Newsletter 09 - Cluster-Wohnungen

Liebe Leserin, lieber Leser,

Der erste Newsletter dieses Jahres stellt Ihnen eine neue Wohnungstypologie vor: Cluster-Wohnungen. Ob und welche Parallelen zu Variowohnungen gezogen werden können, zeigt im Besonderen die Betrachtung der Gemeinschaftsflächen. Sie stehen im Fokus dessen, was für diesen Newsletter vergleichend zusammengestellt wurde. 

Ihr Team der Begleitforschung

Cluster-Wohnungen - eine neue Wohnungstypologie

Demografische und soziale Veränderungen wirken sich auf Wohnstrukturen aus. Besonders auffällig ist seit mehreren Jahren die Zunahme an Ein-Personen-Haushalten. Zudem beeinflussen schrumpfende innerstädtische Baulandreserven und steigende Baukosten den Wohnungsmarkt. Neue Wohnformen und Wohnungstypologien sollen auf damit einhergehende geänderte Bedarfe und Bedürfnisse an Wohnraum reagieren. Nahezu zeitgleich mit den Modellvorhaben zum nachhaltigen und bezahlbaren Bau von Variowohnungen wurde das Forschungsvorhaben Cluster-Wohnungen für baulich und sozial anpassungsfähige Wohnkonzepte einer resilienten Stadtentwicklung durchgeführt.
 
 
Forschung zur Cluster-Wohnung
Eine Cluster-Wohnung beschreibt den Zusammenschluss mehrerer Privaträume mit mindestens jeweils einem kleinen Bad und optionaler Teeküche, die gemeinschaftliche Wohn-, Ess- und Kochbereiche umfassen. Abbildung 1 veranschaulicht die Unterschiede von gemeinschaftlichen Wohnformen wie Wohngemeinschaft, Wohnheim und Cluster-Wohnen.

Abbildung 1: Der wesentliche Unterschied zwischen Cluster-Wohnungen und bekannten Gemeinschaftswohnformen besteht in der Bedeutung der Gemeinschaftsfläche.
 
 
Das Forschungsteam unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Michael Prytula an der FH Potsdam und unter der Leitung von Prof. Dr.-Ing. Susanne Rexroth an der HTW Berlin untersuchte die baulichen und sozialen Merkmale von Cluster-Wohnungen. Zusätzlich zu den Kriterien “privater Einheiten mit Bad und ggf. Kochgelegenheit” sowie “gemeinschaftlich genutzter Räume” wurden zwei weitere wesentliche bauliche und soziale Kriterien berücksichtigt: die integrale Erschliessung durch gemeinschaftliche Flächen und das selbstorganisierte gemeinschaftliche Zusammenleben. 
Drei zentralen Forschungsfragen bestimmten die Vorgehensweise:

1. Was sind die besonderen baulichen, sozialen, energetischen, rechtlichen und ökonomischen Qualitäten von Cluster-Wohnungen?
2. Welchen Beitrag leisten Cluster-Wohnungen für eine resiliente Stadtentwicklung?
3. Was sind die Bedingungen für Übertragbarkeit und Skalierung?

Aufbauend auf einer systematischen Recherche wurden 67 Projekte erfasst und im Hinblick auf die Forschungsprojekt-spezifische Definition von Cluster-Wohnungen ausgewertet. Das Ergebnis der Bestandserhebung sind 33 Projekte mit Cluster-Wohnungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz (D-A-CH), zu denen 29 Projektsteckbriefe mit allen in der Fachliteratur oder im Internet verfügbaren Informationen erstellt wurden. 
Am Beispiel von acht Fallbeispielen wurden dann die Merkmale von Cluster- Wohnungen systematisch erfasst und die Bedingungen für deren Realisierung analysiert. In einem mehrstufigen Arbeitsprozess wurden die planerischen, baulich- konstruktiven, wohn-soziologischen, ökonomischen und rechtlichen Dimensionen untersucht. Als Fallstudien wurden vier deutsche und vier schweizerische Projekte ausgewählt (siehe Tabelle 1).

Tabelle 1: Fallbeispiele
 
Wohnflächen unterhalb des Bundesdurchschnitts 
für Singlehaushalte
 
Was die Variowohnungen-Projekte und Cluster-Wohnungen-Projekte miteinander verbindet, sind die Anforderungen an ihre räumliche Qualität. Eines der Kriterien sind die Gemeinschaftsflächen (in der Abbildung 2 grün markiert, vgl. auch Abbildung 1).

Abbildung 2: Grundriss einer Cluster-Wohnung mit Gemeinschaftsbad und -Küche.
 
 
Die gesamte Wohnfläche besteht aus Individual- und Gemeinschaftsfläche. Wie Tabelle 2 zeigt, beträgt die jeweilige Summe bei sechs der Fallstudien weniger als der Bundesdurchschnitt (2018), bei zwei Fallstudien liegt er knapp darüber. Gemessen an der durchschnittlichen Wohnfläche von Single-Haushalten liegen alle acht Fallstudien deutlich darunter. Die Individualfläche pro Person beträgt zwischen 15,60 m² und 31,20 m². Damit unterscheiden sich die Wohnungen in den Fallbeispielen kaum von den Variowohnungen. Was hier als Wohnplatz - mit dem Limit von 30 m² - definiert ist (Individualraum, Kochgelegenheit und Bad/WC) entspricht der Individualfläche in Cluster-Wohnungen. Tabelle 2 zeigt auch, dass nur in einem Fall die Grenze von 30 m² überschritten wird.

Tabelle 2: Flächenrelationen in den Clusterwohnungen. Hellblau: Individualflächen, dunkelblau: Gemeinschaftsflächen.
 
 
Auf einen wesentlichen Unterschied deutet die Auswertung der Gemeinschaftsflächen hin. Steht den Bewohnerinnen und Bewohnern von Cluster-Wohnungen pro Person eine gemeinsam genutzte Fläche zwischen 9,20 m² und 24,40 m² zu Verfügung, so können die Bewohnerinnen und Bewohner von Variowohnungen deutlich weniger gemeinsame Fläche nutzen (vgl. Tabelle 3). Allerdings werden in den Modellvorhaben gemeinsam genutzte Flächen innerhalb der Wohnung, also Küche oder Bad in Gemeinschaftsnutzung, der Wohnfläche und nicht der Gemeinschaftsfläche zugerechnet. Bei den Modellvorhaben erfolgt die Angabe je Wohnplatz, was der personenbezogenen Angabe bei den Cluster-Wohnungen entspricht.

Tabelle 3: Flächenrelationen in den Variowohnungen der Modellvorhaben
 
 
Entscheidend: die Gemeinschaftsflächen
Mit der Nutzung zum gemeinsamen Kochen und Essen sowie als „Wohnzimmer“ lassen sich die Gemeinschaftsflächen innerhalb der Wohnung am besten charakterisieren. 70% der Befragten innerhalb der Fallbespiele mit Cluster-Wohnungen sind weitgehend oder sehr zufrieden mit ihren Gemeinschaftsräumen. Als besondere Attribute wurde beschrieben, dass diese Räume groß, offen, hell und großzügig sind, auch gemütliche Ecken bieten und mit Sofaecken, Balkon oder Terrasse und dem Küchen- und Essbereich Raum für Austausch und Begegnung bieten. Auffällig ist, dass diese Attribute in allen Projekten wiederkehrend benannt wurden. Zugleich bewertete die große Mehrheit die gemeinschaftlichen Flächen im Vergleich zu den privaten Flächen als eher (63%) oder sogar viel zu groß (10%). Trotz der als eher zu groß bewerteten Fläche wird die Ausstattung der Gemeinschaftsräume mehrheitlich als angemessen betrachtet. 

Neben der Wohnfläche wird ein Kosteneinsparungspotential in der Küchenausstattung gesehen, die als zu teuer und überdimensioniert bewertet wurde. Gemeinschaftsräume im Haus (z.B. Waschküchen) und auch die gemeinsame Nutzung von Außenräumen stärken Gemeinschaftsleben und Zufriedenheit in der Cluster-Wohnung. Sie bieten erweiterte Identifikations- und Aneignungsmöglichkeiten, ermöglichen Auslagerung von Wohnfunktionen außerhalb der Cluster-Wohnung und sind Voraussetzung für Suffizienzsteigerung durch geteilte Infrastruktur. Damit können auch Konflikte und Ressourcenverbrauch innerhalb der Wohngruppen minimiert werden.
 
Erstes Fazit: Qualitäten jenseits von Flächeneffizienz
Die besondere Qualität von Cluster-Wohnungen - die “Raumopulenz”, v.a. durch Gemeinschaftsflächen - lässt sich mit herkömmlichen Bewertungsinstrumenten wie Flächeneffizienz nicht angemessen darstellen. In der aktuellen Einschätzung trifft auch für Variowohnungen zu, dass eine Bewertung über die Flächeneffizienz zu verzerrten Ergebnissen führt. 

Welche Bedeutung die Gemeinschaftsflächen für das Funktionieren der Wohngruppe hat, evaluiert in den Modellvorhaben die architektursoziologische Begleitforschung. Was die Fallbeispiele mit Cluster-Wohnungen und die Modellvorhaben mit Variowohnungen weiterhin verbindet ist, dass sie verhältnismäßig günstige und bezahlbare Mieten bzw. Wohnkosten realisieren und so zu einer sozialen Wohnraumversorgung beitragen können. Das liegt beim Cluster-Wohnen u.a. an den Wohngenossenschaften, die als nicht-renditeorientierte, gemeinschaftliche Eigentümer die bevorzugte Rechtsform für Cluster-Wohnungen darstellen. Aber - so zeigt die Untersuchung - auch privatwirtschaftliche Investoren realisieren erfolgreich Cluster-Wohnungen. Alle Projekte sind erfolgreich vermietet und die neue Form des Zusammenlebens scheint sich zu bewähren. 

Mit welchen Mitteln und Strategien bei den Variowohnungen die (günstigen und bezahlbaren) Mietpreise gehalten werden sollen, ist Teil der Querschnittsanalyse in der Begleitforschung. Sie werden zurzeit noch untersucht und ausgewertet. 


Mehr Information zum „Cluster-Wohnen“ und die vollständige Fassung des Forschungsberichtes stehen im Internet zur Verfügung:
1. Die Broschüre »Gemeinschaftliches Wohnen im Cluster: Ein praktischer Leitfaden zum Planen, Bauen und Wohnen« ist zum kostenlosen Download verfügbar oder kann als gedruckte Broschüre über den wohnbund e.V. bestellt werden. 

2. Der Endbericht »Cluster-Wohnungen für baulich und sozial anpassungsfähige Wohnkonzepte einer resilienten Stadtentwicklung« ist zum kostenlosen Download verfügbar. 

3. Die "BBSR-Kurzfassung Cluster-Wohnungen" ist fertiggestellt und geht in Kürze in den Druck. Online ist die Broschüre schon abrufbar. 

Das Forschungsprojekt »Cluster-Wohnen: Cluster-Wohnungen für baulich und sozial an- passungsfähige Wohnkonzepte einer resilienten Stadtentwicklung« wurde mit Mitteln der Zukunft Bau Forschungsförderung unter dem Aktenzeichen SWD-Az 10.08.18.7-17.01 gefördert.

Impressum:
Verantwortlicher Herausgeber des Newsletters ist das Team der Begleitforschung Variowohnungen.