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Inhalte

Lieferketten in der deutschen Bauwirtschaft

Projektbeschreibung

Projektbeteiligte

Eckdaten

Lieferketten in der deutschen Bauwirtschaft


Projektnummer
Projektbeginn
08.2022
Projektende
12.2023
Projektstatus
abgeschlossen ohne Bericht

Die Materialknappheit von Roh- und Grundstoffen sowie Vorleistungsgütern war in den Jahren 2021/22 eine der größten Herausforderungen der Bauwirtschaft. Gründe waren die Nachwirkungen der Corona-Pandemie und der Krieg gegen die Ukraine, die sich auf die globalen Logistikketten ausgewirkt haben. Die Studie untersuchte deshalb die internationalen Verflechtungen der Wertschöpfungskette Bau.

Ausgangslage

Trotz Corona-Pandemie entwickelte sich das deutsche Baugewerbe 2020 und 2021 positiv. Während die Nachfrage im Bausektor im Verlauf der Pandemie konstant stark war, wirkten sich diverse COVID-19-Restriktionen negativ auf Lieferketten und die Verfügbarkeit von Baumaterialien aus. Diese Entwicklungen haben in Kombination dazu geführt, dass die Preise für Grundmaterialien wie Holz, Stahl und Dämmstoffe kurzfristig erheblich anstiegen. Hinzu kamen eine weitere Verschärfung der Lieferengpässe und deutlich gestiegene Energiepreise aufgrund des Kriegs gegen die Ukraine, wovon nach Analysen von Oxford Economics vor allem die energieintensiven Sektoren Chemie, Verkehr und die Bauwirtschaft betroffen waren. Seit Beginn der Erhebungen im Jahr 1991 gaben noch nie so viele deutschen Bauunternehmen an, dass Materialknappheit bzw. Kapazitätsengpässe ihre Bautätigkeit behindern, wie im Mai 2022 – das zeigt die monatliche Erhebung des Business Surveys der Europäischen Kommission.

Die weltweiten Lieferengpässe führen nicht nur zu Verzögerungen von Bauvorhaben, sondern könnten auch weitere Baupreissteigerungen bewirken. In Kombination mit gestiegenen Energiepreisen stellen sie außerdem ein Hemmnis für die gesamtwirtschaftliche Erholung dar.

Ziel

Ziel des Forschungsvorhabens war es, die internationale Verflechtung der Branche zu untersuchen und strategische Abhängigkeiten zu identifizieren. Zudem wurden Handlungsempfehlungen abgeleitet, welche die Abhängigkeiten von einzelnen kritischen Beschaffungsmärkten reduzieren und damit die Resilienz der Baubranche weiter erhöhen kann.

Auftragnehmer war Oxford Economics.

Konzept

Forschungsleitfragen

Die Studie untersuchte folgende Kernfragen zu den Lieferketten in der deutschen Baubranche:

  • Welche Vorleistungsgüter sind relevant und wie haben sich deren Preise in den letzten Jahren entwickelt?
  • Wo gab es in der Vergangenheit Lieferengpässe und welche Konsequenzen hatten diese?
  • Wie ist die Importabhängigkeit des deutschen Bausektors zu bewerten?
  • Welche Handlungsoptionen zur Erhöhung der Resilienz von Lieferketten lassen sich aus der Analyse ableiten?

Forschungskonzeption, -ansatz und -methodik

Die Untersuchung ermittelte mittels einer quantitativen Datenanalyse die wichtigsten importierten Vorleistungen und ihre Preisentwicklung und analysierte im Detail zentrale Handelsströme. Vergangene Lieferengpässe und ihre Folgen wurden identifiziert und dargestellt. Zudem wurde herausgearbeitet, welche Indikatoren den Zustand der Lieferketten abbilden können. Die Analyse stützte sich dabei auf verschiedene Datenbanken wie die Input-Output-Tabellen der OECD, die UN-Comtrade-Datenbank und die PRODCOM-Datenbank der EU.

In einem zweiten Schritt fand eine qualitative Analyse basierend auf Expertengesprächen statt. Sie vertiefte die Datenanalyse und konnte weitestgehend Lücken der quantitativen Erhebung füllen und zusätzliche Zusammenhänge verdeutlichen. Der Fokus lag auf Lieferengpässen bei einzelnen Produkten, Abhängigkeiten von einzelnen Zulieferunternehmen und Unternehmenscharakteristika, welche die Vulnerabilität für Lieferunterbrechungen beeinflussen können. Des Weiteren trugen die Expertengespräche dazu bei, Handlungsoptionen zur Erhöhung der Resilienz von Lieferketten auszuarbeiten.

Ergebnisse

In den Jahren 2021/22 stellten sowohl die Corona-Pandemie als auch der Krieg gegen die Ukraine Unternehmen in der Bauwirtschaft – wie auch in anderen Sektoren – vor erhebliche Herausforderungen. Die Auswirkungen für Lieferketten, die oftmals global vernetzt und sehr diversifiziert sind, waren in ihrem Ausmaß historisch und bis dato einmalig. Die Disruptionen in der Lieferkette führten in der Bauwirtschaft unter anderem zu Preissteigerungen, Unterbrechungen in der Fertigung und damit einhergehend längeren Wartezeiten oder einem Auftragsstau, der sich wiederum aus den Engpässen bei Materialien und der länger dauernden Umsetzung von Bauprojekten ergab. Auf die vergangenen Lieferkettenstörungen hatten Unternehmen unter anderem mit einer Erhöhung der Lagerhaltung, der Erschließung neuer Lieferanten und – wo möglich – der Anpassung der Produktion an geänderte Verfügbarkeiten reagiert, beispielsweise durch eine andere Reihenfolge in der Fertigung oder die Substitution bestimmter Güter durch andere, besser verfügbare Produkte.

Ein zentraler Grund für die 2021/22 durchlebten Störungen der Materialverfügbarkeit sind die globalen Verflechtungen der Lieferkette Bau. Im Jahr 2018 generierte die deutsche Bauwirtschaft 40 % der eigenen Bruttowertschöpfungen durch importierte Leistungen im Ausland. Während die Globalisierung grundsätzlich Kosten- und Effizienzvorteile mit sich bringt, kann sie zu erhöhten Risiken und Vulnerabilitäten innerhalb der Lieferkette führen. Diese globalen Verflechtungen können insbesondere dann zu Problemen führen, wenn sie Vorleistungsprodukte betreffen, die sehr zentral im Fertigungsprozess sind (also zum Beispiel Vorprodukte für andere Güter) und/oder nur von wenigen verschiedenen Quellen bezogen werden, aus Länden stammen, die geopolitische Risiken aufweisen und schlecht substituierbar sind.

Weitere branchenspezifischen Eigenschaften, die zu einer hohen Vulnerabilität führen, sind unter anderem eine hohe Komplexität der Fertigung, die zu einer Vielzahl an benötigten Produkten führt. In Kombination mit geringen Lagerkapazitäten und einem niedrigen Standardisierungsgrad ist etwa Lagerhaltung oft schwer möglich, weshalb sich Unterbrechungen der Lieferkette sehr unmittelbar auf die Produktionsfähigkeit niederschlagen.

Die Gütertypen, die in der Studie als besonders vulnerabel eingestuft wurden, sind insbesondere energieintensive Produkte (z. B. Erdgas, Erdöl, Bitumen) sowie Produkte, die unmittelbar aus fossilen Energieträgern bestehen (z. B. Zement, Stahl). Demgegenüber standen Produkte, die etwa aufgrund der hohen Substituierbarkeit oder flächendeckenden Verfügbarkeit als unkritisch einzuordnen waren, zum Beispiel Masse-Baustoffe wie Steine und Erden. Auch verschiedene Elektronikprodukte wie beispielsweise Wärmepumpen sind tendenziell anfällig für Störungen der Lieferkette.

Die Resilienz von Unternehmen gegenüber Lieferkettendisruptionen wird aus einer Kombination verschiedener Eigenschaften determiniert: strukturelle Abhängigkeiten von bestimmten Gütertypen, branchenspezifischen Eigenschaften, zum Beispiel hinsichtlich der Standardisierung von Bauprozessen und Substituierbarkeit einzelner Produktarten, und dem unternehmensinternen Lieferkettenmanagement, das beispielsweise durch den Grad an Digitalisierung beeinflusst wird. Gerade dem systematischen Lieferkettenmanagement kam von Seiten vieler Bauunternehmen allerdings bisher eine eher geringe Bedeutung zu. Dies schränkt die Möglichkeiten ein, im Zweifelsfall schnell und rechtzeitig auf einsetzende Lieferkettenstörungen reagieren zu können.

Der Studie zufolge ordneten viele Unternehmen die jüngsten Unterbrechungen in der Lieferkette als einmalige Ereignisse ein. Obwohl die Wahrscheinlichkeit eines erneuten Eintretens derselben Ereignisse gering ist, kann diese Schlussfolgerung dennoch zu Schwierigkeiten führen. Aufgrund verschiedener Faktoren – sich verändernder geopolitischer Rahmenbedingungen, erhöhter Energieabhängigkeit bei gleichzeitig zunehmender Notwendigkeit der Dekarbonisierung von Fertigungsprozessen etc. – ist davon auszugehen, dass Lieferketten auch in Zukunft vulnerabel und anfällig für Störungen sein können. Daher ist es für Unternehmen ratsam, Lieferkettenmanagement als zentralen Bestandteil ihrer Unternehmensstrategie zu interpretieren und Maßnahmen zur Entwicklung der langfristigen und strukturellen Resilienz zu ergreifen. Darüber hinaus ist ein funktionierendes Lieferkettenmanagement ein zentraler Wettbewerbsvorteil, da die Verfügbarkeit von Rohstoffen in der Bauwirtschaft inzwischen ein entscheidender Wettbewerbsfaktor geworden ist.

Projektbeteiligte
Eckdaten
Schlagworte zum Projekt : Lieferketten, Bauwirtschaft, Wertschöpfungskette Bau, Materialknappheit, Vorleistungsgüter, internationalen Verflechtungen, Unterbrechung, internationale Verflechtungen, Handelsbeziehungen
Projekt auf der Webseite des BBSR : https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/jahr/2022/lieferketten-bauwirtschaft/01-start