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Inhalte

Innovationsstrategien am Bau im internationalen Vergleich

Projektbeschreibung

Projektbeteiligte

Eckdaten

Innovationsstrategien am Bau im internationalen Vergleich


Projektnummer
Projektbeginn
07.2009
Projektende
01.2011
Projektstatus
abgeschlossen mit Bericht

Innovationen in der Bauwirtschaft sind weniger sichtbar und verlaufen anders als in der Industrie oder im Dienstleistungsbereich. Das Forschungsprojekt hat die Innovationstätigkeit in der Bauwirtschaft im europäischen Vergleich untersucht und Unterschiede bezüglich der Innovationserzeugung und -diffusion in der Wertschöpfungskette Bau sowie spezifische Innovationspfade im Bausektor beleuchtet.Projektlaufzeit: Juli 2009 - Dezember 2010

Ausgangslage

In einer Studie über Innovationsbiographien in der Bauwirtschaft konnte gezeigt werden, dass die Bauwirtschaft als Wertschöpfungskette innovativer ist als allgemein wahrgenommen. Allerdings verlaufen Innovationen in der Bauwirtschaft anders als in der Industrie oder im Dienstleistungsbereich. Sie sind weniger sichtbar, da sie stark prozessorientiert, inkrementell und oft auf ein spezifisches, kurzfristig zu lösendes Problem bezogen sind. Die gängigen Indikatoren der Innovationsforschung, wie die Anzahl der Patentanmeldungen oder der Anteil der Beschäftigten im F&E-Bereich, erfassen diese Besonderheiten nicht. Aufgrund der starken Fragmentierung und der losen Verbindungen innerhalb der Wertschöpfungskette bildet die Diffusion von Innovationen in der Bauwirtschaft einen zentralen Engpass, der als "innovation-gap" bezeichnet wird. Diffusionskanäle wie Netzwerke, Kooperationen und spezifische Plattformen erscheinen daher als besonders untersuchenswert.

Ziel

Das Forschungsprojekt zielte darauf ab, die Innovationstätigkeit in der Bauwirtschaft in einem europäischen Vergleich zu untersuchen und Unterschiede bezüglich der Innovationserzeugung und -diffusion in der Wertschöpfungskette Bau sowie spezifische Innovationspfade im Bausektor herauszustellen. Auf Basis der Untersuchungsergebnisse sollten die Position der Wertschöpfungskette Bau in Deutschland systematisch fundiert, Benchmarks im Sinne von Beispielen guter Praxis herausgearbeitet und offene Fragen dargestellt werden. Dabei war insbesondere auf folgende Forschungsleitfragen einzugehen:

  • Welches sind die innovativen Akteure innerhalb der Wertschöpfungskette und wo sind diese aufzufinden?
  • Welche Rolle spielt das Bauhauptgewerbe im Innovationsprozess?
  • Gibt es in den Ländern spezifische Innovationspfade? Insbesondere: In welcher Form ist die Industrialisierung der Bauwirtschaft fortgeschritten?
  • Wie sind die Prozesse innerhalb der Bauwirtschaft, vor allem die Effizienz des Managements von Bauprojekten betreffend?
  • Lassen sich Unterschiede bei dem Einfluss von Regulierungen erkennen?
  • Wie erfolgt die Diffusion von Innovationen innerhalb der Bauwirtschaft?
  • Welche Rolle spielen Energie- und Ressourceneffizienz für die künftige Entwicklung der Bauwirtschaft?

Auftragnehmer des Forschungsprojekts war das Institut Arbeit und Technik (IAT) in Gelsenkirchen.

Konzept

Die Umsetzung des Projekts erfolgte in drei Arbeitsphasen. In der ersten Phase wurde die Bauwirtschaft in 15 europäischen Ländern basierend auf der Auswertung quantitativer Daten und thematischer Studien verglichen. Neben Deutschland gehörten Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Italien, Großbritannien, Niederlande, Österreich, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, Schweden, Schweiz und Ungarn zu den untersuchten Ländern. Mit Hilfe dieser Grundlagen erfolgte eine erste Verortung der Stärken und Schwächen der deutschen Bauwirtschaft sowie die Auswahl der sechs vertieft zu untersuchenden Länder: Belgien, Dänemark, Finnland, Großbritannien, Österreich und Spanien. Ergänzend wurden Fallstudien in Italien, Polen und der Schweiz durchgeführt.

Im Mittelpunkt der zweiten Arbeitsphase standen die Untersuchungen in den sechs ausgewählten Ländern. Hierzu wurden in jedem Land durch Leitfragen strukturierte Expertengespräche geführt. Die vergleichende Betrachtung der Gespräche, um weitere Recherchen ergänzt, führte zur Herausarbeitung von Themen und Beispielen, die als Benchmark für die deutsche Bauwirtschaft geeignet erschienen. Diese wurden in der dritten Arbeitsphase im Rahmen eines Expertenworkshops vorgestellt und die sich daraus ergebenden Anregungen für die deutsche Bauwirtschaft diskutiert. Ergänzend wurden die Ergebnisse mit zwei weiteren Experten für die Bauwirtschaft in Deutschland erörtert.

Mit dem Anspruch eines europaweiten, systematischen quantitativen Vergleichs in Verbindung mit einem Benchmarking wurde für die Bauwirtschaft Neuland betreten, so dass der Projektbericht einen explorativen Charakter aufweist. Adressaten sind daher vor allem die Multiplikatoren aus Verbänden, Wissenschafts- und Transfereinrichtungen, Bildungseinrichtungen oder der für die Bauwirtschaft zuständigen Administration. Konkrete Empfehlungen für die Unternehmen der Bauwirtschaft bedürfen einer tiefergehenden, thematisch fokussierten Untersuchung.

Ergebnisse

Positionierung der Wertschöpfungskette Bau in Deutschland

Als Ergebnis des ersten Arbeitsphase ließen sich folgende Stärken für die deutsche Bauwirtschaft benennen: Bezogen auf die Wertschöpfungskette weist Deutschland einen überdurchschnittlichen Anteil industrieller Zulieferer auf. Bezogen auf die, an den Patenten gemessene, technische Innovationstätigkeit nimmt Deutschland eine deutliche Spitzenposition in Europa ein: Mehr als jedes fünfte aus aller Welt beim europäischen Patentamt angemeldete baurelevante Patent stammt im Untersuchungszeitraum aus Deutschland. Bei den auf den Bauprozess bezogenen Effizienzindikatoren liegt Deutschland in der Spitzengruppe. Es finden sich verschiedene Erfahrungen mit Clustern in der Bauwirtschaft, die aber bisher nicht systematisch ausgewertet wurden. Die für die Bauwirtschaft relevante Forschungslandschaft ist breit gefächert. Bei der Förderung energieeffizienten Bauens nimmt Deutschland eine Spitzenstellung ein. Dem standen folgende Schwächen gegenüber: Bezogen auf die für die Diffusion wichtigen Institutionen sind die Netzwerke in Deutschland überwiegend mittel bis schwach. Bei den Weiterbildungsaktivitäten liegt Deutschland unter dem europäischen Durchschnitt. Die Plattformen zur Kommunikation und Diffusion von Innovationen sind eher dezentral und wenig exponiert. Nicht eindeutig als Stärken oder Schwächen einzuordnen waren folgende Faktoren: Bei der Produktivität befindet sich Deutschland eher im Mittelfeld. Die Anzahl der Architekten ist überdurchschnittlich. Bezogen auf die Regulierung ist der Standard in Deutschland ungeachtet der EU-Normierungen noch vergleichsweise stark. Im Vergleich mit anderen Ländern ist die Investitionsquote niedrig und die Fertigungstiefe ausgeprägt.

Ergebnisse aus dem Vergleich Deutschlands und der sechs vertieft untersuchten Länder bezogen auf die, der Studie zugrunde liegenden, Forschungsfragen

  • Länderspezifische Innovationspfade und Fortschritt der Industrialisierung: Zwar besteht auch in der Bauwirtschaft die Tendenz zu einem europäischen Binnenmarkt mit einheitlichen Standards doch ein wesentlicher Teil des Innovationsgeschehens folgt noch immer spezifischen nationalen Innovationspfaden. Dabei beeinflussen die national teilweise deutlich unterschiedlichen Baukulturen, die jeweiligen Spezialisierungen vor allem in den vor gelagerten Branchen der Baustoff– und Baumaschinenhersteller oder die unterschiedlichen Schwerpunkte bei spezifischen Rohstoffen die nationalen Innovationssysteme wesentlich.

  • Unterschiede bei dem Einfluss von Regulierungen: Der komplexe Bereich der Regulierung konnte im Rahmen dieser Studie nur sehr allgemein behandelt werden. Durch europäische Anforderungen und Initiativen fanden sich gemeinsame Trends wie die Betonung der leistungsbasierten Regulierung, die Teilprivatisierung der Qualitätssicherung, die wachsende Bedeutung der Zertifizierung sowie die steigende Regulierung in den Bereichen Energieeffizienz und Nachhaltigkeit. Generell bleiben aber deutlich unterschiedliche nationale Traditionen bestehen, die das Innovationsgeschehen strukturieren und der Internationalisierung der Bauwirtschaft weiterhin enge Grenzen setzen.

  • Rolle der Energie- und Ressourceneffizienz für die künftige Entwicklung der Bauwirtschaft: Bei den zunehmenden Regulierungen im Feld der Energieeffizienz ist das Innovationspotenzial am deutlichsten erkennbar. Bei der Betrachtung der Veränderungen einzelner Komponenten eines Gebäudes unter Aspekten der Energieeffizienz kann der Wertschöpfungskette Bau unter technischen Aspekten eine durchaus hohe Innovationskraft zugesprochen werden.

  • Identifikation und Lokalisierung innovativer Akteure innerhalb der Wertschöpfungskette: Bezogen auf die Innovationstreiber aus den Unternehmen finden sich in den meisten Ländern Gemeinsamkeiten. Neben international tätigen Großunternehmen mit eigenen Entwicklungsabteilungen finden sich auch klassische „Tüftler“ in den kleinen Unternehmen des Kernbereichs der Bauwirtschaft und innovative Impulse seitens der Architekten und Planer. Insgesamt gehen innovative Impulse aber vor allem von den oft spezialisierten mittleren Unternehmen der vor gelagerten Wertschöpfungsstufen aus.

  • Rolle des Bauhauptgewerbes im Innovationsprozess: Im Bauhauptgewerbe fallen komplexe und wissensintensive Anforderungen wie in kaum einem anderen wirtschaftlichen Bereich zusammen. Es stellen sich fast immer neue, spezifische Herausforderungen die innovative Lösungen erfordern, wenn es darum geht, unterschiedliche Technologien bezogen auf die jeweils spezifischen Anforderungen vor Ort zu integrieren. Hier finden sich allerdings auch in allen Ländern die zentralen Engpässe für die Diffusion von Innovationen, da es oft bereits an der Dokumentation mangelt.

  • Prozessorganisation und -management innerhalb der Bauwirtschaft: Die Prozesse bilden den zentralen Innovations- und Wettbewerbsfaktor der Unternehmen des Bauhauptgewerbes. Die Frage nach der Prozessoptimierung und den damit verbundenen neuen Geschäftsmodellen bleibt die Schlüsselfrage für die weitere Entwicklung der Wertschöpfungskette Bau. Die Qualifizierung der Beschäftigten sowie deren Kompetenz zur gewerke- bzw. fachgruppenübergreifenden Zusammenarbeit, zur Nutzung neuer informationstechnischer Möglichkeiten und zur Koordination und Dokumentation der Prozesse dürfte hier eine zentrale Rolle einnehmen.

  • Diffusion von Innovationen: Die Diffusion ist wesentlich für die Beantwortung der Frage nach den Prozessinnovationen. In den Expertengesprächen war die Fragmentierung der Wertschöpfungskette immer wieder Thema, die als Erklärung für die begrenzte Diffusion aber nicht ausreichte. In dieser Beziehung sind in den vergangenen Jahren mit Clustern, Netzwerken, Plattformen oder neuen Transferformaten Erfahrungen in verschiedenen Branchen gesammelt worden, die in national unterschiedlicher Ausprägung auch Eingang in die Bauwirtschaft gefunden haben.

Herausgearbeitete Benchmarks als Beispiele guter Praxis auf Basis der Untersuchungen in den sechs Ländern und ergänzender Recherchen

  1. Das Byggeriets Evaluerings Center (BEC) - Benchmarkinginstitut für den dänischen Bausektor als Benchmark für die Schaffung von Anreizen zur optimalen Projektdurchführung durch Transparenz und Vergleichbarkeit auf Basis von Evaluierung und gesetzlichen Vorschriften,

  2. das britische KPI-Benchmarkingsystem und Constructing Excellence in the Built Environmentals Benchmark für die Förderung von Lernprozessen auf Basis der Evaluierung in Kombination mit gesetzlichen Datenerhebungsvorschriften,

  3. die öffentliche Förderung von Partnering in Dänemark als Benchmark für eine erfolgreiche Integration innerhalb der Wertschöpfungskette unter Einbezug der Nachfrageseite,

  4. die Schweizer Forschungs- und Innovations-Cafés als Benchmark für eine in einem Bottom-up Prozess entstandene Innovationsförderung sowie

  5. das wissenschaftliche und technische Bauzentrum ‘Centre Scientifique et Technique de la Construction‘ in Belgien als Benchmark für eine selbstorganisierte, funktional und disziplinär integrierte Bauforschung.

Diese Benchmarks sind als Anregungen zur weiteren Stärkung des Innovationssystems der deutschen Wertschöpfungskette Bau und nicht als einfach zu übertragende Modelle zu verstehen. Die im Rahmen des Benchmarkworkshops vorgestellten Beispiele (1., 4., 5.) haben gezeigt, dass ein starkes Problembewusstsein sowie ein hohes Maß an Selbstinitiative und Selbstorganisation aus der Wertschöpfungskette als wesentliche Erfolgsfaktoren anzusehen sind.

Veröffentlichungen

Innovationsstrategien am Bau im internationalen Vergleich
BMVBS-Online-Publikation 07/2011, Hrsg.: BMVBS, Februar 2011
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Projektbeteiligte
Eckdaten
Schlagworte zum Projekt : Innovation, Innovationsstrategien, Bau, Bauwirtschaft
Projekt auf der Webseite des BBSR : https://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/forschung/programme/zb/Auftragsforschung/1Wertschoepfung/2009/InnovationsstrategienBau/01_start