Zurück

Inhalte

Mittelfristprognose der Preise für Bauleistungen

Projektbeschreibung

Projektbeteiligte

Eckdaten

Mittelfristprognose der Preise für Bauleistungen


Projektnummer
Projektbeginn
09.2019
Projektende
07.2021
Projektstatus
abgeschlossen ohne Bericht

Die Kapazitäten im deutschen Baugewerbe werden seit mehreren Jahren immer stärker beansprucht. Angesichts des regelrechten Baubooms in Deutschland verlief die Entwicklung der Baupreise jahrelang vergleichsweise moderat. Mittlerweile gehört diese relative Ruhe aber der Vergangenheit an. In den letzten beiden Jahren hat sich der Preisauftrieb merklich beschleunigt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, welche Entwicklung bei den Baupreisen für die kommenden Jahre zu erwarten ist. Im Rahmen des Forschungsprojekts wurde eine Methodik erarbeitet, mit der die Preise für Bauleistungen über bis zu fünf Jahre prognostiziert werden können. Die Prognose ist regelmäßig unterjährig aktualisierbar. Neben Punktprognosen wird auch die Prognoseunsicherheit mit abgebildet werden.

Ausgangslage

Die Kapazitäten im deutschen Baugewerbe werden seit mehreren Jahren immer stärker beansprucht. Mit knapp 78 % lag der Auslastungsgrad im Jahr 2020 nur wenig unter seinem Rekordwert vom Jahreswechsel 2017/2018. Nie zuvor seit Beginn der Erhebung im Jahr 1963 war die Bauwirtschaft stärker ausgelastet als in den zurückliegenden beiden Jahren. Planer und Architekten klagen bereits seit geraumer Zeit über stark zunehmende Schwierigkeiten, Bauhandwerker für Projekte zu gewinnen. Schon jetzt sind die begrenzten Kapazitäten der Bauwirtschaft ein merkliches Produktionshemmnis.

Angesichts des regelrechten Baubooms in Deutschland verlief die Entwicklung der Baupreise jahrelang vergleichsweise moderat. Zwischen 2011 und 2016 erhöhten sich die Preise für neue Bauten im Durchschnitt um 2,3 % pro Jahr und damit nur rund einen halben Prozentpunkt stärker als die gesamtwirtschaftlichen Erzeugerpreise. Mittlerweile gehört diese relative Ruhe aber der Vergangenheit an. In den letzten Jahren hat sich der Preisauftrieb merklich beschleunigt. Allein 2018 und 2019 zogen die Preise für Bauleistungen – bei weiterhin sehr moderatem gesamtwirtschaftlichem Preisauftrieb – um stattliche 4,7 % bzw. 4,4 % gegenüber dem Vorjahr an.

Ziel

Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich die Baupreise in den kommenden Jahre entwickeln. Die sehr hohe Kapazitätsauslastung der Bauwirtschaft und die sehr niedrigen Zinsen sprechen dafür, dass die Preise weiter anziehen werden. Aus dieser qualitativen Indikation eine quantitative Vorhersage abzuleiten, ist allerdings alles andere als trivial. Diese Aufgabe stand im Mittelpunkt des Forschungsprojekts.

Konkret bietet das Projekt eine Prognose der Preise für Bauleistungen für die Jahre 2020 bis 2025. Die Prognose ist regelmäßig aktualisierbar, auch unterjährig. Neben den Punktprognosen wird auch die Prognoseunsicherheit im Sinne von stochastischen Szenarien über den Prognosehorizont abgebildet.


Auftragnehmer des Forschungsprojekts war Kiel Economics Research & Forecasting GmbH & Co. KG, Kiel.

Konzept

Klassischerweise werden kurz- bis mittelfristige Prognosen makroökonomischer Größen wie Baupreise mithilfe von makroökonometrischen Strukturmodellen vorgenommen. Ein modellgestütztes Vorgehen verleiht dem Prognoseprozess Klarheit und Disziplin, erlaubt die statistische Prüfung von Hypothesen über vermutete Zusammenhänge und ermöglicht die Ableitung aussagefähiger statistischer Indikationen über die Prognoseunsicherheit.

Ein dynamisches ökonometrisches Strukturmodell gestattet die simulative Untersuchung komplexer gesamtwirtschaftlicher Wirkungszusammenhänge und es plausibilisiert und automatisiert die Ableitung von Prognosen für praktisch alle relevanten Größen aus Gesamtwirtschaft und Kapitalmarkt – sowohl über die kurzfristige konjunkturelle Perspektive als auch über einen mittelfristigen Zeitraum. Es ermöglicht darüber hinaus die Konstruktion ökonomisch fundierter Szenarien und Wahrscheinlichkeitsverteilungen für diese Größen.

Die Grundlage der vorliegenden Prognose bildet ein strukturelles ökonometrisches Zeitreihenmodell, in dem mehrere Ansätze zur Prognose der Baupreise umgesetzt wurden. Das Modell ist jedoch gegenüber den großen makroökonometrischen Strukturgleichungsmodellen vereinfacht und auf den Untersuchungszweck fokussiert. Struktureller Startpunkt war eine für das Baugewerbe adaptierte Neukeynesianische Phillips-Kurve. Die Prognose der Baupreise wurde zusätzlich durch eine Gleichung ergänzt, welche die Baupreise in Abhängigkeit von drei Größen erklärt, nämlich

  • dem Grad der Kapazitätsauslastung in der Bauwirtschaft – genauer gesagt, dem Anteil der freien Kapazitäten – gemäß den Umfragen des ifo Instituts im Bauhauptgewerbe
  • der allgemeinen Preisentwicklung gemessen am Deflator des Bruttoinlandsprodukts
  • den Lohnstückkosten im Baugewerbe sowie
  • den Preisen für importierte Rohstoffe und Vorprodukte gemessen am Deflator der Importe.

Damit sind die wesentlichen Determinanten einer jeden Branchenpreisentwicklung beschrieben. Eine solche wird immer sowohl durch branchenspezifische als auch durch gesamtwirtschaftliche Größen beeinflusst.

Forschungsleitfragen

Für die Studie waren verschiedene Forschungsfragen handlungsleitend:

  • Welche Ansätze zur Prognose der Baupreise in Deutschland gibt es? Wie sind diese zu bewerten?
  • Wie lassen sich die technisch-ökonomisch gegebenen Verzögerungsbeziehungen in der Bauwirtschaft optimal zur Prognose ausnutzen?
  • Inwieweit lässt sich die Reichweite der Prognose durch die Ausnutzung von Prognosen anderer Institutionen inklusive der Finanzmärkte verbessern?
  • Mit welchen statistisch-ökonometrischen Methoden lassen sich die am aktuellen Rand verfügbaren Daten am effektivsten fortschreiben?
  • Wie lässt sich der zu erwartende Prognosefehler der Prognose abschätzen?

Ergebnisse

Zur Entwicklung der Baupreise

Die Preise für Bauten sind, gemessen am Deflator der Bauinvestitionen, im historischen Mittel (1950 bis 2019) mit 3,7 % um einen Prozent stärker gestiegen als das gesamtwirtschaftliche Preisniveau gemessen am Deflator des Bruttoinlandsprodukts. Bauten werden also in der Tendenz im Vergleich zu anderen Gütern und Dienstleistungen teurer. Dieser Trend steht im Gegensatz zum Rückgang der relativen Preise der Ausrüstungsgüter.

Maßgeblich hierfür dürfte sein, dass letztere stärker vom technischen Fortschritt, insbesondere bei elektronischen Bauteilen, profitieren und die Güter zudem international gehandelt werden. Der Produktivitätsfortschritt bei Bauleistungen ist hingegen sehr gering und zudem werden diese hauptsächlich lokal produziert. Bei Lohnanstiegen am Bau auf gesamtwirtschaftlichem Niveau müssen unter diesen Bedingungen Bauten gegenüber anderen Gütern und Dienstleistungen teurer werden.

Produktivitätsdifferenzen aufgrund eines unterschiedlichen Mechanisierungs- und Automatisierungsgrades der Produktion dürften auch hinter den langfristigen Trends bei den Preisen der Bausparten und -gewerke stehen. So ziehen die Preise für Hochbauten stärker an als die für Tiefbauten und innerhalb des Hochbaus werden Bauinstallationsleistungen relativ teurer. Ebenfalls relativ zu anderen Bauleistungen teurer werden die Leistungen für Bauplanung inklusive der Gebühren für die Leistungen der öffentlichen Verwaltung; die Produktivitätsfortschritte der Digitalisierung werden hier möglicherweise durch komplexere Aufgabenstellungen und Regulierungen kompensiert.

Regionale Unterschiede in der Entwicklung der Baupreise haben sich vor allem nach der Wiedervereinigung gezeigt und zuletzt am aktuellen Rand. Ungefähr seit dem Jahr 2002 ist ein weitgehend einheitlicher Anstieg der Baupreise in den Bundesländern zu beobachten. Am aktuellen Rand steigen die Baupreise vor allem im Norden und Osten sowohl im Hochbau als auch im Tiefbau stärker als im Süden und Westen des Bundesgebietes.

Prognose der Baupreise bis 2025

Vonseiten der aktuellen gesamtwirtschaftlichen und demografischen Prognosen ist eine Beruhigung der Baukonjunktur angelegt. Allerdings erhält die Baunachfrage weitere Anregungen von der Finanzierungsseite, denn die modellgestützte Prognose des langfristigen Zinsniveaus sieht eine Fortsetzung des Zinsrückgangs bis 2022 vor; erst danach steigen die Zinsen demografisch bedingt etwas. Unter diesen Vorgaben wird sich die Nachfrage nach Bauleistungen zunächst weiter beschleunigen, bevor der Anstieg der Zinsen und damit der Kapitalnutzungskosten zu einer Stabilisierung der Baugenehmigungen führt. Die Produktionskapazitäten im Baugewerbe dürften daher vorläufig weiter stark ausgelastet bleiben, bevor der Auslastungsgrad zum Ende des Prognosezeitraums zu sinken beginnt.

Dämpfende Impulse auf den Baupreisanstieg kommen von den nominalen Preisdeterminanten. Maßgeblich ist dabei der gesamtwirtschaftliche Preisauftrieb, der in den kommenden Jahren den Prognosen zufolge um rund einen halben Prozentpunkt niedriger ausfallen wird als in den Jahren 2019 und 2020. Zu Beginn des Prognosezeitraums kommt als weiterer dämpfender Faktor der zurückliegende starke Rückgang der Preise für importierte Vorleistungen infolge der weltweiten Rezession hinzu. Die durch diese Faktoren angelegte Verlangsamung des Auftriebs der Baupreise vermag durch den – infolge des rezessionsbedingten Einbruchs der gesamtwirtschaftlichen Arbeitsproduktivität – prognostizierten stärkeren Anstieg der Lohnstückkosten in der Bauwirtschaft nicht ausgeglichen zu werden.

In den Jahren 2021 und 2022 dürfte der Deflator der Bauinvestitionen nur um rund 1 bzw. 0,5 % pro Jahr steigen. Danach beschleunigt sich der Preisauftrieb am Bau mit dem Anziehen des gesamtwirtschaftlichen Preisanstiegs und dem Wegfallen der preissenkenden Impulse durch den Einbruch der Importpreise wieder etwas. Eine Wiederkehr der hohen Anstiegsraten der Jahre 2018 und 2019 lässt sich allerdings bei einer Irrtumswahrscheinlichkeit von fünf Prozent für den gesamten Prognosezeitraum aus-schließen. Die Phase stark steigender Baupreise dürfte vorerst vorbei sein.

Schlussfolgerungen

Zentrales Ergebnis der Untersuchung ist, dass es tatsächlich möglich ist, die Baupreise über einen Zeitraum von fünf Jahren zu prognostizieren. Diese Aussage gilt zumindest in dem Sinne, dass der hier entwickelte Prognoseansatz in der Lage ist, bessere Prognosen für die Baupreise zu machen als einfache bzw. „günstige“ Alternativen, wie etwa ein einfaches Zeitreihenmodell oder Modelle auf der Basis maschineller Lernverfahren.

Unter Berücksichtigung der aktuellen Prognosen externer Institutionen kommt der Prognoseansatz derzeit zu dem Ergebnis, dass die Phase stark steigender Baupreise in Deutschland vorerst vorbei ist. Das liegt zum Teil auch an der COVID-19-Pandemie, obwohl die Bautätigkeit in Deutschland vergleichsweise sehr wenig in Mitleidenschaft gezogen wurde. Allerdings drückt die durch die Pandemie ausgelöste Weltrezession die allgemeine Lohn- und Preisentwicklung sowohl hierzulande als auch im Ausland und dies schlägt auf die Baupreise durch, da vom gesamtwirtschaftlichen Preisniveau in Deutschland und den Importpreisen die wesentlichen Impulse auf die Baupreise ausgehen. Alles in allem wird der Anstieg der Baupreise über den Zeitraum von 2020 bis 2025 mit voraussichtlichen Raten zwischen 0,5 und 1,5 % etwas hinter dem gesamtwirtschaftlichen Preisauftrieb zurückbleiben.

Projektbeteiligte
Eckdaten
Schlagworte zum Projekt : Bauboom, Baugewerbe, Bauleistungen, Baupreise, Prognose, Punktprognose, Prognoseunsicherheit
Projekt auf der Webseite des BBSR : https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/1Wertschoepfung/2019/mittelfristprognose/01-start