Prozent senken kann. Langfristig ist es jedoch erforderlich, ein Gesamtsystem einer nutzerzentrierten Betriebsführung für das BMU zu entwickeln, welches die Verzahnung unterschiedlicher Methodenbausteine erlaubt. Da technische und soziale Interaktionen in enger Beziehung zueinander stehen und sich wechselseitig beeinflussen, können diese nur unter einer sozio-technischen Betrachtung ihrer gemeinsamen Dynamik miteinander in Einklang gebracht werden. Diese richtet sich explizit an die Identifikation fehlerhafter (teilw. gewollten) Einstellungen der Anlagentechnik, nicht energieeffizientem Nutzerverhalten und an die Kommunikationswege zwischen Büronutzenden und Facility Management.

Veröffentlichungen

Entwicklung einer Strategie zur Unterstützung des Energieeinsparverhaltens von Nutzern in Büro- und Verwaltungsgebäuden (Endbericht)
Download auf https://www.bbsr.bund.de/

Projektbeteiligte
Eckdaten
Schlagworte zum Projekt : Energieeinsparverhalten, Nutzerverhalten, Büro- und Verwaltungsgebäude, öffentliche Gebäude, Energieverbrauch
Projekt auf der Webseite des BBSR : https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/5EnergieKlimaBauen/2017/nutzerverhalten/01-start