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Wissenschaftliche Begleitung des Pilotvorhabens des BMUB zur Adjudikation

Projektbeschreibung

Projektbeteiligte

Eckdaten

Wissenschaftliche Begleitung des Pilotvorhabens des BMUB zur Adjudikation


Projektnummer
Projektbeginn
03.2018
Projektende
04.2022
Projektstatus
abgeschlossen ohne Bericht

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Ausgangslage

Streitige Auseinandersetzungen sind Normalität in Bauprojekten jeder Art, Größe und Komplexität. Sie führen dabei meist zu zeitlichen Verzögerungen, zusätzlichen Kosten und einem erhöhten Aufwand für alle Beteiligten. Es gilt daher entweder Streitigkeiten zu vermeiden oder diese so effektiv wie möglich zu lösen.

Klassischerweise werden Streitigkeiten in Bauprojekten, die die Parteien nicht eigenständig lösen können, vor Gericht ausgetragen. Um lange Prozesslaufzeiten, Verzögerungen im Bauablauf und hohen Kosten zu vermeiden, gewinnt die außergerichtliche Streitbeilegung an Beliebtheit und stellt eine Alternative zur ordentlichen Gerichtsbarkeit dar. Gegenstand des Forschungsvorhabens ist die Adjudikation, die neben der Mediation, der Schlichtung, dem Schiedsgericht und dem Schiedsgutachten eines der fünf bekannteren außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren darstellt.

In Adjudikationsverfahren werden Streitigkeiten mittels eines neutralen, sachverständigen Dritten gelöst: dem Adjudikator/der Adjudikatorin, der/die eine (vorläufig) bindende Entscheidung innerhalb einer kurzen Frist von wenigen Wochen trifft. Die Person der/s Adjudikatorin sollte über technische, kaufmännische und rechtliche Kenntnisse verfügen, um eine fundierte Entscheidung zur Streitfrage fällen zu können. Die Entscheidung der/s Adjudikatorin bleibt solange bestehen, bis eine Partei zur nachträglichen Klärung der Streitfrage ein ordentliches Gericht oder ein vertraglich vereinbartes Schiedsgericht anruft. Damit kann die Adjudikation eine zumindest vorläufige Befriedung der Baustelle erreichen und weitere Verzögerungen im Bauablauf sowie die damit verbundenen Folgen verhindern.

Trotz der in der Literatur beschriebenen Vorteile des Einsatzes der Adjudikation für eine außergerichtliche Streitbeilegung ist die Verwendung des Verfahrens in Deutschland noch nicht weit verbreitet. Auch eine gesetzliche Regelung der Adjudikation existiert nicht. International agierende Unternehmen sind nicht selten mit der Adjudikation vertraut, da das Verfahren im anglo-amerikanischen Rechtskreis durchaus gebräuchlich ist. In England ist die Adjudikation seit 1998 gesetzlich eingeführt: Der „Housing Grants, Construction and Regeneration Act 1996“ gibt allen Beteiligten in Bauprojekten das Recht, die Durchführung eines Adjudikationsverfahrens vor der Einschaltung ordentlicher Gerichte auch gegen den Willen der anderen Partei zu verlangen.

Ziel

Vor diesem Hintergrund wurde die Adjudikation als Streitlösungsmechanismus für eine Bundesbaumaßnahme im Rahmen eines Pilotvorhabens beschlossen, um das Erfordernis, den Prozess und die Ergebnisse der Adjudikation zu erproben. Als Pilotvorhaben wurde der Neubau des Deutschen Wetterdienstes in Potsdam ausgewählt, eine große Bundeshochbaumaßnahme des Brandenburgischen Landesbetriebs für Liegenschaften und Bauen (BLB). Das Projekt wurde im Zuge dieses Forschungsvorhabens wissenschaftlich begleitet und seine Ergebnisse dokumentiert.


Auftragnehmer war der Lehrstuhl für Infrastruktur- und Immobilienmanagement (IIM) der Technischen Universität Braunschweig zusammen mit der KPMG Law Rechtsanwaltsgesellschaft mbh.

Konzept

Untersuchungsmethoden

Die Effekte der Vereinbarung der Adjudikation in einem Bauprojekt auf den Bauablauf und auf die Kosten sowie der grundsätzliche Bedarf für derartige Regelungen sollten anhand des Pilotvorhabens untersucht werden. Hierzu wurden verschiedene Adjudikationsmodelle für unterschiedliche Gewerke/-gruppen vereinbart:

In Modell 1 wurde für den erweiterten Rohbau ein Adjudikator vorgegeben und die „ad-hoc-Adjudikation“ verbindlich im Bauvertrag vereinbart. Die Vereinbarungen mit dem Adjudikator und die Verfahrensregeln waren bereits Teil der Vergabeunterlagen.

In Modell 2 wurde die „Stand-by-Adjudikation“ verbindlich für Gewerke des Technischen Ausbaus vorgesehen, hier mit vorgegebenem Adjudikatoren-Team („standing board“).

In Modell 3 wurde den Auftragnehmern von verschiedenen Ausbaugewerken in den Vergabeunterlagen die „ad-hoc-Adjudikation“ lediglich angeboten, d.h. es stand den Parteien frei, sich im Konfliktfall eine/n Adjudikatorin zu wählen und zu beauftragen, oder ein Gericht anzurufen. Ziel dieser optionalen „Ad-hoc-Adjudikation“ war es zu untersuchen, unter welchen Voraussetzungen mittelständische Unternehmen Interesse an der Adjudikation zeigen.

Im Zuge der Analyse der Adjudikation im Pilotvorhaben wurden Interviews und Onlinebefragungen durchgeführt sowie Vergabeunterlagen und die Baustellenkommunikation ausgewertet. So sollte ermittelt werden ob und bei welcher Art von Streitigkeiten die Adjudikation angewendet wird und wie effizient die Streitlösung durch die Adjudikatoren erfolgt. Des Weiteren sollte ermittelt werden, ob durch die Adjudikation eine Befriedung der Baustelle erreicht werden konnte und welche Mehr- oder Minderkosten durch den Einsatz entstanden. Modell 3 sollte zudem zeigen, unter welchen Voraussetzungen der Mittelstand Interesse an der Adjudikation zeigt und ob die Einigung auf eine/n Adjudikator/in im Konfliktfall gelingt.

Ergebnisse

Während des Untersuchungszeitraums des Forschungsnehmers im Pilotvorhaben wurde von den Parteien in keinem Fall die Adjudikation beantragt. Daher können keine Aussagen und Schlussfolgerungen zum Einsatz der Adjudikation im Konfliktfall getroffen werden.

Dennoch konnten verschiedene Erkenntnisse zur Vereinbarung der Adjudikation in einem Bauprojekt der öffentlichen Hand und allgemein zum Thema der Adjudikation gewonnen werden.

So zeigte sich im Zuge der Online-Befragungen und Interviews zum einen, dass die Unternehmen bisher keine Erfahrungen mit einer außergerichtlichen Streitbeilegung bzw. Adjudikation hatten. Die Kenntnisse der Auftragnehmer beruhten auf den Vergabeunterlagen und Gesprächen im Rahmen des Bauauftrages sowie auf Rückfragen etwa bei Rechtsanwälten oder der Handelskammer. Mit den Ausschreibungsunterlagen hatten die Bieter der verschiedenen Gewerke zusätzliche Informationen bzw. Unterlagen zur Adjudikation erhalten, wie unter anderem ein Informationsblatt zur Adjudikation, eine Adjudikationsvereinbarung und ein Muster für einen Adjudikatorenvertrag auf Basis der SL-Bau. Der Auftraggeber beschrieb im Informationsblatt die wesentlichen Aspekte des geplanten Adjudikationsmodells und gab für die Modelle 1 und 2 auch eine Einschätzung der zu erwartenden Kosten (28.300 Euro je Fall „ad-hoc“, in Modell 2 zudem 2.434 Euro/Monat für das standig board).

Eine Weiterbildung zum Thema Adjudikation wurde von den Unternehmen bis dato nicht absolviert und zu dem gegebenen Zeitpunkt als nicht notwendig angesehen. Die Projektleitung der Auftraggeberin für die Adjudikation hingegen hatte sich weitreichende Kenntnisse zur Adjudikation angeeignet.

Die Beauftragung der Adjudikatoren und die Erstellung der Vergabeunterlagen für die Bauverträge stellte die Auftraggeberin vor Herausforderungen: Einerseits war die Kostenschätzung problematisch, da die Anzahl der konkreten Adjudikationsfälle ungewiss war, zum anderen ist die Anzahl verfügbarer Adjudikator/innen in Deutschland noch gering. Die Auftragnehmer ihrerseits empfanden die Kostenschätzung als wenig valide für ihre Kalkulation.

Die Befragung der Projektbeteiligten behandelte auch deren Erwartungen an die Adjudikation:

Durch den Einsatz des Streitschlichtungsverfahrens wurde von nahezu allen Beteiligten eine schnellere Klärung von Streitigkeiten mit einem geringen Aufwand für möglich erachtet. Zudem wurde die Adjudikation vor allem bei Bauvorhaben mit Generalunternehmer(GU)-Verträgen als sinnvoll eingeschätzt. Teilweise sahen Beteiligte die Adjudikation in Bauvorhaben als sinnvoll an, da bei ernsthaftem Interesse der Parteien an der Streitbeilegung gute und schnelle Ergebnisse erzielt werden könnten. Diese Aussagen standen in gewissem Widerspruch zu den Abläufen dieses Projektes und waren eher theoretischer Natur. Von Auftraggeberseite wurde angemerkt, dass Baustreitigkeiten in Gerichtsverfahren über zwei Instanzen durchaus auch in weniger als zwei Jahren entschieden werden, was die zeitlichen Vorteile der Adjudikation schmälerte. Darüber hinaus seien die Kosten, bestehend aus den Verfahrenskosten und Kosten für einen Rechtsbeistand des Auftragnehmers, für die Adjudikation ähnlich hoch wie bei Gerichtsverfahren.

Projektbeteiligte
Eckdaten
Schlagworte zum Projekt : Baumaßnahmen, Bauprojekte, Streitigkeiten, Streitfrage, Streitbeilegung, Adjudikation
Projekt auf der Webseite des BBSR : https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/3Rahmenbedingungen/2018/adjudikation/01-start