Newsletter 04 - Netzwerktreffen 2

Liebe Leserin, lieber Leser,

zum Jahresabschluss noch eine Nachlese zu unserem World Café im Rahmen des 2. Netzwerktreffens, denn die Themen begleiten uns alle nach wie vor: die am Bau Beteiligten dabei, die Modellvorhaben auf einen guten Weg zu bringen und uns dabei, die Modellvorhaben forschend zu begleiten. Grund genug, die Themen auch gerne einige Zeit nach der Diskussion oder zur Auffrischung Revue passieren zu lassen.

Das 2. Netzwerktreffen am 21.09.2018 in Berlin sorgte für einen intensiven Austausch zwischen den Projektvertretern, der Begleitforschung und den Fördermittelgebern. In Gruppen diskutierte man im Format „World Café“ fünf unterschiedliche Themenbereiche:
- Baukonstruktion / Architektur / Flexibilität
- Planung / Umsetzung / Forschung
- Gebäudetechnik / Gebäudebetrieb / Energieeffizienz
- Ökonomie / Baukosten / Betriebskosten
- Nachhaltigkeit / Ökologie / Zertifizierung

Die Ergebnisse der Diskussionsrunden stellen wir Ihnen im heutigen Newsletter vor.


Viele Grüße
Ihr Team der Begleitforschung

Themenbereich 1: Baukonstruktion / Architektur / Flexibilität

Flexibilität: Vorteile, Mehraufwand / Kosten, Wechselwirkungen
Konstruktion: Vorfertigung, Bestand, Architektonische Qualität
Vorfertigung: Indikatoren, Vorteile, Nachteile, Randbedingungen, Umsetzung
Wartungsarme und besonders langlebige Konstruktionen

Als eine eine besondere Aufgabe nannten die Vertreter der Modellvorhaben die entgegengesetzten Ansprüche von Flexibilität und dem Einsatz von vorgefertigten Elementen wie Fertigbädern. Dazu kommt der Konflikt zwischen Vorfertigung und Schallschutz, Bauablauf und Baukosten. Der Schallschutz wurde vor allem für die aktuelle Nutzung priorisiert – in den Projekten werden die Wände i. d. R. auf der Rohdecke montiert und nicht auf dem Estrich.

Insbesondere im Bestand führen die Ansprüche an eine barrierefreie und nachhaltige Nachnutzung zu einem erhöhten Mehraufwand und damit verbunden zu kreativen Lösungskonzepten. Es folgte eine Diskussion darum, wie wahrscheinlich die zukünftige Nachnutzung eines Gebäudes ist und ob ein Studierendenwohnheim in wenigen Dekaden tatsächlich zu einem Seniorenwohnheim umgenutzt wird.

Um das Thema der Flexibilität und Nachhaltigkeit beim Planen und Bauen gezielter anzugehen, wurde über Meilensteinpläne in der Nutzungsphase nachgedacht, welche den Grad an Flexibilität staffeln und Umnutzungs- und Umbauzeiträume definieren könnten.

Die Vorfertigung wurde insbesondere bezüglich des Themas Flexibilität und Gestaltung kritisch betrachtet. Zusätzlich wurden die Benchmarks für Vorfertigung diskutiert. Fängt eine Vorfertigung im VARIO-Kontext schon bei vorgefertigten Spannbetondecken an oder zählt erst die komplett vorgefertigte Nasszelle zum Vorfertigungsbau?

Innovative Bauweisen wie beispielsweise vorgefertigte Raumzellen entsprechen noch nicht dem Stand der Technik. Dies steht häufig im Konflikt zur Forderung der meisten Bauherren nach dem Stand der Technik zu realisieren. Die Modellprojekte, die aktuell mit einer seriellen Vorfertigung arbeiten, begründeten dies insbesondere mit einer Kosten- sowie Zeiteinsparung und mit dem vorherrschenden Fachkräftemangel.

Die VARIO-Fördervoraussetzungen wurden als unflexibel und zu streng erachtet. Ebenso wurde hier das öffentliche Vergaberecht genannt, welches als große Hürde empfunden wird. Ursachen für die kritischen Äußerungen sind die empfundene Überregulierung und die gedeckelte Bruttowarmmiete.

Die genannten Aspekte stellten die Planer vor große Herausforderungen. In der Konsequenz gab es Verzögerungen, Nachträge, Baukostenerhöhungen und eine aufwändigere Planung. Durch umfassende Absprachen mit den Fachplanern, systemoffene Ausschreibungen und dadurch, dass Programmziele zur Bedingung der Förderung gemacht wurden, konnten die genannten Hürden jedoch im Laufe des Prozesses überwunden werden. Durch die notwendige, intensive Planung entstanden dabei positive Lösungsansätze, sodass eine höhere Qualität erreicht wird als bei einer regulären Beauftragung. Gleichzeitig wurden Fehlinterpretationen der Ausschreibungen reduziert. Aus diesen Erfahrungen heraus erhöht sich durch die Förderrichtlinie die Motivation der Architekten für eine ganzheitliche, nachhaltige Planung.

In den Diskussionsrunden wurde deutlich, dass viele Bauherren sich noch nicht für innovative Grundrisse öffnen konnten. Auch die Genehmigungsbehörden stellen an dieser Stelle durch geringe Flexibilität ein Problem dar.

Themenbereich 2: Planung / Umsetzung / Forschung

Integrale Planung: Rollenverständnisse, Rahmenbedingungen und Anforderungen
Markt und Standort: Einfluss auf Planung, Vermarktung und Nachnutzung
Networking: Erkenntnisse durch Austausch und Forschung im VARIO-Projekt

Die Mehrzahl der VARIO-Projekte konstatierte, dass die Zuständigkeiten und das Zusammenspiel von Planern und Forschern zumeist erst nach der Antragstellung im Detail besprochen und geklärt werden konnte. Dies war einerseits dem Umstand geschuldet, dass für die Antragstellung eine relativ kurze Zeit zur Verfügung stand, andererseits die tatsächlich relevanten Themenschwerpunkte nur abgeschätzt werden konnten. Zudem war für die meisten Projekte die Zusammenarbeit mit Forschern etwas Neues und insofern auch Methoden, Vorgehensweisen und Anforderungen der Forschenden nur schwer abschätzbar.

Beide Seiten - Planer und Forscher - sahen ein Hauptproblem im Zeitdruck, der innerhalb des VARIO-Verfahrens und der heute üblichen Planungs- und Bauabläufe herrscht. Dieser Zeitdruck bietet nicht genügend Raum für die notwendige Abstimmung, die eine integrale Planung und damit eine intensive und interdisziplinäre Zusammenarbeit erfordert.

Als Lösung für zukünftige Projekte dieser Art wurde vorgeschlagen, dass eine Antragstellung über eine Projektskizze deutlich vor dem Bauantrag erfolgen sollte. Im Rahmen dieser Skizze stände auch den Planern und Forschern Raum und Zeit zur Verfügung, um ihre Rollen und ihr Selbstverständnis innerhalb des Projekts zu klären und zu beschreiben.

In den Beiträgen wurde deutlich, dass die aktuelle positive Lage am Bau- und Immobilienmarkt mit extremen Preissteigerungen dazu führt, dass die in den Projekten und in der Forschung getroffenen Annahmen eine kurze ‚Halbwertzeit’ haben bzw. eine ‚Momentaufnahme’ darstellen, insbesondere wo sie die Forschungsschwerpunkte Bauzeitverkürzung, Kostenersparnis oder Innovationen betreffen. Oft waren die Projekte gezwungen, ihre ursprüngliche Planung an die günstigste bzw. die am Markt verfügbare Lösung anzupassen.

Vor diesem Hintergrund sahen einige Projekte das Thema Lieferkette als ein relevantes und zu beforschendes Thema, dass im Sinne der Nachhaltigkeit des VARIO-Projektes mehr Aufmerksamkeit erhalten müsste.

Auch die Bedeutung des Projekt-Standorts wurde im Kontext der Markt-Diskussion erörtert. Gerade im Hinblick auf die gewünschte Variabilität der Grundrisse und Nutzung in den VARIO-Projekten wurde deutlich, dass dieser Aspekt an attraktiven Studierenden-Standorten keine Rolle spielt, da von einer langfristigen Nutzung für studentisches Wohnen ausgegangen wird. An weniger nachgefragten Standorten (z.B. Cottbus, Frankfurt / Oder), die gegen die Attraktivität von Berlin als Wohnort kämpfen, ist hingegen wichtig, dass alternative Nutzungen sowie sinnvolle gemeinschaftliche Räume und Aktivitäten angeboten werden. Dieser Aspekt wird auch bei der Auswertung der Projekte in der Begleitforschung zu berücksichtigen sein.

Einhellig haben die Teilnehmenden bestätigt, dass sie durch die Forschung neue Erkenntnisse und Anregungen erhalten haben. Dies wurde einerseits auf die Rolle der Forscher als ‚Außenstehende’ zurückgeführt, die dem Projekt mit einem anderen Blick begegnen. Andererseits haben sich die Forscher als Ansprechpartner für konkrete Fragestellungen im Projekt bewährt, die nicht immer im Vorfeld ersichtlich waren und auch nicht immer zu den definierten Kernaufgaben gehörten.

In der Summe wurde der laufende Prozess nach Einstieg der Forscher in das Projekt als positiv bewertet, auch wenn die einzelnen Projekte sehr unterschiedliche Formen und Intensitäten der Kommunikation aufweisen. Viele der Teilnehmenden haben bestätigt, dass durch den späten Einstieg der Forschung in das Projekt – teilweise bedingt durch eine späte Beauftragung – das Konzept der Forschung verändert und an den Projektstatus angepasst wurde. Dies hätte zwar nicht die Kommunikation negativ beeinträchtigt, aber dazu geführt, dass einige wesentliche Entscheidungen nicht getroffen werden konnten.

Einigkeit herrschte auch in der Einschätzung, dass die Einbeziehung der Nutzer in das Projekt von großer Wichtigkeit ist – im Vorfeld wie auch im Zuge der Nutzung. Dabei gibt es bei den Projekten große Unterschiede in der Berücksichtigung der Nutzer im Vorfeld, abhängig vom Erfahrungshintergrund des Bauherrn bzw. Investors.

Die Teilnehmer äußerten folgende Wünsche:
- Durchführung von ‚Workshops zu systemimmanenten Problemen’ bei zukünftigen Projekten zur Integration der Forschung in die normale Planung.
- Die Bezuschussung von Prototypen zur Förderung von Innovation.
- Die Intensivierung des Austausches zwischen den laufenden VARIO-Projekten durch direkten Kontakt der Planer und Forscher untereinander, die Sammlung von Referenzen, Best Practices bzw. 'No Go’s' aus den Projekten wie auch durch ein eigenes Netzwerktreffen zum Thema Forschung.

Themenbereich 3: Gebäudetechnik / Gebäudebetrieb / Energieeffizienz

Welche Entscheidungen beeinflussten das Energiekonzept?
Welchen Einfluss nimmt das VARIO-Wohnen-Konzept auf die TGA?
Wie werden geringe Betriebskosten gesichert?

Vielfach nannte man in den Antworten sowohl zur ersten als auch zur zweiten Frage die Rolle des Fachplaners. Er / sie beeinflusst maßgeblich die Qualität und den Innovationsgrad von der Konzeptentwicklung bis zur Planung und Ausführung der Energieversorgungsanlage und der Gebäudetechnik. Bei der heutigen Vielfalt an Systemlösungen für die Wärmeversorgung von Gebäuden (z.B. konventionelle Systeme, BHKW, Wärmepumpen, Solarthermie) sind die Bauherren deshalb auf die Kompetenz der Fachplaner und deren Empfehlungen angewiesen. Oft finden innovative Ansätze wie der Einsatz von Erneuerbaren oder die Sektorkopplung aufgrund der scheinbaren Komplexität so keine Berücksichtigung.

In diesem Zusammenhang wurden die Vorteile der Fernwärme erörtert. Wie häufig auch bei anderen Bauvorhaben erweist sich der Primärenergiefaktor von Fernwärme als "unschlagbar gut", zudem sichert eine Fernwärmeversorgung günstige Herstellungskosten und ist simpel in der Anwendung.

Folgende weitere restriktive Aspekte wurden genannt:
rechtliche Rahmenbedingungen (Fernwärmesatzung, Vorgaben B-Plan, Denkmalschutz)
Rivalität verschiedener Technologien und Konzepte in puncto Platzbedarf speziell auf dem Dach (Photovoltaik, Abwärmepume)
Trotz des hauptsächlichen Einsatzes von Fernwärme kommen in den Projekten auch dezentrale, regenerative Systeme wie Photovoltaik-Anlagen, Wärmepumpensysteme und Solarthermie zum Einsatz.

Als Reaktion auf das VARIO-Wohnen-Konzept wurde bezüglich der TGA vor allem darauf geachtet, die Leitungsführung an die geforderte Variabilität und Flexibilität der Studierendenapartments anzupassen. Der nachträgliche Umbau der TGA sollte weitestgehend vermieden werden. Deshalb werden auch vorrangig dezentrale Lüftungssysteme umgesetzt. Ein besonderer Einfluss auf die Planung der Gebäudetechnik trat in den Modellvorhaben auf, in denen die Wohnmodule teilweise oder gänzlich vorgefertigt wurden.

Die Komplexität und der Ausstattungsgrad bei der TGA werden nicht nur von der Kompetenz der Planungsbüros, sondern auch von der zukünftig erwarteten Nutzergruppe getrieben. Zwar müssen Bauschadenfreiheit gewährleistet und die Vorgaben der EnEV und bauphysikalische Mindestanforderungen erfüllt sein (Stichworte: Lüftung, Schimmelpilzrisiko), doch kam man mit diesen Themen schnell auch zur dritten Frage, bei der vor allem auch die Nutzer zu berücksichtigen sind.

Wartungsarme, robuste Versorgungssysteme, aber auch die Nutzerzufriedenheit stehen im Fokus der Betriebskosten-Konzepte. Dabei wurden als Maßnahmen zur Minimierung der Betriebskosten mehrfach die Schlagworte „Low Tech“ bzw. „No Tech“ genannt. Die Nutzer sollen sich wohl fühlen und – in Anbetracht dessen, dass in Studierendenheimen eine hohe Fluktuation herrscht – keinem komplizierten Lüftungssystem oder Heizungsregelung gegenüberstehen.

Zur aktiven Einbindung der Nutzer werden von den Projekten verschiedene Systeme angestrebt. In einigen wird auf Gebäudeautomation z.B. in Form eines Chipkartensystems (RFID-basiert, ähnlich wie in Hotels) gesetzt, sodass bei Abwesenheit Strom und Wärme gespart werden. Ein weiterer Lösungsansatz ist die Nutzung von Verbrauchsanzeigen und Wettbewerb zwischen den Bewohnern. Anreiz- oder Bonussysteme könnten für eine Einsparung von Nebenkosten sorgen. Hier ist jedoch mit erhöhten Kosten für Unterzähler zu rechnen und auf den Datenschutz zu achten.

Um die Energiekonzepte nachhaltiger gestalten zu können, wurde vor allem die Minimierung von Regularien genannt. Aber auch die Förderung von Interdisziplinarität wurde angesprochen. Der Einsatz von Open BIM ist eine Möglichkeit, die verschiedenen Beteiligten im Planungsprozess zu verknüpfen. Eine bessere Kommunikation kann auch dafür sorgen, dass „über den Tellerrand hinaus“ geschaut und eine Energieversorgung vielleicht sogar im Kontext zum gesamten Quartier (Nahwärmeversorgung) gestaltet werden kann.

Themenbereich 4: Ökonomie / Baukosten / Betriebskosten

Ökonomie: Aktuelle Baupreisentwicklung und Belegungsbindung
Lebenszykluskostenberechnung: Methodik, Zeitpunkt; langfristige Kosteneffizienz
Kostenvergleich (Invest+LCC) aus anderen Vario-Projekten

Das Thema der Baukosten wurde erwartungsgemäß intensiv und mit vielfältigen Beispielen aus den Modellprojekten auch sehr detailliert diskutiert. Jedoch kreiste die Runde sehr stark um den Schwerpunkt der aktuellen Baupreisentwicklung und Marktlage mit allen vorwiegend negativen Auswirkungen auf das aktuelle Planungs- und Baugeschehen bei den Projekten.

Große Einigkeit herrschte bei der Feststellung, dass die überhand nehmenden Bauvorschriften, teilweise auf den unterschiedlichen Ebenen Bund, Land und Kommune zusammen mit den Rahmenbedingungen aus verschiedenen Förderprogrammen ein wesentlicher Faktor für die hohen Baukosten sind. Oft ergeben sich Zielkonflikte im Bereich Brandschutz, Schallschutz oder auch bei Bauvorhaben mit Denkmalschutz, die sich planerisch nicht immer zufriedenstellend lösen lassen.

Die Kosten- und Terminunsicherheit wird durch die teilweise unvorhersehbaren Ausschreibungsergebnisse in die Projekte getragen. Nicht immer besteht die Möglichkeit adäquat gegenzusteuern. Gerade bei öffentlichen Bauvorhaben mit langen Vorlaufzeiten oder durch längere Genehmigungsfristen entsteht bei der derzeitigen Marktlage ein zusätzlicher Kostendruck, der eingeplant werden muss.

Als weiterer Kostentreiber wurden Planungsänderungen genannt. Baubegleitende Planung ist also immer noch die Regel und nicht die Ausnahme. Die steigende Komplexität bei aktuellen Bauvorhaben kann auch dazu führen, dass vor allem eine langfristige Kostensicherheit nicht mehr gegeben ist und vor allem kaum noch planbar ist.

Kritik wurde auch an der Bauwirtschaft / Industrie geübt. Zu sehr sind Absatzzahlen und Verkaufsvolumen die Gradmesser. In Soft Skills, Bauprozesse- und Abläufe, die Verträglichkeit / Kombinierbarkeit von Bauprodukten untereinander wird zu wenig investiert, obwohl hier ein besonders großes Einsparpotenzial liegt.

Bei der Bewertung von Kosteneffizienz und Wirtschaftlichkeit plädierten viele Akteure für einen Blick über den Tellerrand und das Einbeziehen auch von weichen Faktoren. Baukulturelle Ziele, mehr Flexibilität oder auch gemeinwohlorientierte Aspekte sollten bei der Bewertung der Wirtschaftlichkeit eine größere Rolle spielen, wenn man Suffizienz ernst meint.

Die Themen Lebenszyklus und Kostenvergleiche zwischen den Modellvorhaben konnten aufgrund des großen Diskussionsbedarfs zu den vorigen Themen kaum angerissen werden.

Themenbereich 5: Nachhaltigkeit / Ökologie / Zertifizierung

Zertifizierung: Schwierigkeiten, Qualitäten, Motivation, Kostenaspekte, Systemunterschiede
Ökobilanz: Anforderungen, Werkzeuge
Qualitäten: Schadstofffreiheit, Ausführung
Bestand: Graue Energie, Anwendung von Zertifizierungssystemen und –methoden
Suffizienz im Zusammenhang mit dem Förderprogramm

Die Mehrzahl der VARIO-Projekte wird nach NaWoh zertifiziert. Die NaWoh-Zertifizierung legt für einige Kriterien Mindestanforderungen fest, andere Kriterien sind beschreibend.

Für einige der Projekte kam zum Zeitpunktpunkt der Entscheidung für ein Zertifizierungssystem nur das DGNB- oder das NaWoh-System in Frage. Dabei spielt insbesondere der Zeitpunkt der Entscheidung eine Rolle, da das NaWoh-System parallel zum Fördervorhaben an die speziellen Erfordernisse des VARIO-Wohnens angepasst wurde. Bestandsbauten mit Wohnnutzung können zudem derzeit im DGNB-System noch nicht bewertet werden.

Zudem sind die Unterschiede der DGNB- und NaWoh-Zertifizierung nicht transparent genug und damit schwer zu entscheiden, für welches Projekt welches System besser geeignet ist. Bei den Kosten für die Auditorenleistungen wurden keine wesentlichen Unterschiede festgestellt. Hierzu liegen im Teilnehmerkreis allerdings auch andere Erfahrungen vor, wonach NaWoh-Zertifizierungen zum Teil günstiger angeboten werden.

Durch fast durchgängig späte Beauftragung der Nachhaltigkeitskoordination nach Erteilung des Bauauftrags waren relevante Entscheidungen bezüglich der Baustoffwahl oft schon getroffen und nur noch über Nachträge zu beeinflussen. Allerdings wurde der Umstand, dass im NaWoh-System die Nachhaltigkeitskoordination auch durch die Planer erbracht werden kann, in Frankfurt / Oder) bereits zu einem frühen Zeitpunkt genutzt, so dass hier die Berücksichtigung der Nachhaltigkeitsaspekte von Anfang an gegeben war.

Ein Problem in der Qualitätssicherung sind unterschiedliche bzw. sich überschneidende Anforderungen und Bilanzierungsregeln der Bauordnung, verschiedener Förderprogramme, des Ready-Standards, der Zertifizierungssysteme etc.

Zum Thema Ökobilanz wurden folgende Punkte besprochen:
Getrennte Abbildung von Wohn- und Büronutzung, anders als bei gemeinsamer Bilanzierung nach EnEV
fehlende Möglichkeit, Öko-Strom in der Bilanzierung zu berücksichtigen
fehlende Berücksichtigung der Ergebnisse bei Planungsentscheidungen (zu spät, Konkurrenz zu Kosten, Funktionalität, Gestaltung)
In der Diskussion hob man positiv hervor, dass die Bauherren als Bestandshalter und durch die Bindung an eine Warmmiete ein hohes eigenes Interesse an Nachhaltigem Bauen und hoher Bauqualität haben. Hierfür wurden die Zertifizierungssysteme als positive Anregung und Argumentationshilfe wahrgenommen. Daher ist auch die Zertifizierung kein wesentlicher Kostentreiber in den VARIO-Projekten: Lediglich die Leistung der Nachhaltigkeitskoordinatoren schlägt hier zu Buche.

Besonders betont wurden sowohl die energetische Qualität als auch die Schadstofffreiheit im Gebäude. Als wichtiger Aspekt für die Qualitätssicherung wurde die Qualität der Ausführung und in diesem Zusammenhang die Vergabe von Leistungen an Subunternehmer genannt.

Als besondere Schwierigkeiten wurden von den Teilnehmenden die späte Beauftragung, aber auch die Vielzahl von unterschiedlichen Baustoffen, den enthaltenen Zusatz- und Hilfsstoffen genannt. Sie einzuschätzen gestaltet sich schwierig.

Somit ist nur eine Vermeidungsstrategie möglich. Als Informationsquelle wird vereinzelt WECOBIS genutzt, das zumindest eine grobe Einstufung von Baustoffgruppen und deren Inhaltsstoffe ermöglicht sowie ggf. auch Alternativen benennt.

In der DGNB-Zertifizierung wird jedes einzelne Produkt auf die Umweltrisiken geprüft. Nach Baufertigstellung ist zudem die Durchführung einer Innenraumluftmessung verpflichtend. Diese scharfen Anforderungen erfordern eine intensive Auseinandersetzung mit den verwendeten Materialien und Bauprodukten, die in den jeweiligen Projekten durch einen extern beauftragten Auditor durchgeführt wird. In der Regel können für alle ggf. problematischen Produkte umwelt- und gesundheitsfreundlich(er)e Lösungen gefunden werden.

Die Anforderungen des NaWoh sind hierbei etwas schwächer. Die Kriterien Innenraumluftqualität und Schadstoffe werden nur beschreibend behandelt. Daraus resultiert, dass diese Leistungen auch von Forschungsnehmern und Planern selbst übernommen werden, die in diesen Bereichen ggf. über keine vertieften Kenntnisse verfügen bzw. sich diese erst im Verlauf des Projektes aneignen müssen.

Weitere wesentliche Punkte, die im Zusammenhang mit der Nachhaltigkeitsdiskussion thematisiert wurden, waren die Suffizienz und die Nutzung des Bestandes.

Der Aspekt der Suffizienz wird in den Diskussionen derzeit noch zu wenig, in den Zertifizierungssystemen noch gar nicht berücksichtigt. Auch das Förderprogramm mit der Anforderung von mindestens 14 m² pro Individualraum und der Begrenzung auf maximal vier Wohnplätze pro Wohneinheit behindert innovative Ansätze. In manchen Bundesländern liegen die Vorgaben bei nur 12 m².

Im Bereich der Bestandsbauten liegt unbestreitbar ein hohes Potenzial zur Reduktion des Ressourcenverbrauchs. Neben der grauen Energie, die bereits im Rohbau gebunden ist, gehört dazu auch die Vermeidung weiterer Bodenversiegelung, sowie eine bereits bestehende Anbindung an die städtische Infrastruktur. In den VARIO-Projekten zeichnet sich derzeit auch ein Kostenvorteil gegenüber dem Neubau ab. Dafür sind bestimmte, unveränderliche Randbedingungen zu berücksichtigen, wie die Gebäudestellung und Auflagen aus dem Denkmalschutz bzw. ist mit schadstoffbelasteter Substanz umzugehen. Eine breitere Diskussion und Würdigung der Vorteile einer Revitalisierung des Bestandes wäre wünschenswert. Berücksichtigt werden die Vorteile in der Zertifizierung vor allem in der Ökobilanz.

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Themen aus diesen Diskussionsrunden lassen sich sicherlich fortführen und das Netzwerktreffen hat einen großen Bedarf an Austausch aufgezeigt. Daher ist bereits das nächste Treffen in Vorbereitung. Doch bis dahin:

Wir wünschen Ihnen allen die nötige Ruhe für die Weihnachtszeit und einen guten Start in das neue Jahr. Dann sehen wir uns bald wieder: das nächste Netzwerktreffen ist zu Anfang 2019 geplant. Dazu in Kürze mehr. Bis dahin

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